
2 ! ) 0 l \ . KAPITEL. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLU.MBUS.
der iiiidereii iralbkiigel, also doch eheiitalls hi der Glitte derselben,
die birnenartige Schwellung sich linden. Die so bestimmte Lage
dieser Anschwellung (gleichwcit vom Kap St. Vinccnt und Kattigara
entlernt) würde dann aber mit der anderen Notiz, wonach jene -^'ielmehr
e?i ßn del Oriente, also am Ostrand der Festlandsküste, hege,
sicli nicht vereinigen lassen. Überdies hat er in falscher Gelehrsamkeit
der Insel .-Vrin und ihrer für die Berechnung der mathematischen Verhältnisse
des Erdkürpers sich eignenden symmetrischen Lage eine
Bedeutung zuerkannt, wie wir sie nicht einmal bei den Arabern
finden.
Aber auch die allgemein physischen Verhältnisse nötigten ihn,
jenen Erdbuckel anzunehmen. In der Breite von llargin (Arguin)
fand er die Bewohner dunkelfarbig und das Land von der Somienhitze
ausgedörrt; in der Gegend der Kap-Verden waren die Leute
Lmgiiwlo autem loci ad medium diem. cuius radices predicte in hoc libro sunt prosite. qui Toletum
dicitur, eM quatuor horarum .spatium et decime unius hora a media muiuli qui dicitur esse in India,
in cii'itate scilicet quae vocatitr Arim, cuius longitudo ab occidente in orientem est nonagesimum
gradum, latitudo vero eius nulla est, eo quod sub equinoxiali linea .sita est. — Der . \ r z t l ' e t r u . s
d e . \ l i<mo (-[- 1316) sagt aller in seinein Coneiliator, dass es nninüglich sei, znr Stadt .\rin
zu ge l angen, weil <lort Berge seien, welche die Kr a f t hä t t en, IMensehen an sich zu ziehen,
wie ^lagnetstein das Eisen (vgl. Sa n t a r em, Essai sur l'hist. de la Cosmographie 1. SU). \'gl.
ferner im Conciliatoi-, DilT. LXA'II , S. 100. — Columbus lernte den Namen .\rin ohne allen
Zweifel aus Pe t rus de .Alliaco k e n n e n , wo er zwei Mal genannt wi r d : Imaiio mundi, cap. 15
nnd Compend. Cosmogr., cap. 19 (der Kardinal hatte die in Fr age kommende .Stelle aus
lioger Baeo entlehnt). Es heisst dor t (Im.ago, c. 15) Meridianum vero latus hidie descendit a
tropica capricorni et secat equinoxialem circulum apud montem Malcum et regiones ei conterminas
et transit per Sgenem, quae nunc Arym vocatur. Nam in libro cursuum planetarum, dicitur,
quod duplex est Sgene, una sub solstitio, alia sub equinoxiali circulo, et hec est ciuitas Argm,
quam ponvnt mathemaäci in media habitationis sid) equinariali; et distal equaliter ab orienie et
occidente, septentrione et meridie. Unde palet falsitas cuiusdam vulgaris opinionis, ponentis llierusalem
in medio terrae, Juxta illud psalmi: «operatus est salutem in media terre-^, quia loquendo
simpliciter non est in medio terrae habitabilis ut ostendunt ea quae dicta sunt: sed est quasi in
medio climatum. Die .Ansetznng eines zweiten Syene , welches gleich j enem .\zin wäre,
w.ar aus dem Bestreben he rvorgegangen, ffir dieses aneh unte r den Ptolemaeischen Positionsangaben
einen Platz zn finden; die Wor t ähni i ehke i t mit dem 'ETTUUC laTrcjioi. des Ptoleni.
