
126 II. K.APITKL. D.AS WELTBILD DES MITTEL.ALTERS.
dnicksweise Jaliiii zu deuten, dass der Bibel-Erzähler uieht ohne Grund
den Singular gebraucht habe, weil durch ihn a priori die Eüdieit der
gesamten Wassermasse angedeutet werden sollte. Währ end man sich
bei Bimien-Seen, welche äusserlich durch das Land abgeschlossen
sind, den (auf Grund jenes Genesis-Verses notwendig existirenden)
Zusammenhang mit dem Ocean durch eine unterirdische Kanalverbindung
zu erklären suchte, vmrde die Einheit des Oceans durch
einen obertlächlichen Zusammenhang um so bereitwilhger angenommen.
Dieser Deutimg folgt auch Amb r o s i u s , wemi er darauf hinweist,
dass das Indische Meer mit jenem bei Gades zusammenhänge, und
ebenso dieses mit dem Roten ]Meer; dass hierdiuTli also dargethan
würde, wie die einheitliche Sammhmg der Wasser als Ocean den
Erdkreis einschliesse.') So hatte fast ausnahmelos die Mehrzahl der
Exegeten und Kosmograjjhen sich die äussere Beschaffenheit der Erde
vorgestellt, und die Karten vertreten durchgehends denselben Standpunkt.
So weit ich sehen kann, ist nur einmal die gegenteihge Ansicht
geäussert worden, indem nicht nur die Inselgcstalt der Erde angezweifelt
Wirde, sondern euie fast ptolemaeische Auffassmig vorübergehend
zur Wiederaufnahme gelangte. Der als Aristoteles - Kommentator
bekannte J o h a n n e s P h i l o p o n o s geht zwar auch von der
geforderten Einheit des Meeres aus, vermag aber in Folge Ilineüimischung
antiker Hypothesen sein System nicht mit Konsecpienz
durchzuführen und giebt auf die von ihm selbst gestellte Frage keine
abschliessende Antwort. »Einige Geographen«, sagt er, »sind der
Meüuing, dass der Ocean im Kreise um die ganze Erde herumlaufe
luid sie gleichsam als Lisel in seüiem Golfe umscliliesse. Sie -wurden
hierzu, nach Mutmaassmig des Aristoteles (!?), durch eine missverstandene
Stelle der homerischen Gedichte verleitet, wonach die Sonne
sich aus dem Ocean erhebe luid in ihm wieder mitergehe«. Befindet
sich Philoponos schon hmsichtlich der Ocean-Frage mit Aristoteles, der
voll und ganz für den Zusammenhang des Weltmeeres eintritt, nicht
in i'bereüistimmung, so folgt er üi der Gesamt-Anlage der Weltkarte
dem Strabo oder Eratosthenes. »Man sagt, dass der Ocean viele
Meerbusen in das Land erstrecke, von denen vier besonders bemerkens-
') Amb r o s i u s , He x a eme r o n , ed. Mi g n e s. lar. 14, 174 (HI , 3): Una autem congregatio
aquarum eo quod jugü unda alqve conlinua ab Indico mari usque ad Gaditani oram liüwis et
inde in mare rubrum extremo cireumfum orbem terrarum includit Oceano. De n n .Alles sei Ein
:Meer, we n n auch den ve r s chi edenen Te i l en ve r s chi edene Name n beigelegt wü r d e n .
ANSCH.AUUNGEN DES JOHANNES PHILOPONOS. 127
wtnt sind; nämlich das Ile.sperische Meer (r-^r icr-spla.«
welches, im Osten von Gades und dem Iberischen Meere beglnneiid,
bis nach Pamphyhen, nach Norden bis zum Pontus Euxiuus und der
Maeotis reicht . . . . Man sagt ferner, dass es ZAvei südliche Busen
des Oceans gebe, den Arabischen und den Persischen, Avelche von
dem grossen Erythräi.schen Meere, ehiem Teil des Oceans im Süden,
sich abzweigen.« Noch gesicherter aher ist sein Anschhiss an Strabo
zu erkennen, wenn als der vierte der Oceanbusen, nach Norden zu,
das Kaspische Meer hezeichnet wird, dessen Geschlossenheit Aristoteles
schon mit tiller Bestimmtheit anerkannt hatte. Hinwiederum folgt er
dem Ptolemaeus, wenn er den Zusammeiihaiig des Westlichen und
des Indischen Meeres im Süden Libyens bestreitet. »Zuverlässigere
Geographen, zu denen Ptolemaeus mid Pappus gehören, seien der
Ansieht, dass der Ocean, welcher auch der Atlantische heisst, aHe i n
den we s t l i c h e n Te i l der Oikumene begrenze und dass mit ihm nur
das Mittelmecr zusammenhänge.« Auf Grund unsinniger ^Vngaben
hätten Andere die Ansicht vertreten, dass der Ocean im Süden mit
dem Erythräischen Meer sich vereinige; denn es sollen einige
Seefahrer auf dem A^'erbindungsmeer (xara TTEpiVratriv) ui das Rote
Meer gelangt sein, was offenbar falsch sei, da sich daiui der
Ocean durch das ganze Libyen und die verbraunte Zone selbst hinziehen
würde; diese zu passiren sei aber für Seefahrer Avegen der grossen
Hitze unmöglich. Wie er hiermit besonders gegen die Stoiker Stelhing
nimmt, so tritt er auch der Annahme einer durch den Ocean von
uns geschiedenen Antoikimiene entgegen, deren Nicht-Existeuz er durch
den Hniweis auf den Nil-Lauf begreifhch zu machen sucht. Pomponius
Mela, Diodor n. a. hatten die Quellen des Nil nach dem südlichen
Kontinent verlegt, von AVO er durch das Meer zu uns herüherströnie.
Diese durchaus irrige Ansicht AAÜrde nach Philoponos allerdings nötig
sein, so lange man die Existenz eines äquatorialen Oceans aufrecht
erhält. Dies ist aber gegen die Worte des Ptolemaeus, Avelcher den
Nil vielmehr von dem Mondgebirge (TO rij? crEAji'rn« opog) im südlichen
Libyen herahkommen lässt. Währ end Philoponos so eine Trennung der
Slecre unbedingt aimiinmt, vertritt er niclitsdestoAveniger die durch die
Bibel geforderte Einheit. »Wenn daher Jemand den älteren Geographen
gefolgt ist und behauptet, dass es e in Meer und v i e l e gäbe: eins,
insofern es alle üi sich schliesst; A'iele Avegen der zahlreichen Busen,
die in das Land einschneiden und daher unter sich geschieden sind,
nicht dem Wasser, sondern der ihnen eigentümlichen Eingebung nach
(rf iiia mptypafr), so AAT,rd er folgerichtig', in Rücksicht auf die Gesamtl
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