
B I O V. KAPITEL. DER SIUN'DUS NÜVUS. ENTDECKUNG DER SUD-.SEE.
St. Ma t l i i a s gekoinmen zu sein; liierlup spriclit einmal dio geograpliLsclie
Breite von 40 Grad, und sodann die ganze Situation, da
der jenen Golf im Korden aljschliessende und weit vorspringende
Landzipfel sehr leicht den Eindnick einer Südspitze der Festlandsküste
hervorrufen konnte.') In seinen ührigeii Behauptungen idier die von
Brésil kaum GOO Meilen (= c. 888 km) entfernte Lage von »Malaqua«
gieht er natürlich nur die herrschenden An.sichten seiner Zeit wieder.
»Prcsil«, sagt er, »geht unmittelbar in Malaqua über«, und diese
Voraussetzung bestätigt unsere oben geäusserte Ansicht, dass für den
gesuchten, beziehungsweise vermeintlich schon gefundenen Abschluss
des Ahviis Mundus im Süden jene gewaltige Halbinsel als Vorliild
gedient ha t , welche auf den älteren Ptolema eus-Karten typisch
geworden ist. Denn von dieser Halbinsel sei es nicht mehr allzuweit
bis nach Mahupia (Hhiter-Indien). wie man ans den Karten ersah, da
lieide Halbinseln sich vom grossen Kontinentalrumpf Asiens abzweigen
und den Sinus Magnus zwischen sich einschliessen. Auf der östlichen
Halbinsel liegt das Ptolemaeische KaUigara, ein Name, welchen
Vespucci in jenem Brief an Lorenzo di Pierfrancesco auch auf das
südlichste Vorgeliirge derselben anwendete.
Soweit hatte man also mit Hidfe der Büchergelehrsainkeit die
neuen Entdeckungen in ein Sj'stem zu bringen versucht, indem man
sie nämlich einlach dem ptolemaeisch-mittelalterhchen Weltbild anpasste.
Da traf aher im J ahr 1513 ehie Nachricht ein, welche die
raria del re de Portugal in una carta fata per quello eseellentissimo huomo Martina de Hoernia,
Mitn folgerte hi e r aus , dass, -wenn Behaim eine ^Meerenge auf seiner Ka r t e zeichnen konnte,
er sich doch auch auf eine sichere Nachricht von dem Vorhandensein einer solchen gestützt
hat , j a , sie vermutlieh sogar selbst entdeckt Intben mag. W i l h e l m P o s t e l l u s (in seinem
Compendinm geogr. disciplinae, l öGl , c. II) nennt diese Strasse daher ohne Bedenken anch
Fretum Martini Bohenii, und W a g e n s e i l sprielit gleiclifalls dem Behaim die Priorität der
Entdeckung zu. ^'gl. oben S. 243, .'Vnm. 2, die angeführte Stelle. Die Hypothe s en bedürfen
k a um der Wide r l egung. • Dass Behaim die Strasse auf einer Ka r t e verzeiehnet hat,
darf nieht bezweifelt we r d e n ; man nniss aber be a cht en, dass die damaligen Ka r togr aphe n
nicht n u r die thatsäcblicli ausgefüln-ten En t d e c k u n g e n , sondern vielfach anch ihre eigenen
Kombinationen übe r die vcrnnitliehe Län d e r g r u p p i r u n g mit darzustellen pilegten. Auch
scheint IMagelhäes meines Er a cht ens bei Hinweis auf die Behaim'sche Kar t e sich nur auf
das fachmässige Urteil eines ane rkannt en Kosmogr aphen berufen zu h a b e n , als er seinen
Plan der Si)anisclien Regierung nnterbi-eitete; denn auf der Entde ckungs f ahr t tastete Magalhäes
unsicher an der Küste entlang. Zue r s t hielt er den La Plata für die Me e r enge , und
dann e rkl ä r t e er, d.iss er bis zum 75. Breitengrad vordringen wü r d e , wenn sich die Sti'asse
nicht vorhe r zeigte. .'Vuf die Ka r t e Behaim's konnt e er sich natüi-lich nieht s tüt z en, da
diese die Me e r enge mn- als eine Hypothe s e brachte. \'gl. Humboldt 1, 248 ff. und besonders
Ghillany, Behaim S. 62 — 65.
