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G ( ! I. KAPITKL. DAS WELTBILD DER ALTEN. DIE GROSSE DER OIKUMENE. 67
während Eudoxus dasselbe zu "2 : 1 ansetzte. Dass aber die Schifferund
Reisemaasse, aus denen durch Suinmirung ein Näherungswert
gewonnen und hieraus jene Verbältniszahleii bestimmt wurden, wenig
zuverlässig waren, bestätigt Aristoteles zur Genüge, nnd nur mit
Zurückhaltung teilt er eine andere Schätzung mit, die das Verhältnis
S : 3 ergab.')
Die erste Berechnung, über die uns nähere Mitteilungen vorliegen,
ist die des Eratosthenes, welcher der Annahme folgte, dass
die Länge zur Breite der Oikumene sich wie 2 : 1 verhielte, wenn er
jene zu 78000 Stadien, diese zu 38000 Stadien schätzte.") Strabo,
der hieran mancherlei zu hessern hatte, will von Thüle nichts wissen
und beschränkt daher die Ausdehnung nach Norden hin, indem
er sie bis Jerne (Irland) herabrückt, andererseits aber im Süden
8 800 Stadien als unbewohnbar streicht, so dass seine Oikumene sich in
der Breite nur auf 29 300 Stadien beläuft, während er ihr in der Länge
ungefähr 70 000 Stadien zuerkannte.") Er schloss sich im Wesentlichen
dem Posidonius an, der gleichfalls die 70 000 Stadien vertreten
hatte.'') Dagegen hat Marinus von Tyrus die Länge der Oikumene
ganz bedeutend vergrössert, indem er sie auf nicht weniger als
90 000 Stadien veranschlagte. Auch er hatte diese Länge für den
Parallel von Rhodos bestimmt, welcher allgemein auf den 36. Breitengrad
angesetzt wurde, mithin '/s eines grössten Kugelkreises ausmachte.
Da er nun 1 Grad eines grössten Kreises zu 500 Stadien
annahm, so war 1 Grad auf dem Parallel von Rhodos ungelahr
400 Stadien lang. Die äussersten Meridiane der Oikumene zog er
aber durch die Inseln der Seligen im Westen und durch Thinae und
Kattigara im Osten; er schätzte die Entfernung zwischen beiden
auf 15 Stunden, jede Stunde zu 15 Grad gerechnet, so dass also jene
Ari.stot. me t eor . I I , 5. 14.
Nach St r a b o (I, 62) r e chne t e er f ü r die Br e i te von d e r Zi i nmt k ü s t e bis IVIeroe 3400,
Meroe—.Alexandria 1 0 0 0 0 . Al e x a n d r i a .—He l l e s p o nt 8 1 0 0 , He l l e s p o n t—Bo r y s t h e n e s 5000,
Borysthenes—Thül e 1 1 5 0 0 = 3 8 0 0 0 . Die Lä n g e zählte er auf dem Pa r a l l e l von Rh o d o s
folgendermassen z u s amme n : Vo n d e r Os t spi t z e Indi ens bis ztmi Ga n g e s 3000. Ga n g e s—I n d u s
15000, I n d u s—Ka s p i s c h e Pf o r t e n 1 4 0 0 0 , von hier bis Th a p s a k t i s 1 0 0 0 0 , Th a p s a k u s —ö s t l i c h e
Nilmündung 5000, östliche bis we s t l i che Ni lmü n d n n g 1300, Al exandr i a —Ka r t h a g o 1 3 5 0 0 , Ka r -
thago—Säulen 8000, S ä u l e n—We s t s p i t z e Eu r o p a s 3000. We i l ihm abe r die Schä t zung d e r
Länge j e n e r äus s e r s t en Ge g e n d e n im Osten u n d We s t e n zu k u r z e r s c h i e n, zählte er auf
j e d e r Seite noch 2000 St adi en h i n z u , so das s also die Ge s amt l änge 77 800 Stadien ausmachte,
— Vgl . Be r g e r , Wi s s . Er d k d e . I I I , 89 — 9 2 ; Fo r b i g e r , Ha n d b . I, 184 f.
