
u I. KAr iTEL. DAS WELTBILD DER ALTEN.
E>-TDECKl.Nr.EN BIS Zl'M SECHSTEN JAUKHCNDKUT A". CUR. 1 ' )
wir berücksichtig™, dass die Bevölkerung der Handelsstadt Milet
ehien starken pliönikischen Bestandteil aufwies.') AVelche Kritik die
ionischen Geographen an diesen Bericliten geübt haben, lässt sich
nicht entscheiden; sie scheinen jedenfalls, wie Herodot ahnen lässt,
derartigen Nachricliten nicht abhold gewesen zu sein, besonders dann
nicht, wenn sie Beweisstücke lieferten, welche ihre Anschamingen von
der allseitig vom Meer umgebenen Erdinsel zu stützen geeignet waren.
Wir haben Nachrichten, dass mehrfach der Versuch gemacht
worden ist, am äusseren Küstenraiide der Erde entlang zu segeln — Unternehmungen,
die allerdings ausschliesshch von Phönikern. Ägyptern und
Persern herrühren. Bekannt ist die Expedition König Ne c h o ' s von
Ägypten, der nach Herodot's Ausspruch zuerst den Kachweis führte, dass
Libyen vom Jleer umflossen sei. In seinem Auftrage fuhren phönikische
Seeleute vom Arabischen Meerbusen aus und kehrten im dritten Jahre
durch die Säulen des Herakles nach Ägypten zurück. Die Bemerkung
Herodot's, dass jene Phöniker bei ihrer Umfahrt die Sonne zur Rechten
gehabt hätten, und sehi Zweifel an der Richtigkeit dieser Thatsache
galten als der untrüglichste Beweis, dass diese so ehdache Ei'scheinung
das Re.sultat einer thatsächlichen Beobachtung sehi müs,sc, jedenfalls
nicht aus der Luft gegriffen sein könne, da selbst ein Herodot für sie
keine Erklärung finde.-) Jedoch wird hierdurch das Bedenkliche an
der Möglichkeit einer solchen Fahrt nicht beseitigt, zumal da ein
Jahrhundert später eni anderes Unternehinen an der Westküste Afrikas
scheiterte. Mit einer Flotte von GO Schiflen und 30 000 Mämiern und
Frauen fuhr der Karthager Ha n n o durch die Säulen des Herakles,
um an der Küste auf Staatsbefehl neue Kolonien anzulegen imd die
alten durch Zuzug zu verstärken. Seine Fahrt hält sich in kontrollirbaren
Grenzen; aus dem uns noch erhaltenen Reisebericht ersehen
wir, dass er die Mündung des Senegal passirt, ja sogar über das
Kap Verde hhiaus bis ui die Gegend der Sierra-Leone-Küste vorgedrungen
ist. Teils .Mangel an Lebensmitteln, teils Furcht vor den
angeblich brennenden Bergen und Feuerströmen, die sich weit in das
') Ki e p e r t , Lelirli. S. 3.
-) l l e rudo t I \ ' . 42. Die Aniialiine iler Müglielikeit einer solclien Fahr t in damaliger
Zeit hat zahlreiche Gegne r nnd ^'erteidiger gelunden. Zu letzteren gehören J i i n k e r (Die
Umschitrinig Libyens dur ch die I ' h n n i k e r . Progr. Conitz 1835) und W h e e l e r (the geogr. ol'
Herodotus, London 1854. SI. 335 fl'.). Auch I. K a n t (Phvs. Geographie, S. 141) schliesst aus
1. Kön. Kap. 2 2 . dass schon zu .losa])hat's Zeiten die Seereisen aus dein Arabischen Busen
um Af r ika he rum nach Tarschisch etwas ganz Gewöhnliches waren. Das Bedenken Herodot's
gegen den fiaglichen Sonnenstand scheint eine Kritik gegen die ionische Geographie in sich
zu schliessen. besonders Berger, Wi s s . Erdkde . 1, 40 tf.
