
mehrfach vor; aber der Kern seines Systems, vor Allem die mathematische
Unterlage, hatte niemals Eingang gefunden. Die Unkeimtnis
der grieohisclien Sprache erschwerte überdies ein eingehenderes Studium,
und so fand die Geographie des Ptolemaeus erst verhältnismässig spät,
in den letzten Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts, allgemeine A^erhreitung.
Freilich waren manche Lücken in seinem System dem vorgeschrittenen
Stand der Kenntnis entsprechend auszufüllen, und sein
Weltbild -wurde einer vollständigeu Umarbeitung unterzogen.
Machten schon die mit Marco Polo beginnenden Forschungs-
Ergcbnisse in Asien eüie Umarbeitmig notwendig, mid wurde diese
um so bereitwilliger voi'genommen, als schon Ptolemaeus von dem
Vorhandensein einer jenseits des 180. Längengrades befindlichen Terra
üicognita gesprochen hatte, so führte die E n t d e c k u n g Ame r i k a ' s
zu einem vollständigen Umsch\vimg in der kosmographischen Auffassung.
Charakteristisch ist jedenfalls, dass die Umgestaltmig des
Weltbildes sich nicht an der mittelalterlichen Kreiskarte vollzog,
sondern an der Weltkarte des modiüzirten Ptolemaeus.
Freilich vermochte man anfangs über die kosmographische Stellung
der neuentdeckten Gebietsteile noch zu keinem abschliessenden Urteil
zu kommen. Glaubten die ersten Entdecker, unter ihnen vornehmlich
Christoph Columbi is und Ame r i g o Ve spuc c i , thatsächlich dieselbe
Ostküste Asiens erreicht zu haben, wie sie die damaligeji Karteix
zeigten, so erkaimte man bei dem raschen Fortgang der Entdeckungen
mehr mid mehr, diiss eine direkte Gleichstellung der auf dem Westweg
erreichten Küsten mit den bis dahin bekannt gewordenen Teüen
der Ostküste Asiens sich in keiner Weise aufreclit erhalten lasse. Hier
gingen nun die Ansichten der Kosinographen aus einander, indem die
einen von ilincn die nahe Zugehörigkeit des Mundus Novus zu Asien
beizubehalten versuchten und einen kontinentalen Zusammenhang
zwischen beiden Teilen voraussetzten, die anderen aber für die kontinentale
Selbständigkeit des Mundus Novus eintraten. Die letztere
Ansicht blieb seit dem Anfang des XA'^II. Jahrhimderts die herrschende.
Eine unendliche Fülle von Erfahrungen war mit der Entdeekiuig
des neuen Weltteiles den europäischen Kulturvölkern zugeflossen. Die
Ersehliessimg der Kehrseite des Erdballes, die Kcinitnisnalune von
neuen Länderräumen mit einer durcliaus anders gearteten, üppig gestalteten
Natur, haben gewaltig auf die Einbildungskraft der Menschen
gewirkt und den nachhaltigsten Einfluss auf das. geistige Leben der
A'ölker zur Eolge gehabt. Die nautischen Unternehmungen der Spanier,
Portugiesen und Engländer, lunnittelbar nach Colnmbus' mid Vasco
de Gama's Fahrten, geben zu erkennen, wie es mu' eines erstmaligen
erfolgreichen Anstosses bedurfte, um Fähigkeiten, üljer welche die
seefahrenden Völker Europa's schon seit lange verfügten, im vollen
Umfang zur Geltung kommen zu lassen; sie geben ferner zu erkennen,
wie tief liegründet die Keignng war, über die enggezogenen Schranken
der nnttelalterlichen Welt Iiinaus in weite, unbegrenzte Fernen zu
schweifen. Hatten sich die Vor.stellungen von dem Weltbild in der
vorherliegenden Zeit über zwei Jahrtausende hinduroh niu- langsam
fortentwickelt, so war nuiunehr, im Verlauf von wenigen Jahrzehnten,
ein umfangreiches Thatsachen-Material gewonnen, welches die allgemeine
Weltanschauung von Grund aus umzugestalten geeignet war.
Dürfen wir auch nicht verkennen, dass der geistige Aufschwung an
der Wende des XV. zum XVL Jahrhundert das grosse Gesamt-
Ergebnis einer langen Reihe noch anderer kulturhistorisch hochliedeutsamer
Ereignisse war, so hat doch gerade die plötzliche Ausdelunnig
des geographischen Gesichtsfeldes, welches damals die ganze Erdkugel
umspannte, mit am wirksamsten zur Erweiterung der Ideenwelt beigetragen.
Keine Periode der Weltgeschichte hat ausserordentlichere
Verändenuigen im Kulturleben der Völker Europa's hervorgerufen, als
das Zeitalter der grössten Entdeckimgen im Raum, das Zeitalter des
Christoph Cohunbus, des Ferdinand Magalhäes und ihrer Epigonen.
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