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m . KAPITEL. DIE KENNTNIS YO.M ATLANT. OCEAN VOR COl.VMBUS.
der Azoren, für welches die Ivnrtogrnphen einen besonderen Typus
herausbildeten. "Wie leichtsinnig diese hierbei verfuhren, zeigt die
erwähnte Karte des Graciosus Benincasa (in der Bologneser rniversitäts-
Bibliothek), wo ich anf der Insel Antillia sogar die N ame n j e n e r
S t ä d t e entdeckte; es sind folgende: an der AVestküste Anäuib,
Ansesseli, AnsoUi; au der Ostküste Amodicon, xXnsaUi; und an
der Südküste Aira. Zu diesen sechs Städten der sechs Bischöfe
sollte sich, wohl um die Siebenzahl voll zu machen, als Hauptstadt
und Sitz des Erzbisehofs, Aid'dlia gesellen, -welche der ganzen Insel
den Namen gab. Es In-aucht kaum hervorgehoben zu werden, dass
alle diese Namen lediglich lingirt sind, wie es schon höchst verdächtig
ist. dass sie alle (bis auf eine) mit der Silbe An . . beginnen, wofür
Antilha vermutlich als Musterwort gedient hat. — Für die vorliegende
Frage würde nichts gewoimen werden, wollte man Zeit und
Mühe an unfruchtbare Etymologisirungsversiiche der Namen setzen.
Im Gegenteil, man ersieht, welche Übergrilfe sich die Kartographen
bei Darstellung dieser Lisel erlauben zu können meinten, weil eine
Koiitrole nicht so leicht möglich war.
Noch erübrigt es aber, über das weitere Schicksal der Antillia-
Legende und die schhesshche Übertragung des Namens auf die Westindische
Liselflur zu handehi. Schon der Name selbst hat mancherlei
Seh-wlerigkeiten bereitet.') Am glaubliclisten wird stets jene Deutunnsein,
wonach sich Antillia oder vielmehr Antillia aus dem Portugiesischen
ante und ilha zusammensetzt, was etymologisch gegen die
Lautgesetze nicht verstösst. LIuniholdt erhob hiergegen Einspruch, weil
dann nach griechischen Bezeichnungen, wie Antiparos oder Anticyra,
mit Antillia nicht das, was dem Festlande, sondern das, was der
Lisel gegenüber Legt, gemeint, und somit die Annahme einer
zweiten Insel nötig sein würde, zu welcher die fragliche Insel in
Beziehung gesetzt, erst als Antillia, d. h. als gegenüberliegende Insel,
Vorder-Lisel, bezeichnet werden köimte. Daher verwirft Humboldt
diese Erklärung und schhesst sich einer anderen, von Buache
geäusserten an, wonach Antillia aus dem arabischen AI-Tin entstanden,
»die Lisel der See-Drachen« bezeichnen wiü-de.") — Es ist
Wir finden den Namen verschieden geschrieben. . \nf den Karten von Bianco,
Pareto, Beccario "Antillia; anf j e n e r des Benincasa, der niallorcanisclien von 1487, liei
Behaiin ^Antilia'.; in den Historie '•Antila"; atif dem La o n -Gl o b n s ^Antela.'.
Buache, Re che r che s , S. 27, Edrisi nennt eine der Oc e an- Ins e ln «Mmtaschin«, Ibn
al Wa r d i •'Tinning d. h. Insel der Schlangen. Ein .Anderer nennt sie "Schaggia«, was dasselbe
bedeutet; Humboldt (krit. Unt.. I, 436) nimmt als Grundform Al-Tinnin an (worin AI
arabischer .Artikel ist), welche nacli und nach zu .Antinna und .Antilla wurde . Sprach-
DER NAMi; »ANTILLIA«. 209
jedoch zu bemerken, dass der Name der Insel, »Antillia«, eine r e l a t i v
j ü n g e r e Bi l d u n g i.st und erst in der letzten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
entstanden zu sein scheint, während die Iif-sel sonst nur einfach
als »die Insel mit d(-n sieben Städten«, bezeichnet Avurde. Mit
IliiiAveis auf unsere obige Erklänuig der Efitstchung der Sage müs.sen
wir annehm("n, dass bei den wiederholten Nachforschungen nach
dieser Insel stets andere Inseln aultauchten, die sich niemals als die
gesuchten erAviesen,') aber den Glaulien doch nicht zu cr.schütteru
vermochten, dass in nicht allzu gro.s,scr Entfernung von tler jedesmal
gefundenen das Siebcn-Städte-Eiland sicher angetrolfen AA'crden müsste,
welches insofern also im Avahren Sitm des AVortes xar »Vorder-
Insel« oder »Antilha« genannt AYerden konnte.
