
154 III. K.M>IT£L. DIE KENNT.NIS V03I ATLANT. OCEAN \ 0U COLL'.MBUS.
DIE SÄULEN DES HERAKLES, DAS ENDE DER WELT. 155
als 8()4 Stadien weit ausdehnen solle, aber au einer Stelle eine
24 Stadien breite Unterbrechung zeige.') Es waren dies die verineiutlichen
Trümmer des ehemaligen Eaudzusammenhanges. Kurz, Alles
dcnitcte darauf hin, dass die M(-ereuge eine erst jüngere Bildung sein
könne. So irrig aher auch die Voraussetzungen waren, welche nach
Ansicht der Ahen zur Entstehung derselben lÜhrten, — so sieht doch
auch die mo d e r n e Eo r s c h u n g in de r St r a s s e von Gi b r a l t a r
n i c h t s An d e r e s a l s den Qu e r b r u c h eines e i n s t i g e n Ke t t e n -
gebirges.')
Die Säulen des Herakles galten also als das Ende der AVeit,
über welche hinaus zu dringen es keinem Jlenschen vergönnt sein
sollte. Mag vielleicht auch der schlaue Phöniker die Eabel von der
Unnahbarkeit des Säidenthores aus Ilandelseilersucht iii Umlauf
gesetzt haben, so scheint eine Schwierigkeit für die damalige primitive,
meist nur an den Küsten entlang tastende Schiffahrt beim Passiren
der Meerenge thatsächhch vorgelegen zu haben; denn sowohl an der
Afrikanischen Küste östlich vom Busen von Tanger, wie gegenüber
bei Kap Trafalgar, ziehen sich Riffe und Untiefen entlang.'' Auch
Plinius hebt diese Thatsache hervor und macht besonders' auf den
Gegensatz der winzigen Meerenge zu dem offenen Ocean in horizontaler
wie vertikaler Beziehung aufmerksam. Denn zahlreiche Streifen
von Untiefen mit dem jedem Scliiller so verdächtigen weissgekräuselten
AVellenschaum bringen den Schiffen Gefahr. Man habe
deshalb diese Stelle als »die Schwelle des Iiuieren ÎHeeres« bezeichnet.
ä) Die lange Zeit behauptete und auch in den Oden Pindar's')
mehrtach angedeutete Uiiwegsamkeit jeuer AVasserstrasse gewiimt
hierdurch eüie rationelle Stütze. Ab e r de r my t h i s c h - p o e t i s c h e
') "^'gl. Müllenliotr. Deiitsclie .Altertiimslide. I, 20,3 — 210; Be rge r , Wi s s . Erdkde . II
66 f.; — Avien ora ma r . v. 326 1'.; Scylax. Caryand. 112 (Geygr. min. I. 92).
•-} Ed. . S n e s s , Das Antlitz der Er d e , Pr ag- I . e ipz ig 1885, I, 300. Bei einer Untersncliimg
der Kalkseliolle von Gibraltar und des gegenüberliegenden Ul'ers haben Kamsav
und Geikie auf afrikanische,- Seite bei Genta alte.i Thonschiefer ndt westlicher Neigung
angetrofl'en un d sich von der Übereinstinuuung des Djebel Musa obei-halb Ceiua, d. i . °de r
zweiten S.änle des He r akl e s , mit dem Felsen von Gibraltar in Streichen und Gestein überzeugt,
Wi r haben also an zu n ehmen , dass diese höchst wahrscheinlich jurassische Kalkzone
von Afrika nach Eu r o p a herüberstreicht. A'gl. ebendaselbst S. 376.
Plin. h. nat. p r a e f ad libr. I I I : Tarn modico ore tarn inmensa aequorum vastitas
pamhbir. l\ec profunda ahitudo miraculum mmuit. Fréquentes quippe taeniae candicantis radi
cannas territant. Qua de causa Urnen intemi maris multi cum locum appellavere.
