
232 IV. KAVITEL. DAS \VEI.TBILU ZUR ZEIT DES COLUMBUS.
ersiclithch Sind, zn .Icncn man hin gclanoc, nni.ss: ferner, wie weit
man vom ol oder vom Äquator ahzuweiclien. nnd weh-Iien Ranm o.k>r
wie Mel Meden man zn durchmessen liat. nm zn ,lem Lande der
L< elstcn,e nnd (iewnrze zn gelangen.«') Ansser dieser Erhinternng
l.a t^ es [oscanelH auch lur nötig, manclien irrigen Anffiissungen hinsichthcl,
der Orientirung ^•orzubengen. Man hatte l.isher ,Ue I iinder
.ler (iewiirze auf dem Ostwege erreicht, und sie wurden Iblgeriehtio.
aul ,len Kart.mhddcrn stets an der rechten Seite vom Bescliauer -esuclil.
(ianz anders gestalteten .sich ,lie Verliältnissc auf ehier Karte
des AtlantLschen Oceans, wo dieselben Länder am Küken Rande der
Karte sich zeigen, .somit also nicht im O.stcn, .sondern im We.sten zu
hegen scheinen; denn jede Verän.lerung ,les Horizontes hat notvv^endic
eine \ eran.lernng der gegenseitigen Lagenverhältnisse, entsprechend
dem neugewählten Standpunkt des Beobachters, zur Folge »Wundert
Lu.'h nicht darüber,., sagt Toscanelli. »dass ich das^Iebict, wo
die Gewürze .sind, das We s t l i c h e nenne, während es gewöhnlich als
Ö s t l i c h e s bezeichnet wird«.
Schon in dieseu Worten tritt Toscanellis Anscliaimng vom Weltbild
deutlich hervor. Er war in dem festen Glauben, nicht wenio-er
al.s ein.t Aristoteles und Seneca. dass die der euro],äischen We.stküste
gegenüber liegenden Gestade nur di,- des östlichen Asiens sein
konnten; dass man nach einer glückhch ü),erstandenen Westlährt
notwendig nach Kathay kommen mü.s.ste. Mit welcher Zuversicht er
ihe.se Ansicht vertrat, giebt uns eine weitere Bemerkung in seinem
Briete zn erkennen, wo er seine Leser darauf hinwei.st. \lass er anf
der begegebenen Karte, nicht ohne Absicht, verschiedene Orte im
östlichen Asien eingetragen halic, zu denen man gelangen wür.lc;
und da .sei es doch um so angenehmer, we n n m a n \ l e n Ei nw
o h n e r n j e n e r L ä n d e r z e i g e n k ö n n t e , d a s s ma u in i h r e m
L a n d e s c h o n v o l l s t ä n d i g Be s c h e i d wü s s t e .
Im Anschluss hieran giebt er dann eine umständliche Beschreibui,"-
vom Reiche des Gross-Hian's, in welcher er sich teils auf littcrarische
Quellen, teils aber auch auf seine eigenen Erkundigungen stützt, die
er bei gelegenthchen Ge.spriichen von Reisenden eingezogen hat. Seinvertraut
zeigt er sich mit den Reiseberichten Marco Polo's, welcher
^ l e r che ostasiatische Lisclwelt so eingehende Nachrichten mitgeteilt
') Der Text der Histo,-ie zeigt folgende Inte,-poI.-,tion (S. 16b), (car/aL „ella .nah i
tuuo ü ßne äel Fonen.e, pißanäo ,r,an,a al, Änslro L,>„ al jL L e a I Ll
le Isole, che m tutto qnesto Camino yiacciono; per fronte alle quali dritte per Fonente giaee dipinto
d prmapio deW Indie con le isole e luocjhi dove potete andare.
TOSCANELH'S WELTANSCHAUUNG. 233
hatte. »Es wohnen aber dort auf den Inseln nur Kaufleute; denn es
wird behauptet, dass eine so gTosse Menge von Handelsleuten mit
ihren Waren in dem einen höchst an.sehnlichen Hafen Za i t o n .sieh
zusammenfinden, wie auf der ganzen übrigen Welt niclit. Es heisst
auch, dass alljährlich hundert gTos.se Schilfe mit Pfeifer ni dem Hafen
unter Segel gehen, ungerechnet die übrigen Schilfe, welche andere
Gevvürze geladen haben. Jenes Land ist sehr bevölkert und reich an
Provinzen, wohlhabenden und zahllo.sen Städten, nnd steht unter ehiem
Fürsten, welcher der Gross-IGian genannt wird, was im Lateinischen
soviel als rex regum bedeutet; sein Sitz und seine Residenz ist meist
in der Provinz Kathay. Seine Vorfahren wünschten mit den Christen
in Verkehr zu ti-eten; schon vor 200 Jahren schickten sie zum Papst
und forderten mehrere Gelehrte, um von ihnen im Glatdien unterrichtet
zu werden; aber die, welche dorthin entsendet wurden, fanden unterwegs
viel Hindernisse und kehrten wieder um. Auch zum Papst
Eugen kam einer, welcher von dem grossen Wohlwollen gegen die
Christen berichten konnte, und auch ich habe mit ihm eine lange
Unterhaltung gepllogen über vielerlei Dinge: von der Grösse der
Königlichen Gebäude, vou der Grösse der Flüsse, ihrer er.staunlichen
Länge und Breite, vuid der Menge der Städte au den Ufern der Flüsse,
von denen an einem Strom ungetahr 200 an Zahl ei'baut sind, sowie
von den breiten imd langen marmornen Brücken, welche überall mit
Säuleu geschmückt siud. Dieses Land ist wert, dass es von den
Lateinern aufgesucht werde, nicht allein deshalb, weil ungeheure
Schätze an Gold, Silber, Edelsteinen jeder Art, und seltenen, niemals
zu luis gebrachten Gewürzen aus ihm gezogen werden können,
sondern auch wegen der plnlosophisch gebildeten Männer und erfiihrenen
A.strologeii; und um zu erfahren, mit welchem Geist unil
Geschick das so mächtige und herrliche Land regiert wird, und wie
dort Ivi'iege geführt werden.«')
Was null aber die Seekarte anbelangt, welche Toscanelli m'-
sprünglich für den Kanonikus Martuiez augefertigt hatte, und welche
er in einer zweiten Kopie auch Colnmbus zugehen liess, so wird
dieselbe unser Haupt-Litercsse ui Anspruch nehmen müssen. Coliunbus
A^gl. Marco Po l o, übe r Zaiton 11, 77; über Quinsai I I , 68. — J e n e r Reisende, mit
welchem Toscanelli persönlich ve,-kehrt ha t t e , scheint Nicolo de' Conti gewesen zu sein. —
Cristoforo La n d i n o, der Komment a tor von Vergil's Georgi con, e rwähn t den Z„ s am,nendus s
von Lenten der fernsten Erdgegenden in Fl o r e n z ; homines, qui circa initia Tanais habitant.
Ego autem interfui, cum Florentiae illos Paulus phijsicus diligenter quaeque interrogaret. Vgl. besonders
Humb o l d t . Kr i t . Unt e r s . I , 191, 193.
K r e t s c l i m e r , Entdeeltimg Amerika's . 30