
1 1 2 II. K.\PITEL. D.\S WKLTBILD DES MI TTEL.iLTERS. WELTK.\IiTE DES l'ETIiVS VESCONTE. I I H
also, so dass beide Erdteile ineinander übergehen. Hierdurch wird
nun auch der Nil in Mitleidenschaft gezogen, der wegen seiner dem
Araliischen linsen im Allgemeinen parallelen Richtung von diesem
nicht grit getrennt werden konnte, und daher ebenfalls in seinem
Oberlaufe eine west-östliche Richtung innehält, um erst im ITnterlauf
iiacli Norden umzubiegen und so wenigstens teilweise als Teiluugsscharte
zu gelten. Dem Afrikanischen Kontinent, welcher nach dem
(irundschema den südwestlichen Quadranten umfassen sollte, haben
einzelne Kartographen auch nicht einmal diesen Raum in aller Vollständigkeit
gegönnt. Die geringfügigen Kenntnisse, welclie man von
-Vfrika. und zwar mehr oder weniger nur A"on den nördlichen Küstenlandschaften.
besass, erforderten bei der graphischen Wiedergabe gegenüber
den beiden anderen Kontinenten auch keinen allzu grossen
Platz, und so kam es denn, dass dieser Erdteil auf einigen Karten,
wie •/.. Ii. auf der Weltkarte des Guido (vgl. Atlas, Tafel III, No. 7),
sogar auf ein Achtel des ganzen Erdkreises beschränkt wurde. —
Die willkürliche Ehizeichnung der Kanarischen Inseln in einer fortlaufenden
Redie, der Rundung der Karte entlang, und nicht nünder
die ebenso symmetrische Darstellung der Inseln des Mittelmeeres, wie
Avir es besonders auf der Turiner und der Ilerelbrder Karte beoliachten
können, zeigen nur. wie es dem Zeichner weniger auf eine den wahren
VerliäUnissen entsprechende Anordimng der Örtlichkeiten, als vielmehr
auf eine möglichst vollständige Wiedergabe des gesamten Thatsachen-
Materials ankam, soweit es der Raum zuliess. Welche libergriile
man sich vielfach in dieser Beziehung erlaubte, sehen wir auf
Hichard's Karte, wo die Britischen Inseln, atif engem Raum zusammengedrängt,
dem äusseren Kreisrand angepasst sind, ihrerseits aber das
Europäische Festland beeinträchtigen, indem dieses zu Gmisteu jener
Inseln eine kreisförmige Ausbuchtung aufweist. — Ganz unzureichend,
zum grössten Teil phantastisch, sind die Verhältnisse im hohen Norden
von Asien und Europa, wo das Quellgebiet des Tanais als der nördlichste
bekannte Ort erscheint, im Übrigen aber alle die fabelhaften
Völker der Alten, wie Hyperboreer, Arimaspen, Kynocephalen, die
eine bestimmte Lokalisirung nicht zuliessen, unter dem Kollektivliegrilf
»Skythen« verzeichnet .sind.')
') .-\llein die Herelui-der K.Trte zeigt, ihrem iiürdliclien IIerknnt't.sort eiitsprecliend.
eine iiessere Jvenntnis von Ge rmani en, die wenigsten.s his znr Weichsel reicht.
"2. Die Weltkarte des XIV. und XV. Jahrluuiderts.
^m XIV. •lahrhundert ist eine entschiedene Wendung zu
' bemerken. Die mit Hülfe des Kompasses festgelegte Küsten-
• Konfigm-ation des 31ittelmeer-Beckens und ehies Tedes der
'Atlantischen Küste blieb auf die ^lethode der Kartenkritik
nicht ohne Einfluss,') wenn auch der Grundtypus des Kartenbildes
mit seiner Kreisibrm und Jerusalem als Mittelpunkt noch fernerhin
bestellen blieb. — So treflen wir es auf dem Weltbilde desjenigen
Kartf)graphen an. von dem ims die älteste mit Sicherheit datirte
Komi)ass-Karte erhalten ist,') des Genuesen P e t r u s Vesconte")
(vgl. Atlas. Tafel III, No. 10). Die auffallend richtige Ge.staltung der
^Mittelmeer-Länder und der Europäischen AVestküste bis Nord-Frankreich
hin .steht im grellen Gegensatz zu den übrigen mehr oder weniger
docli nur skizzenhaft gehaltenen Partien der Karte, wozu ein exaktes
Beobachtungs-^latcrial natürlich fehlte. Die am Nordrand der Erde entlang
ziehenden Rhipäischen Berge, die östliche Lage Indiens, als das
Land des Erzpriesters Johamies. ferner die Völker der Apokalypse Gog
und Magog u. a. m.. lassen die Benutzung der älteren Karten erkennen;
aber er nimmt auch schon auf die Ergebnisse der grossen Missionsreisen
in Asien Bezug, denn wir linden dort das Reich Cathay, die Hauptstadt
Sera, und das Lager des Gross-Khans verzeichnet, so wenig er allerÜber
Ent s tel lung. Anlage und Bedeutung der sogenannten Ivompass- oder loxodromischen
Karten vgl. neben W u t t k e , zur Gesch. d. Er d k d e . in der letzten Hälfte des Mittelaltei
s. Dresden 1870, vorzüglich das grundlegende We r k von Theoli. F i s c h e r : Sammlung
mittelalterlicher We l t - und Seekarten italienischen Ur s p r u n g s , Venedig 1886, S. 81 —1 0 7 .
-) Diese .älteste loxodrondsehe Ka r t e ist vom ,Iahr 1311 (Archiv in Flor enz ) ; doch
scheinen die sogenannte Tl s a u is c h e Kar t e in Paris ( f rühe r im Besitz einer Pisanischen
Familie) tmd der gegenwärtig He r r n Ta uwr Lu x o ro in Genua gehörige .See-Atlas, die beide
imdatirt sind, ein noch höheres .\lter zu be anspruchen.
ä) Die dem liher secretomm fideVmm a-ucis des Marino Sanudo beigegebenen Ka r t e n
wurden meist für Arbeiten Sanudo' s gehalten. Ein von mir im Vatikan entdeckter .\tlas
derselben Karten lieferte den Beweis, dass vielmehr der meist in ^•enedig und zu gleicher
Zeit wie Sanudo lebende Genuese Petr. Vesconte. der sich in einer Legende genannt hat.
als Zeichner der Karten zu betrachten ist; vgl. >1. Sanudo der .Ältere und die Ka r t en des
P. \ ' e s cont e , in Zeitscbr. d. Ges. f. Er d k d e . , Berlin 1891. X X \ ' L — Ausser dieser Publikation
der Karte nach dem Codex Pa l a t inos , finden sich solche noch bei Sant a r em, Le l ewe l . Peschel
(Gesch. d. Er d k d e . . S. 210) nach dem Pariser Ko d e x ; bei Bongars (Gesta dei pe r Fi'ancos,
t. II) und Xordenskjöld (Fa c s imi l e - - \ t l a s , S. 51) nach dem Reginensis.
K r v t s c l i m t r . Ent.ieckunc .-Vmerika's. 15
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