
236 IV. KAPITEL. DAS WELTBILD ZLR ZEIT DES COLUMBUS.
J
Der .lainnligc Leser des IJriefes konnte dal,er, ebensowenio- wie wir
l^ntzntage, sich eine genaue Vorstellung von der Entlerunug des
;^V'eges nach den gegebenen Zahlen inacheu, nnd es bleibt nur die
y>r.nutrnig o leii, da.ss die verloren gegangene Karte noch eine nähere
Angalie enthalten haben muss.
Sehen wir von den falschen Zahlenwerten der .spanischen Fas.smiobei
Ba r a a mid Las Casas ab, auf Grund deren Humboldt zu ganz
u-ngen Schlüssen gelangte, indem er em Spatium zu 150 Millien
ansetzte so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die
2oO Mdhen nur tur die Spatia des Parallelkreises von Lissabon und
Qmnsay zu gelten haben, nicht für jene des Äquators. Pesehel nahm
mm an, dass weim ein Aqiiatorgrad nach der damals üblichen
Schatzmig zu (,0 oder GOy., Millien angesetzt würde, ein Parallelorad
miter c er Breite a-ou Lissabon etwa 50 Milien betrüge; mu f da
Tosvanelh cm Spatium dieser Breite zu 250 bestimmt, so muss es genau
lunl (u^de nmlasst haben.') AVir werden zwar schliesslich zu "demselben
Lrgelmis gelangen, doch sind die Voraussetzmigen Peschefs
durclums imge , mid auch Rüge machte bereits gegen ihn geltend,
dass diese Kechnung mindestens sehr rmgenau ist; denn wenn Lissabon
nach damaliger .Annahme miter dem 41. Breitengrad angenommen
wiirde, so müsste der Längengrad unter dieser Breite vielmehr 45'/
oder 48/ Millien betragen, je nachdem man den Iqua torgr ad zu
60 oder 62'/, Millien ansetzt, mid demnach würde ein Spatium von
Imil Graden 22673 oder 24173 (statt 250) Milben betragen.")
lien, G r e g o r K e i s c h zn 2 1 6 0 0 , und P e d r o de M e x i a zn 2 2 5 0 0 Millien. V.d hi e rübe r
m«ne Phys . Er d k d e . im Mittelalter S. 5 9 - 6 4 . "
') Pesehel , Zeitalter der En t d e c k u n g e n , .Stuttgart 1877 S 101
=) Kuge (Zeitalter der Entdeckgn., S. 230) schlägt eine ande r e Er k l ä r u ng v o r , indem
r^O m"i1- • ' " • • • • " ' " " ' " " ' l des Toseanelli-schen Sj.atiums von
2o0 Mdhen ttjcht auf d.e Brette von Li s s abon, sondern auf den Äqtnator zu beziehen sei, da
.eh I o,scaneUt auf etne genaue Be r e chnung der AVerte f ü r bestimmte geographische Bre ten
5 0 0 ^ KT--® " " " " der°Ä uator-Un,fang
. t d ! - l" tf ' "" ausmachen'
B le , " T ''"••''P" Nicht ohn
Bedenken w r d n,au aber dte A'oraussetzung annehnten k ö n n e n , da der AVortlant des latein,
sehen l e x t e s doch unmöglich anders verstanden we rden k a n n , als so wie wir es bei Pesehel
hnden. -Ao n Lissabon sind es 26 spa t i a , guorum quodUbet Mbct miliaria 250, bis nach
Qutnsay I n n . , Schon die Zwisehenstellung des Eelativsatzes zwischen den Anf angspunkt der
zu berechnenden St r e cke (Lissabon) „ n d deren En d p u n k t (Quinsay) deutet auf eine
unmttte hare Bezugnahme auf diese geographische Breite hin. _ CbHgens scheint R ü g e
TOSCANELLI'S KARTE. 237
Uzielli, der eifrige Toscanelli-Forscher, hat nun in der National-
Bibliothek in Florenz ein Avichtiges Dokument aufgefunden, welches
geeignet ist, auf die Frage einiges Licht zu Averfen. — Ks ist tlies
eine bisher Avenig bekannt gewordene Handschrift, betitelt; Discorso
di M" Paolo Puteo Toscanella sopra la conieta del 1456.') Sie enthält,
ausser einer Karte, noch eine Tabelle von Längen- luid Breiten-
Angaben bemerkenswerter Städte, und am Schluss dieser heisst es:
Gradtis contmel 68 miliaria minus tertia unins
Miliarinrn tria millia bracchia.
Nach Ptolemaeischer Rechnung- Avürde eni Acpiatorgrad 62'/2
römische Millien betragen, nach Angabe der Araber, — denen, wie
wir sehen Averden, übrigens auch Colnmbus folgte, — 5673 Millien,
währentl dageg^en die Seeleute das Aveit höhere Maass von nicht
Aveniger als 70 römischen Mdlien annahmen.") To.seaneUi setzte ihn
zu 67"/3 Millien an, unter Avelchen er jedoch niidit römische, soiulern
die bei ihm zu Lande üblichen t o s e a n i s c h e n Mi l l i en A'erstand,
von denen eine 3000 Ellen (bracchia) betrug.") Da nun eine Elle
550,678 mm umfasst, so beträgt e ine Millie etwa 1652,034 m, initlün
ehi Äquatorgrad 111 785 m. Schon hieraus ergiebt sich, dass Toscanelli
eine durchaus richtige Vorstelhing von der Grösse der Erde hatte; denn
gegen tlie Bessersche Zahl (1 11 375) Aveicht tlie seüiige nur um 410 m ab.
Die Aveitere Frage mm, wie gToss Toscanelli ehien Längengrad
in tler Breite Lissabon-(,)uinsay, ansetzte, beziehungsweise, Avie A'iel
Grade er auf ein 250 Millien umfassendes Spatium rechnete, kann nur
heantAVortet Averden, wenn Avir die A^erschiedenen Zahlengrössen miteinander
A'ergleichen. Da ein Längengrad am Äquator ^u'j^ Alillien
beträgt, so kann denientsprecheml ein Eängengratl in der Breite der
Spanischen Halbinsel nur etAva 50 ^Lilien umfassen, eine Zahl, die
umsomehr AA^ahrsclieinhchkeit fiü- sich hat, wenn wir sie den 250 Millien
eüies Spatium gegenüber halten. Denn da dieses doch nur aus einer
A-ollen Zahl von Graden (4, 5 oder 6) liestanden haben kann, anderseits
') Die Handschr i ft ist im Cod. Magliabechiano, Cl. XI , No. 121, enthalten. A'gl. übe r sie
G. U z i e l l i , della grandezza della t e r r a secondo Paolo Toscanelli, im Bolletino della Soc. Geografica
Ital. X (1873), S. 13 — 28.
Noch in dem Portolan des Agostino Ce s a r eo, L' a r t e del navigare con 11 regimento
de la tramontana e del Sole (1570) heisst es; Mille passi fanno u?i miglio, — Quaitro miglia
fanno una legha, — LegJie 17 e mezo fanno uno grado, che sono miglia 70 secondo nauiganti —
Gradi 3Ü0 fanno tutia la rotondezza della nauigatione ottero di mare e Terra, che Ii dui fanno
uno corpo rotondo; (Ms. in der Bibl, Nazionale XI I , D, No, 4 6 f , , 10 b, zu Neapel).
Eine Elle wa r 550 mm gros s ; von dieser La n d -El l e (braccio da terra) hat man
die Tu c h -El l e (braccio da parino) zu scheiden, von der 2833^/3 auf eine Millie gehen.