
244 IV. KAPITEL. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUMBUS. NORMANNENFAIIRTEN. 245
Poi'tiigiesisclie Ilistorikci' suclitcii liiiigcgcii den Nachweis zu
liilireii, da.ss vichiiehr ihrer Nation der Riilim der Eiitdeckuii«' zukomme,
da bereits im Jahr 14(S4 ein gewisser J o ä o Vaz Corte-
Keal, in Gemeinscliaft mit Al\ aro Martins Ihmiein. vom ].andc der
liacalhios (Stocküsclie), weh'hes sie auf Befeld des Königs von Portugal
zu entdecken ausgezogen waren, zurückkehrten. Diese Nachricht ist
ims aber nur durch die I l i s t o r i a I n s n l a n a des Cordeyro bezeugt, der
sie seinerseits aus Gaspar Fructuoso entlehnt hat.') Aber das auffallende
Stillschweigen aller zeitgenössischen Quellen hat die Glaubwürdigkeit
sehr in Frage gestellt, und um.somehr, als auch Martin
Behaim, ein naher Yerwandter jenes Corte-Pcal, seiner Entdeckimg
auf seinem Globus in keiner AVeise Erwähnung thut.")
Auch die Reise des Polen J o h a n n S z k o l n y ist erst jüngerer Entstehung.
Im Jahr 147(i hätte dieser, im Auftrage König Christian's II.
von Dänemark, ehie Reise nach Grönland gemacht, wäre aber sogar
bis zur Küsti; A-OII Ealn-ador vorgedrmigen. Gomarra erwähnt die
Geschichte nur beiläulig, und nach ihm haben Andere sie weiter
ausgeführt.")
Ganz abgesehen von der Frage, inwieweit alle Erzähhmgen
dieser Art An.spruch auf historische Treue machen können, ist es für
luis von Wichtigkeit, zu wissen, ob Cohunbus sich durch diese eine
Vorstellung über die Lagen-Verhältnisse der beiderseitigen Festlandsküsten
gebildet und daraufhin die IMöglichkeit einer AVestfahrt er-
Deimmg W.igenseil's .iIs gl,aul>nürdig an; so besonders S l ü v e n (I)issertatio de vero Novi
Orbis inventore, Francof. 1714); D o p i i e l m a y r (Iiistorisehe Nachrieliten von Nürnbe rge r
Mathematikern 1730) nnd C e l l a r i n s (Ilistoria universalis I I . 203). Die gegenteilige Ansicht
vertraten unt er den älteren Gelehrten: E. T o z e n (Christojili Colon, der ivahre und erste
Entdecker der Neuen « ' e l t , gegen die ungegründeten Ansprnclie, welche Amerious A'espucci
nnd Martin liehaiui .anf diese Ehr e ma chen, vertheidigt, Güttingen 1761) und v. M u r r
(Diplomatische Geschichte des Portugies, berühmten Ritters Martin Behaim 1801).
') Vgl. C o r d e y r o , Ilistoria Insul ana, Lisboa 1717, S. 250: Que vinho ela terra ela
Bacalhao que por mandado del re>j de Portugal tinliam tdo dejcubrir. — F r u c t u o s o , Saudadas
da Te r r a , 1590: E vindo Joäo l a : Corte-Real do descobrimento da Terra Sora dos ISacalhaus
que por mandado de elrei, foi fazer, llie foi daila a capitania d'Aiujra da ilha Terceira.
') Behaim hatte eine Schwester des Jobst von I lür t e r zur F r a u , imd dieser letztere
war mit einer Tocht e r des Var. Cor t e -Re al verheiratet. Behaim e rwähnt zwar den Stockfischfang
auf Island, weiss jedoch nichts von einem Lande der Baeallaos. — Eine kritische
Untersuchimg des gesamten Materials vgl. bei I l a r r i s s e , Les Cor t e -Re a l , .S, 23 34.