aeus an der afrikanischen Os tküs t e forderte hierzu naturgemäss auf , und man sprach seitdem
von zwei .Syene, eines unte r dem We n d e k r e i s , ein anderes unte r dem . \qua tor , von denen
das letztere eine reine Fiktion wa r , da es überdies mitten in den Indischen Ocean verlegt
wurde. — Teils suchte man es also in dem Lanha oder der Insel Ceylon, teils in einem
zweiten Syene , teils in einer Insel in der IMitte der We l t . Santarem machte auf eine
ö l a n u s k r i p t - K a r t e in einem persischen Kodex d e r P.ariser Bibliothek aufme rks am, auf der
die Kuppe l der Er d e dargestellt ist, als eine Insel im We s t en von Indien und im Osten von
Ar.abien (Essai I, 374). Dass man .\rin als den Sitz des Teufels ansah, ha t lediglich darin
seinen Gr u n d , dass La n k a der .\ufenthaitsort böser Geister sein sollte, wo der Böse sich
eine Fe s tung gebaut hätte. Vgl. hi e rüber P e s c h e l , die Ku p p e l von Ar i n, in Abhandlungen
zui' E r d - und \ ' ö l k e r k u n d e , Leipzig 1S77, I, 4 8—5 7 .
QUELLE Di;S ORINOKO IM PARADIES. 2 ! ) 1
noch schwärzer, und die Dunkelheit der Einwohner nahm zu, je mehr
man sich südwärts fortbewegte, so tlass es idii Sierra Leoa (!), wo
sich der Polarstern nur .T Grad über dem Horizont erlndit, tlie allerschwärzesten
Menschen gielit«. Als er aber, we.stwärts fahrond, nach
Anfangs noch anhaltender Hitze jene für die Richtung der Magnetnadel
charakteristi,sclie Linie passirt hatte und die Anschwellung aufwärts
fuhr, da wurde die Temperatur auffallend milder, und bei
Trinidad und Gracia, welche beide ebenfalls, wie die Sierra, Leoa,
unter dem südlichen Breitengrad liegen, war die Luft so mild und
weich, und die Bäume standen im üppigsten Blätterschmuck, wie zur
Zeit des April in den Gärten von Valencia. Auch die Bewohner
waren von zierlichem Körperbau und nicht so dunkelfarbig. »Ich
gewinne .so die l'berzengTnig, da.ss die Erde nicht sphärisch ist vnid
vielmehr jene Abweichung zeigt, von der ich schon sprach.«
Für diese eigenartige Anschauung von der Gestalt des Erdkörpers
konnte er aber auch noch ein anderes Beweismoment aufführen,
welches er aus theologischen Spekulationen gewonnen hatte. Als er
die gewaltigen Süsswassermassen des Orinoko sah, welche durch die
dort herrschende Meeresströmung westwärts in den Golf von Paria
und den Drachenschhmd abgedrängt werden und auf weite Strecken
im Aleer sich noch an ihrer Süsswasser-Beschallenheit zu erkennen
geben, da konnte er nur die ITberzeugnng gewinnen, dass ein so
ausserordentlicher Strom auch einen bedeutsamen Ursprung haben
mfisse. Aus der gewaltigen Kraft, mit der die AVassermassen vorwärts
drängten, schloss er, dass der Fluss bei dem ohnedies abscliüssigen
Terrain, welches ja euien Teil der Erdanschwelhmg selbst
bildete, aus einer sehr betleutenden Höhe herabkommen müsse, und
Alles sprach seiner Ansicht nach dafür, dass sein Ursprungsort nur
das irdische Paradies sein könne, anf dessen, alle Berge der Erde
ülierragende Lage schon die Kirchenväter mit grossem Nachdruck
hingewiesen haben.
»Die Heilige Schrift bezeugt, dass der Herr das Paradies schuf,
und in ihm den Baum des Lebens pflanzte. Und von dort geht eine
Quelle aus, welche auf dieser Erde zu vier LIauptflüssen wird: der
Ganges in Indien, der Tigris und der Euphrat , welche Mesopotamien
bilden und Persien durtdifliessen, und der Nil, welcher in Aethiopien
entspringt und ui das Meer bei Alexandria. lliesst. AVeder finde ich,
noch habe ich jemals etwas hi den Schriften der Latehier oder
Griechen gefunden, was einer irgendwie begründeten Angabe über
die Lage des irdischen Paradie,ses ähnlich sähe; ebensowenig habe
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