^ ') Besonders Pinda r . Olymp. I I I , 4 4 : ri S' JVr, e",ßc<ror || yirofo..;
Nem. 111,^^21 ff.: ^^^„Igu, || i ß ^ r u , . 'Hjn^As'ot ^rsjàr II 'ipu',
Srsüs hryaTctt || ,xcc3-U3aç «>.utck.
Zauber i h r e r Un n a h b a r k e i t und A' e r s chlos s enhe i t b l i e b a u c h
dann n o c h b e s t e h e n , als die F a h r t e n l än gs de r At l a n t i s c h e n
Küste Eu r o p a ' s und Af r i k a ' s n i c h t s Un g ewö h n l i c h e s me h r
wa r e n , als Kolaeos von Samos auf .seiner unfreiwilligeu Fahrt') als
erster Grieche die Säuleu passirt hatte.
Seihst das 3Iittelalter hatte die Fabel noch nicht ganz über-
VTindcn, wenn sie auch weniger bei den Abendländern") als bei den
Arabci-n anzutreifen ist. AVie die Griechen ehie Ähnlichkeit zwischen
dem phönikischen Melkart und ihrem Herakles erkennen wollten, so
zeigte auch die mythische Berson des Dsulkarnain, des Zweigehörnten,
verwandte Zi'ige mit dem griechischen Halbgott, und bei den Arabern
spielte daher Jener dieselbe Rolle wie Dieser bei den Griechen.
Dsulkarnain durchwanderte die Länder und kam auf seiner Reise an
den Atlantischen Ocean. wo er den Kanal graben liess, der das Mittelineer
mit dem Ocean verbindet; es ge,schah dies zur Zeit Abraham's.
Edrisi, der Geograph von Nubien. welcher uns diese Sage mitteilt,
.'lielit in dem Kanal die Du r c h f a h r t s s t r a s s e zum »Du i i k e lme e r « ,
welches die AA'^estküste Europa's und Afrika's bespült, und welches
mit dem Meer von Sin ös t l i ch der Lä n d e r Gog und Magog in
Zusammenhang s t eht . Es heisst das Dunkelmeer, »weil man i'iber
die jenseits desselben hegenden Gegenden nichts weiss. Denn noch hat
kein Mensch wegen der gefährlichen Schiffahrt, der zahlreichen Sti'irme
mid der Dunkelheit (!) etwas Sicheres in Erfahrung bringen können«.
Die Anfangs behauptete I'nnahbarkeit der Säulen wurde später,
als die Fahrt durch die 3Ieerenge nichts Ungewöhnliches mehr war,
auf den westlichen Ocean im Allgemeinen übertragen, und viele von
den aratiischen Fabeleien finden wir auch in christliehen Legenden
wieder vor. Am längsten haben die Erzählungen von den Statuen
des Herakles Bestand gebäht, und auch hier ist es wieder Edrisi, der
uns mitteilt, dass sechs Bildsäulen an den Gestaden des Meeres aufgestellt
wären, um die Schiffer durch ihre drohenden Geberden vor
weiterem A^ordringeii zu warnen.') Da bereits Eustathius von einer
') Vgl. oben S. 12.
-) II poetischer Fa s sung e rwähnt sie Dante. Inferno XKXIA". 42. — .Auf der Ka r t e
des .Andi'eas AValsperger heisst es: hic sunt colupne herculis propter perictda fugiendae.
Die östlichste der Bildsäulen sollte in .Andalusien in der Nähe von Gades stehen;
die übrigen anf den Inseln im Ocean. — .Ähnlich finden wir es bei J a k ü t , der auf den
sechs Kanarischen Inseln je eine Bildsäule von riesenhafter Höhe n e n n t , welche den Schifi'eru
teils als Leucht turm, teils als AA'arnungszeichen dienen sollen, — Ebenso Ihn al AA'ardi,
nach dessen .Vngabe eine dieser Statuen von Saad .Abukarb. dem Himj a r i t en, der mit Dsulkarnain
identisch ist, errichtet worden \väre. A'gl. hierüber Humb o l d t . Krit. Unters. I. 451 11'.
p-
. ï l l i t l I - L l M . :