') Vgl. Wi e s e r a. a. 0. S. 45.
Vorstellungen von der Kontinental-Gestaltmig auf eine veränderte
Grimdlage zu stellen geeignet war.
Wir haben schon oben (S. 279) erwähnt, dass Columbus auf
seiner vierten Reise (1504) von tien Indianern von Veragua zum ersten
IMal von dem Vorluindensein eines Oceans hörte, welcher nicht allzu
fern jenseits der von ihm entdeckten Festlandsküste sich finden solle,
und dort die Küsten der Landschaft Ciguara bespi'de. Er ist sich auch
fdier die eigenartigen Lagein-erhältnisse der beiderseitigen Küsten
vollkommen klar, wenn er sie mit den ähnlichen Verhältnissen der
Spanischen und Italienisclien Halbinsel vergleicht, da nach seiner
Angabe die Lage von Veragua zu Cigriara durchaus derjenigen von
Fucntarabia zu Tortosa, oder jener von Pisa zu A''enedig entsprechen
solle. Einige der älteren Karten, wie diejenige üi den Ptolemaeus-
Ausgtiben des Johannes Rnysch (1508) und Stobnie.za (1512) scheuien
hierauf schon Bezug zu nehmen; eine allgemeine Verbreitung aber
scheint des Columbus' Mitteihmg noch nicht gefunden zu haben, wie
wir es soeben nach dem Brief des A'espucci und der »Zej'tung» entwckelt
haben.
Erst Va s c o Nu n e z de Ba i b o a glückte es Ende September 1513,
die westliche Küste des Isthmus von Panama zu erreiclien und auf
eine kurze Strecke zu erkunden. Schon vorher hatte er, ebenso wie
Columbus, aus dem Munde der Eingeborenen von der olra mar gehört,
und als er der gewaltigen Wogen ansichtig w r d e und den beträchtlichen
Ausschlag von Ebbe und Flut beobachtete, da erkannte er,
dass er in der That einen weiten Ocean vor sich hatte. Im März 1514
brachte eines seiner Schiffe die Nachricht von demselben nach Europa.')
Die eigenartigen Verhältnisse der Küstengestaltung des im Allgenieuien
west-östlicli streichenden Isthmus von Central-Amerika,
welchen Baiboa von Norden nach Süden durchzog, brachten es mit
sich, dass er dem neuentdeckten Ocean tlen noch bis auf den heutigen
Tag bewahrt gebliebenen Namen der »Süd-Se e« (Mar del Sur) beilegte.
Diese wenig zutrelfende und nur durch die lokalen Verhältnisse
') Vgl. Oviedo I I I , 4 11'.; Las C.asas I I I , S. 312 —3'28; IV, GG —1 3 4 . Pe t rus J l a r t y r
lässt die Nachricht von dem \"orhandensein eines Oceans dem Baiboa durch den Sohn des
Comogre-lläuptlings üijermitteln (Dee. 11, ea]). 3, S. 130): Hos montes (indice digito montes
australes monstrahat) traiciendo. mare aliud e promontoriis despectare licehit, quad nauigiis
velijicatur nihilo vestris minorihus. Die Or igina l -Na chr i cht Balboa's ist uns nieht e rha l t en;
Martyr seheint sie besessen und darnach eine Schulrede ä la I.ivius dem .Sohne des Caziken
in den i l u n d gelegt zu haben. \ ' o n der Besitzergi-eifung des Oceans f ü r die Spanische
Krone durch B;dboa berichtet [Martyr in einem Brief (Op. Epist. No. 5 4 0 , S. 20G) an
Luis Hur t ado de SIendoza (23. Juli 1514).