Meer liineinwälzen. nötigte ihn zur Umkehr.') Eben.so resultatlos verlief
die Afrikafalu-t des Persers Sa t a s j i e s , der von König Xerxes wegen
eines Verbrechens zum Tode \-erurteilt, dann aber mit der viel
»grösseren Strafe« bedacht Wirde, Libyen zu umfahren, bis dass er
wieder in den Arabischen Meerbusen käme. Nach monatelanger Fahrt
kehrte er un\errichteter Sache wieder zurück, weil, wie er vorgab,
das Schilf nicht im Stande gewesen sei, weiter vorwärts zu
dringen.-) — Wie für Libyen, so lag auch für den Südosten der
Erdiiisel ein Bericht vor, den uns Herodot mitteilt. König Darius
wollte wissen, in welches Meer sich der Luliis ergösse. Von Kaspatyros
hu paktyischen Lande fuhr in seinem Auftrag S k y l a x von Karyanda
den Indus abwärts, bis er das jMeer erreichte; in diesem westwärts
weiterfahrend, gelangte er nach dreissig Monaten in den Arabischen
Meerbusen, von wo einst König Necho seine Phöniker ausgesendet
hatte. Aber die Unkenntnis der geographischen Situation hat diesen
Bericht von jeher stets zweifelhaft erscheinen lassen; er giebt uns
aber doch zu erkennen, dass man damals eine entfernte Kunde von
der Befahrbarkeit des Indischen Oceans besass.")
Auch nach Norden hatte sich die Länderkenntnis erweitert. Der
Zug des Darius gegen die Skythen hatte so maiiclie Nachricht von
den nördlichen Gegenden eingebracht, und Herodot hat für die Darstellung
ilieses eriblglosen Kriegszuges persische Mitteilungen benutzt."')
Weniger gesichert waren die Kenntnisse des Nordwestens der Erde;
hier lagen einzig und allein mangelhafte Schiffernachrichten vor, vom
Flusse Eridanos, der in das Nordmeer münde, von wo der Bernsteui
Über die Person unil das Zeitalter des Hanno sind wir niu- mange lha f t unter -
richtet. Fr . K l u g e ( l l annon. navig. l.eipzig 1829) setzt die Fa h r t um das J a h r 5 1 0 ;
C. Mü l l e r (in der praefat. zur Ausgabe in den Geogr aphi graeci minores I) unge f ähr in
die Mitte des A". Jaln-hunderts (um 470). Sie wü r d e ini letzteren Falle nnt der Fa h r t des
Sataspes sehr nahe zusammen fallen. Nach Ka r thago zurückgekehr t , soll Hanno den Beriebt
seiner Reise aid" eine Tafel oder Säule eingravirt und im Tempe l des Saturn aufgestellt
haben. Die uns erhaltene griechische Übe r s e t zung desselben s t ammt aus dem IV. J a h r -
hundert; doch scheinen einige Residtate der Heise schon vorhe r bekannt geworden zu sein
(Herodot). — Die südlichsten genannten Pimkt e sind das rcrov yijcc^ (nahe der She rboro-
Insel) und ^su'r o%y'jLcc = der Götterw.lgen, heute M. Sagres.
») Herodot IV, 43.
Herodot IV, 44. He rodot kennt den Persischen Meerbusen noch nicht. Als
Nearch s])äter dieselbe Fa h r t (Indus — Euphr a t ) glücklich ausgeführt ha t t e , schien er,
nach den vorliegenden Quellen zu urteilen, eine neue En t d e c k u n g gemacht zu haben.
Vgl. Berger I. 48.
Herodot 1\', 1—144. Der Zug des Darius fällt ungefähr in das J a h r 513. — Bei
Herodot (IV, 44) heisst es: "\'on .Asien ist aber ein grosser Teil durch Darius entdeckt wo r d e n .
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