' ) F o r b i g e r l , 319 f,
' ) St r a b o I I , 102, Se ine An g a b e übe r die Br e i t e ist uns ni cht mitgeteilt.
Entfernung im Längenmaass 15 X 15 X 400 = 90 000 Stadien betrug.')
Wir wissen hingegen, dass Ptolemaeus zu der älteren Zahl zurückkehrte,
wenn er die Oikumene, die Marinus auf 225 Grade nach
obiger Rechnung (15X15) erweitert hatte, auf 180 wieder beschränkte
und auf dem Parallel von Rhodus zu 72 000 Stadien schätzte.")
Die schwtuikenden Vorstellungen, welche sich die Alten von der
Grösse der Erde und der Grösse der Oikumene gebildet hatten,
führten daher, wie ein Vergleich zeigt, zu den verschiedensten
Folgerungen lür die Frage nach der Entfernung der Ost- und Westküste
der Oikumene auf dem Seewege. E r a t o s t h e n e s hatte den
Erdumfang zu 252 000 Stadien geschätzt, mithin dem Parallelkreis
v(m Rhodos eine Grösse von rund 200 000 Stadien zugesprochen.")
Da er nun die Länge der Oikumene auf demselben Parallel auf
77800 berechnete, so konnte sich nach seiner Auffassung das Land
nur wenig über '/j des ganzen Parallel-Umfanges ausdehnen. Nicht
wesentlich verschieden von ihm hatte S t r a b o das Verhältnis geschätzt;
denn die 70 000 Stadien, die er der Länge der Erdinsel
zuerkannte, umfassen bei Voraussetzung der Eratosthenischen Erdkugelgrösse
auch noch über '/j des Parallels von Rhodos und lassen
für die Entfernung von Spanien und Lidien noch 130000 Stadien frei.
Eine bedeutende Verlängerung der Landerstreckung in ost-westlicher
Richtung giebt sich aber aus den Zahlengrössen des P o s i d o n i u s zu
erkennen. Nahm dieser zwar auch die 70 000 Stadien lür die Erdinsellänge,
ähnlich wie Strabo an, so hatten sie doch für ihn eine
andere Bedeutung, da er die Grösse des Erdumfanges auf das weit
niedere Maass von 180 000 Stadien (statt 252 000), mithin die des
rhodischen Breitenkreises auf ungetahr 144000 ansetzte. Hiernach
nahm das Land first die Hälfte des ganzen Umfanges ein. Annähernd
zu demselben Resultat kommt auch P t o l ema e u s , welcher die Länge
auf 72000 Stadien erhöhte, sie also auf genau die Hälfte, auf
180 Grade, schätzte. Noch weiter hatte Ma r i n u s die Ostgrenze des
bekannten Landes hinausgemckt, wenn er die Längen-Erstreckung
desselben auf nicht weniger als 90000 Stadien veranschlagte und es
so etwa Ys Jes Parallels von Rhodos umfassen Hess. Da aber er
') Ptol. I, 7, 11.
'-) Üb e r die Gr enz e s e i n e s Er d b i l d e s vgl. S. 30 ff. (Ptol. I, 14. 10; VI I , 5, 15.) Di e
Breite r e chne t e er vom 16^ 6 ° südl. Br. bis zum Parallel d u r c h Th ü l e 63° , zus ammen also
ca. 797J ode r in r u n d e r Zahl 8 0 ° = 4 0 0 0 0 St adi en. (Ptol. VI I . 5, 12.)
Strabo I I , 65 schätzt ihn zu . n i c h t we n i g e r als 2 0 0 0 0 0 S t a d i e n . ; g e n a u e r sollte
es heissen 203 840 St adi en.