") De r Name Szkolno erscheint in verschiedenen Formen als: Skolnus, Kolno, Skohe,
Skolvus und Sciolvus. Kolno ist ein Marktllecken in Masovien; zKolna heisst ein Bewohneivon
Kolno. A'gl. Rüge , Zeitalter, S, 222. — Bei Goma r a , Ilistoria de las Indias, c, 37,
f. 31; bei He r r e r a , llist. general I, 6, 16; die Erzählung tindet sich ferner bei Wyttliet
(Descrijitio Ptol. augmentum 1597, S. 188); Pontamis (De situ Daniae 1631) und Hor n
(Ulyssea 1671, S. 279).
wogen habe. Die Historie lassen durchscheinen, dass solche Berichte
Cohunbus zu Ohren gekommen shid; aber gerade tlie Berichte, welche
die Ili.storie hringen, heziehen sich meist nur tuif Insebi, die nicht
allzuweit von den Azoren oder iMatleira hegen sollten, luid anch der
anonyme Verfasser jener Biographie führt sie mit lebhaftem Bedenken
a u f )
Als A'orlänfer des Columbus können wir auf Grund historisch
gesicherten Quellenniaterials einzig und allein die No rma n n e n
hezeichiien. AVir haben sie als kiUme Abenteurer auf ihrer Fahrt
um das Nordkap bereits kennen gelernt (S. 82); wir linden sie ebenso
im äussersten Nordwesten vor. Die Inselbrücke, welche von NorAvegen
aus über die Shetland-Li.seln. Faröer uud Island nach Grönland
hinüberführt, erleichterte uatnrgemä.ss die Eberfahrt dorthin uud lässt
diese im Vergleich mit jener des Cohunbus, der den Atlantischen
Ocean thatsächhch an der Stelle .seiner grössten Breitenausdehnung
bezwumgen hat, minder gefährlich und kühn erscheinen.
Es ist schon lierAorgehohen worden, dass Island und die Faröer
bereits im Vlll. Jahrhundert der Aufenthaltsort irischer Anachoreten
waren.") Um dieselbe Zeit aber lindt!n Avir auch (be Normannen auf
ihren Raiibfahrt.en begriffen, uud zunächst Avaren es die Faröer und
Shetland-Inseln. die von ihnen heimgesucht wurden, ,so dass die
irischen Einsiedler tlort nicht länger eine bleibende Stätte haben
konnten.") Um das Jahr 867 ward der AVikinger Na d d -Od d auf
A'on A'icenzo Dias von Tavira sagt er: er sah oder er b i l d e t e s i c h e i n eine
Insel zu sehen (vide ö s'imaginö di vedere).
2) Der irische Dlönch Dicuil berichtet im J a h r 825, dass irische Priester vor dreissig
Jahren, also im J a h r 795, ihm erzählt hätten, dass sie sieh vom I . F e b r u a r bis I .Au g u s t
auf der Insel Thül e aufgehalten hätten, welche nach der weitereu Beschreibung Dicuil's nur
Island gewesen sein kann. Vgl, Dicuil, edit. Le t ronne , S. 38. Auch das L a u d n a m a b o k
(Prolog) e rwähnt , dass die ersten norwegischen Ansiedler auf Island an einigen Stellen auf
der OsLseite des Landes irische Büche r , Schellen, Krnmmstäbe und andere Gegenstände
gefunden hätten, Are Frode (Islendigabok, cap, I) sagt sogar, dass diese Männer auf Island
wohnen geblieben wä r en, bis das Land von den Normannen bevölkert wu r d e , und dass sie
es verlassen hätten, um nicht mit Heiden zusammen zu wohnen, — Neben dem AVerk von
K. M a u r e r , Island von seiner ersten Entde ckung bis zum Untergang des Freistaates,
800 —1 2 6 2 (München 1874), vgl, besonders P. A. M ü n c h , das heroische Zeitidter der
nordisch - germanischen A'ölker und die AA'ikinger - Züge (Det nor ske Folks Historie, 3. und
4. Te d ) , Lübeck 1854, S. 189, 227. — Dicuil berichtet (a. a. 0. 39) ferner von zwei Inselgruppen
im nördlichen britannischen jMeer, welche die Iren vor den räuberischen Normanneu
räumen mussten und welche seitdem von unzähligen Schafen und Seevügeln bewohnt tvürden.
Es sind die Shetland-Inseln und Fa röe r ( = Schaf - Inseln) gemeint.
.Auch die irischen Annalisten berichten hiervon. In den Annalen von Ulster heisst
es zum J a h r 793, dass die Heiden alle Inseln Brit.anniens verwüsteten.