
1 2 8 II. K . \ P m a . D.\S WELTBILD DE.S VlITTEL.lLTEIi.S.
heit des Wassers, von einer Sammlung und einem .Aleere S])recheii,
dagegen mit Bezug auf die einzelnen Teile desselljcn von v i e l e n '
weleJie ilusserlieli nur dureli die geograpliiselien Kamen von einander
geseliieden sind.') Wie er sieh aber die Einheit neben der vorher
behaupteten Trennung der Aleere vorstellt, hat er mit keinem Wort
angedeutet.
Zeigt sieh ein engerer Ansehhiss an die Geographie des Ptolemaeus
in den mittelalterhehen Kosmographien nur in vereinzehen Fällen, so
lassen dagegen die Karten, wie wir gesehen haben, schon mehr
Sehlen Einllnss erkennen, ohne ihm jedoch in allen Stücken zu folgen;-)
und wenn sie auch einzelne Küstenhiiien, Fluss-Systeme u. dgi. in
Ermangelung besseren Materials aufnahmen, so haben sie doch niemals
unterlassen, um die Erde den Ocean fluten zu la.ssen, hierdurch also
gezeigt, wie wenig ihnen der Gesamt-Entwurf des Ptolemaeisclien Weltbildes,
und zwar in seinem wesentlichsten Charakteristikum, zusagte.
Als nach einem vorüliergehendcn Rückschritt in den Anschauungen
über die Erdgestalt auch die Kugellelirc wieder allgemein anerkannt
war, und die bekannt gewordene Festlandsmasse mir als eüie aus
dem Ocean hervortauchende inselartige Bildung sicli darstellte, drängte
sich sehr bald die weitere Frage nach der Besclialfenheit der ülirigen
Erdoberfläche auf Sie vv-urde, ähnlich wie bei den Alten, durcli
verschiedene Vorfragen angeregt, welche die Annahme der Kugellehre
von vornherein nach sich zog; so vor Allem die Zonenlehre und die
Antipoden-Frage. Abgesehen von wenigen Angrilfen, wclelie aus der
widerstrebenden Volksmeinung hervorgingen, gelangte die Antipoden-
Lehre bei den Aken sehr bald zu allgemeiner Geltung, hat sich daher
zn einer Streitfrage gar nicht erst entwickehi können. Anders jedoch
im Alittelalter, wo religiöse Rücksichten vorwalteten, und ein orthodoxer
Fanatismus heftig dagegen eiferte. Ich habe an einer anderen Stelle
die Antipoden-Frage im Alittelalter umständhcli behandelt') und kann
mich hier auf euie kurze Zusammenfassung der wichtigsten Slomente
beschränken; als Ergänzung und Erweiterung aber soll im Folgenden
besonders das Kartenmaterial benutzt werden, welches ich dort ganz
unberücksichtigt gelassen lialie.
Alehrere Kosmographen — unter ihnen vorzüglich die Vertreter
der Scheibengestalt der Erde — stellten die phy.sische .Möglichkeit
') .loli.innes I'liil0|u)riu.s: Coiimiciitiirioniiii in ilosaicaiii nnnnli creatiuncni lil)ri Septem•
edit. Coi-deriiis. Wi en 1630. Iii). I \ ' , eap. ,5, S. lö' i—151.
oben S. 118—120.
Piiysische Krdkde. im Mitt.. .S. 54 tl'.
.\NTIPODEXrl!AGE 131 :MITTELALTEK. 12!)
von Antipoden überhaupt in Frage, Andere nahmen sie nur bedingTing.sweise
an und erkannten höchstens eine Bewohnerschaft der Antoikiiinene
auf der südUcben Erdhälfte an, die sie als An t i c h t h o n e n ,
vielfach auch — nacli dem Vorgange der Alten — als An t i p o d e n
bezeichneten. Das vermehitlich bestellende Au s t r a l l a n d , welches wohl
nur durch Macrobius und Pomponius Alela Eingang in die mittelalterlichen
Ktirfen luid Kosmographien faiitl, gestattete am ehesten die Annahiiie
einer Bewohnbarkeit, wogegen die Bewohntheit der beiden
anderen Viertel der Erde erst verhältnismässig spät einige Billigiing
f;ind. Das jcnstntige Land, welches Kosmas Indikoplenstes und der
Syrer Ephräm in ihrem AVeltsystem neben der flachen Erdscheibe
konstruirten, geht oiine Zweifel auf antike Quellen zurück. Sie verlegten
dorthin den Sitz der einstigen Paradies-Bewohner, welche
jedoch nach ihrer Auffas.sung nicht als Antipoden galten. Vielmehr
])oleniisirt Kosmas, ähnlich wie Lactanz, sehr leidenschaftlich gegen
diese Irrlehre.') Selbst zVugustin äussert seinen lebhaften Zweifel und
nimmt besonders daran Anstoss, dass die Heilige Schrift über Antipoden
nichts .aussagt. AVie sollten auch die Alenschen, die doch
elienso von Adam abstammen, wie wir, dorthin über den weiten
Ocean gelangt sein; und der Sophist Procop von Gaza fragt weiter:
wie sollte denn Christus zu Jenen hingelangt sein und das Evangelium
verkündet haben? Alan müsste gerade annehmen, dass das Antipoden-
Land eine AVeit für sich bilde, wo es ebenfalls einen Adam, eine
Schlange iiiid eine Suitthit gegeben liaben müsse.") Er spricht seine
Laetant. divinae institntiones I. III. 24. Die antike El ement enl ehr e , nnd mit ihr
die Kugelgestalt der Er d e , gab zu dieser ketzerischen Lehr e Veranlassimg. Wi e er, wi ede rholt
auch Kosmas die beliebten Fr age s t e l lungen, wie es möglich sei, dass es Leute mit
abwärts gerichtetem Kopf geben könne. F e r n e r , "Wie ist es, wenn es r e g n e t , zu denken,
dass der Regen aid' alle Bew-ohner der runden Er d e herabfällt? Wi r d er nicht vielmehr
bei den Einen herabfallen, bei den Anderen aber aufwä r t s ? Denn die Annahme von Antipoden
macht auch die Annahme von aufwärtsfallendem Regen nötig... Noch wunde r l i che r ist
ein von ihm vorgebrachte r auf Lucas X, 19 sich stützender gr amma t i s che r Beweis. Kosmas,
Migne 88, 64, 132.
.Allgustin. de civitate Dei XVI , c. 9: Quod vero ei Antipodas esse fahulanbur, id est
homines a contraria pmrte terrae uhi sol oritur, quatido occidit nobis, adversa pedihus nostris
calcare vestigia nulla ratione credendum est . . . . Quoniam nullo modo Scriptura idem mentitur
quae narratis jiraeteritis facit fidem, eo quod eius praedicta complentur: nimisque absurdum est ut
dicatur aliquos homines ez hoc in illain partem Oceani immensitate, navigare ac pervenire potuisse,
ut etiam iiiic e.r uno ilio primo homine genus insätueretur humanuni. Trot zdem er de r Kuge l -
lehre zuneigt, hält er das V'orhandensein anderer Kont inente un d Bewo h n e r derselben niclit
für durchaus notwendig. — Pr o c o p von Gaza (Migne 87, 69) bestreitet von vornherei n
die Existenz eines anderen Erdteils {afToty.ouij.ei'Yi vtto - r c y^g).
K r e t s c Ii m e r . Entde ckuni ; Amcrilta's. 17