
2 6 2 IV. KAI'ITEL. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUMBUS. BREITE DES OCEANS NACH BACO. 263
sclieiiken als dem Ptolemaeus und Alljategni, zumal nach Letzterem
sogar mir '/,., der Erde bewohnbar sein sollte, was er Jedoch nicht
bewiesen habe.')
Wir haben die angezogenen Kdassikerstellen bereits bei der Darstelhmg
des Weltbddes der Alten auf breitester Grandlage einer Analyse
imterworfen, so dass wir uns hier darauf beschränken, den Ehrfluss
hervorzulreben, welchen sie auf Columbus selbst ausgeübt haben. Li
jenem Brief, welchen er auf seiner dritten Reise von der Lisel LLiïti
aus im J ahr 1498 an die Spanischen Majestäten schrieb, stützt er sich
auf die genannte Stelle des Petrus de Alliaco und weist mit um so
gTÖsserem Nachdruck auf sie hin, als die vorausgesetzte Kleinheit des
Weltmeeres dur-ch seine Beobachtungen bestätigt worden sei.=) Er
beruft sich auch auf den Maestro de la Historia escoldstica sobre el
Genesis, unter welchem wir, was ILimboldt nicht bemerkt ha t , nur
Petrus Comestor, den Historienmeister (magister historiarum), zu verstehen
haben. Dieser hatte nämhch den Vers im Emgangskapitel der Genesis,
wo von der Bddung der Meere die Rede ist, dahin gedeutet, dass das
Wasser, welches die Erde bedeckte, und an »besondere Örter« (die
Meeresbecken) sich veiiairfen soUte, damit das Land zum Vorschein
käme, nicht in Gestalt einer tropfbaren Flüssii^'keit, soudorn vielnielir
als Wasserdampf-Wolke die Erde umhüllte. Erst auf das Machtwort
Gottes hin hätte sich dann die Nebelwolke zu Wasser verdichtet und
als Regen niedergeschlagen, der sieh in den Vertiefungen ansammelte
und die Meere bildete.") Die Eolgermig, die hingegen Columbus
hieraus zieht, hatte Comestor nicht beabsichtigt; der Admiral sclüiesst
nämlich weiter, dass das Wasser demnach nm- emen kleinen Ted der
Erde noch eimiehmen könnte, und als Bestätigimg dessen dient ihm
der den Idassischen Schriftstellern entnommene Citatenschatz aus
Petrus de Alliaco.
Es thut dieser Kosmograph auch noch einer anderen Lehre Erwähnung,
welche er gleichfaUs dem We rk des Roger Baco entnommen
hat. Nach einer auf die Aristotelische Elementenlelrre sich gründenden
') Imago mu n d i , cap. 8; vgl. Bacon, op. maius, S. 183.
Navarrete I, 260 f.
') Ge n e s i s ! , 9. Die eigenartige Erklürung dieses Bibelverses r ü h r t nicht zuerst von
Petrus Comestor und Nicolaus de Lira he r . Sie findet sich schon bei B e d a , in hbr . Genesis,
ed. Giles Vl I , 12, und bei P e t e r d e m L o m b a r d e n , Sententiae lib. I I , distinctio 14, edit.
Migne 192, 681. A'gl. hi e rüber des Verfassers Physische Er d k u n d e im Mittelalter, S. 119.
Über Pe t r u s Comestor vgl. Zö c k l e r , Geschichte d e r Beziehungen zwischen Theologie und
N a t u r w i s s e n s c h a f t !, 415.
Annahme lliesst das Wasser xon Pol zu Pol und füllt den nicht sehr
grossen R.aiiin aus, welcher sich zwischen Lidien und Spanien befindet.
Der Anfang Indiens reicht jedenfalls weit über die Hälfte des
Äcpiators hinaus, so dass er sich dem Ende Spaniens wieder nähert.
Um das Verhältnis anschaulich zu machen, hat Baco
eine Zeichnung beigefügt. Zwei kreisförmige Abschnitte
stellen die in der Ebene ausgebreiteten Kugelkalotten
der beiden um den Nord- imd Südpol befindlichen
Meeresteile dar, welche diu'ch einen Meeresarm. nämlich
jenen Ocean zAvischen Lidien und Spanien, in
Verbnidung stehen. Dies ist also nach seiner jMeiiiung
die ganze überhaupt vorhandene Wassermenge der
Erde (Avobei er die Neben- und Bimien-lMeere als
zu unbedeutend nicht in Rechnung zieht), und diese
kann unmöglich Dreiviertel der Oberfläche betragen.
Baco aber ist ehrlich genug, einzuge.stehen, dass eine
zahlenmässige Angabe über die Ausdehnung des Festlandes
sich noch lüclit geben lasse.')
Soweit konnte sich Cohunbus auf das Urteil erfiihrener
Fachleute stützen; aber die nur näherangs-
'cise gegebenen Verhältniszahlen genügten ihm nicht.
Er musste sich zum BeAveis für die Ausführbarkeit seines Planes an
sicher ermittelte Thatsacheii halten, Avenn er freilich auch — unkritisch
genug — alles Dasjenige nur heranzog, welches seine vorgefasste
Tileinung über die geringe Ausdehmuig des SeeAveges zu bestätigen
geeignet Avar. So suchte er einerseits den Erdumfang auf das denkbar
kleinste Maass herabzudrücken. Avobei ihm noch ein Irrtum
mit unterlief, anderseits gab er dem Festland eine solche Ausdehnung,
A.de sie A'on den Alten nur einmal vorübergehend angenommen
AAiirde.
Petrus de Alliaco, cap. 15; Baco, op. maius, S. 184; ausser j e n e r Stelle, wie sie
fast wörtlich bei de Alliaco v o r k ommt , heisst es bei Baco noch; Jam patet quod multam de
quarta illa sah nostra erit hahitatione, propter hoc quod principium orientis et occidentis sunt prope,
qnia mare paruum ea separat ex altera parte terrae. Et ideo habiiatirj inter orientem et occidentem
non ei'it medietas aequinoctialis circuli, nec medietas rotunditatis terrae, nec XII horae, ut aestimant,
sed longa plus medietate rotunditatis terrae .. . Quantum autem hoc sit non est temporibus nostris
mensuratum.
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