
40 I. KAPITEL. DAS "WIXTBILD DER ALTES. NAME DES OCEANS. 41
widerspricht aber Straho's eigenen Worten, da dieser ausdrückhch
sagt, dass ans der postubrten Gleichheit der Fluterscheinimgen kein
Schluss auf den Zusammenhang des Weltmeeres sich ziehen lasse;
worin aber nicht im Geringsten angedeutet liegt, dass Ilipparch
jemals den Zusammenhang bezweifelt oder gar bestritten hätte.')
AVie Krates von Mallos in seiner schematisirendcn Eniteihmg
der Erdoberfläche in die vier Tetartemorien, auf die wir später
zurückkommen werden, die unifahrbare Erdinsel voraussetzt, so finden
wir sie auch üi dem System des Posidonius wieder, welcher die
einzehien Schiirernachrichten von angeblichen Umschifiimgen verschiedener
Küstenstrecken einer kritischen Siehtimg luiterworfen zu
haben scheint. Während er die Erzählung Ilerodot's von der Expedition
Necho's") für nicht genügend bezeugt hält und ebenso die Mitteilung
des Heraklides Ponticus von einem Jlagier, der zu Gelon
gekommen sei mid ihm versichert habe, er hätte Afrika umfahren, mit
gerechtem Zweifel begegnet, weist er dagegen mit grossem Vertrauen
auf den Umsegehmgsversuch des Eudoxus von Kyzikos hin, gegen den
hin Wiederau! Strabo erhebliche Bedenken äussert. Posidonius zieht
jedenfalls aus allen seinen üntersucluuigen, die ims nicht mehr vollständig
erhalten shul, den Schluss, dass die Erde rings vom Ocean
umflossen sei.
Denn es ums c h l i n g e t i h n n i c h t e in B a n d d e s t r o c k e n e n L a n d e s ,
S o n d e r n er s t r ömt i n s Un e n d l i c h e l i in n n t l n i c h t s t r ü b t s e i n e Gewä s s e r . 3 )
So wenig wir auch bei Ilipparch eine entgegengesetzte Anschaumig
entdecken können, so schehien doch damals gerade Lehrnieinungen,
welche der Oikumene den Lisel-Charakter absprachen, viel in Umlauf
gewesen zu sein. Schon die Breite und Umständlichkeit der Beweise,
mit denen Eratosthenes und Strabo ihre Ansicht zu begründen suchen,
deuten darauf hin. dass sie gegen gewisse Geographen gerichtet
waren. Freilich wa r des Fragwürdigen und Hypothetischen nur zu
viel da, so dass selbst die entschiedensten Vertreter dieser Ansicht sich
zuweilen eines leisen Zweifels nicht erwehren konnten. Hält doch
auch Strabo es immerhin noch für notwendig, die gegenteilige Ansicht
zu berücksichtigen. Er selbst tritt voll imd ganz für die Liselgestalt
de r.Virique oii siid de l'etniateur; im Journa l des .Savans 1831. .S. 47G- -480, 545 — 555);
R ü g e (a. a. O. S. 17 — 23) sehreibt die Tr e tninng der IVIeere d em'Se l e n k o s zn.
') Die Dnr chtnhrnng dieser Deutung verdanken wir Hugo ß e r g e r (Die geograjihisehen
Fragmente des I l ippa r ch; Leipzig 1869, S. 80; Wiss. Erdkde . I I I , 1 3 2—1 3 4 ) .
-) .Strabo schreibt das Unt e rnehmen irrtiimlich dem Darius zu.
') St r abo 11. 100. Uber den Verfas.ser des Verses vgl. l i e rge r , Wi s s . Erdkde . I, 13,
Antnkg. 13.
em; imi über die Schwierigkeit hinweg zu kommen, stellt er es aber
schliesshch für g l e i c h g ü l t i g Inn, ob man die Erde zu einer Insel
mache, oder sich peinlich genau an die thatsächlichen Ergebnisse
halte, wonach die Oikumene auf beiden Seiten von Osten mid Westen
her umfahren worden sei bis auf ein kleines Stück im Norden und
Süden derselben. Da der GeogTaph nur die bekannten Teile der Erde
anzugeben suche, das Unbekarmte aber übergehe (!), so sei es ohne
Bedeutung, ob man sie sich vom Jleere oder von unbewohntem Land
umschlossen denke. Seine wenig kritische Haltung in dieser Frage
tritt aber im Schlusssatz hervor, wo er zu Gunsten der Inselgestalt
erklärt: »Es genügt, die äussersten Pvmkte, bis zu denen man die
Erdinsel von beiden Seiten aus umfahren ha t , durch eme gerade
Linie zu verbinden luid i h r so g a n z di e Ge s t a l t de r o h e n
b e s c h r i e b e n e n I n s e l zu geben.«
Wir sind nicht mehr in der Lage, die Vorstadien der gegenteiligen
Auffassung aus den wenigen gelegentlichen Andeutungen
derselben im Einzelnen zu verfolgen. Sie scheint zunächst nur in
einer negirenden Kritik der Inselgestalt bestanden zu haben, zu der
genügend Anlialtspunkte sich boten; ihre letzte Entwickelung liegt
uns in dem Weltbild des Marinus von Tyrus und des Ptolemaeus
vor, auf welches wir unten zurückkommen werden.
Noch erübrigt es, auch der Benennung des die Oikumene einschliessenden
Meeres in Kürze zu gedenken. Es ist dies für die
vorliegende Frage um so bedeutungsvoller, als man durch einen
geeigneten, zusammenfassenden Namen auf die Einheit des Weltmeeres
hat anspielen wollen. Im Gegensatz zu dem allseitig vom
Festland eingeschlossenen Mittelländischen Meer, als dem Inneren,
nannte man das die Westküste Europa's und Afrika's bespülende Meer
das Äu s s e r e ; zuweilen sprach man auch mit Bezugnahme auf die
durch die Gaditanische IMeerenge bestimmte gegenseitige Lage von dem
Meer i n n e r h a l b und dem Meer a u s s e r h a l b d e r S ä u l e n d e s
H e r a k l e s , eine Ausdrucksweise, die wir bis zu Herodot zurüekverfolgen
können.') Zu gleicher Zeit finden wir aber auch die Bezeichnung
»At l a n t i s c h e s Meer« vor, ein Name, der von dem Gebirge
Atl'as auf dasselbe übertragen ist. Dagegen hatte sich der mythische
Begrilf des Flusses Ok e a n o s , welcher sich sehr bald als phy,sische
Unmöglichkeit herausgestellt hatte, auch als Bcnermung des äusseren
') ^ srroc 'Hjft^^.s/wi' a-TvjXwi' SriXrtTT« und rj E^uu TTyi>Mf S. bei Aristoteles
\md He rodot 1. 202.
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