Auffallen muss es, dass diese Fabel-Lisel, welche im Verlauf des
ganzen XA^. Jahrhunderts so unerschütterlich fest in den geographischen
A^orstellungen haftete, sich im XVI. Jahrhumlert so Avenig bemerkbar
macht, Avälirend andere Inseln, die ebenso Avenig Existenz-Berechtig-iing
hatten, nach wie vor verzeichnet Averden, Unmittelbar nach der Entdeckung
xVmerika's linden Avir den Namen Antillia nur noch vier Mal
genannt: auf den Karten des Cantino und Canerio (Atlas, Tafel ATII),
bei Petrus Martyr und Amerigo Vespucci.-) AA'ährend dieser den
Namen für die Insel Hi,spamola gehraucht, übertragen ihn Cantino,
Canerio und Martyr zum ersten 3Ial in der ]Mehrzahl Antilliae auf
Hispamola und die anliegeiulen Li.seln überhaupt. Sonst bedient sich
dieses Namens keiner der grossen Historiographen der Folgezeit mehr,")
wissenschaftlich wä r en derartige Konsonant-A'ertauschungen unzulässig; allein die Thatsache,
dass arabische Namen stets arg entstellt zu we rden pflegten, lässt die Möglichkeit solcher
Lant-f-bergänge zn. — Im Anschhiss an Pseudo-.Aristoteles (de mu n d o , e. 3; vgl. oben
S. 54 f ) hat man die dort ausgesprochene Annahme von der Existenz noch ande r e r Erdinseln
(iti'rtTTOo^rxoi) unmittelbar auf Antillia beziehen wollen, da der Name "Ante-insula"
nur eine wörtliche Ube r s e t zung sei; vgl. hi e rüber Humboldt 1. 43S. — Der Er k l ä r u n g
»A'order-Insel" stimmen übrigens auch Philologen bei; Humbold t citirt selbst eine hierzu
gehörige Stelle ans dem portugiesischen AA'örferbuch von Dlenage und Blut e au; iUias oppositas
ou fronteiras ds yrandes illias da Arnerica.
So glaubten u. a. die Por tugi e s en, naeh En t d e c k u n g von Made i r a , in dieser Insel
.Antillia gebinden zu h a b e n ; Ku n s tma n n : Entdckg. -Amer., S. 76.
Petr. ^Martyr. Dee. I. IIb. 1; In llispaniola Ophiram insulam sese reperisse referi, sed
cosmographicorum tractu diligenter considerato, Aniiliae insulae sunt illae et adiacentes aliae;
Navar. HI , 261: Yenimus ad Antigliae insulam quam paucis nupcr ah annis Christophorus
Golumhus discooperuit. — Hierzu vgl. eine Notiz bei Las Casas, Hist. General de Ind. I, e. 164.
Humboldt meint, dass auch die dem Pt o l ema e u s -Te x t beigefügten Ka r t en von
Amerika die Antillia n i e mehr e rwähnen. Es ist dies unr i cht ig, da gerade die erste
Ptolemaeus-Karte dieser Ar t , in der Ausgabe des Johanne s Rnyseh von 1508, die Insel in
einer Ent f e rnun g von 57 Längengraden von Lissabon verzeichnet, mit der umfangreichen
iv r e t s c I lme r , Entilei'kuug .^menli.t's. -IT
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