
i:io II. KAPITKL. DAS WIXTI i ILD DKS JIITTELAI.TEIiS.
A-ollste rborzeugiing dahin aus, dass die ganze Erde im "Wasser stelle,
und dass kein Teil von ihr, der unter uns sieli l)efindet, von Wasser
entblüsst sei; daher könne es keine Antoikumene geben.')
Der gelehrte liisehof Isidor von Sevilla ist in der Antipoden-Frage
etwas schwankend. An einer Stelle weist er die Existenz von Gegenfüsslern
fast mit denselben Worten we Augustin zurück, an cnier
anderen lässt er wenigstens Gegenwohner liestehen, die er ebenfalls
Antipoden nennt. Die von Hipparch ausge.sprochene und durch 3Iela
vermittelte Vermutung, dass die Lisel Taprobane der Anfang eines
anderen Festlandes sei, vertritt auch Isidor und nennt deren Bewohner
Antipoden, ebenso wie die Bewohner des südlichen Libyens.-) Auch
Dicuil schliesst sich dieser Ansicht an.')
Die alten Schriftsteller übten, wie wir gesehen haben, noch
immer ihren mächtigen Ehdluss auf das Weltbild der Folgezeit aus.
Ein äquatorialer Oeean trennte zwei Kontinente von einander, von
denen der südliche die An t o i k ume n e oder An t i c h t h o n e büdete.')
Falls der Raum auf der Karte fehlte. Wirde jener west-östhche Ocean-
Arm um ein Beträchtliches südlicher gerückt, so dass die Antichthone
vielfach auf das unterste Segment der Kreiskarte beschränkt wurde.
Die dem XH. Jahrhundert angehörige Weltkarte ^-on Turin zeigt sie
ui dieser Stellung und macht sie zum Wohnort der Antipoden.')
Xichts Anderes dürfen wir unter dem alins mimclus des Bischofs
Virgilius von Salzburg verstehen, welcher wegen seiner aufgeklärten
Ansichten mit der Kr c h e seiner Zeit iu eine heftige Fehde geriet.
Seine Äusserung, dass es unterhalb der bewohnten Erde eine andere
Welt luid andere jMensehcn geben müsse, brachte ihn lieim Papste
Zacharias üi gxosse Ungnade.') — Ferner ist ebenso auf einer kleüien
Procop. 1. c.: Ort äe tzutu r, yr yab' vriarm' 'ij-rrys yct\ ovSiv It t i v v-o -ri- yrt/
Ms'jo? yVAi^ov M!^ -yrc br,}.0I'.
Isidor, Et ymo l o g i a e 1. I X : Jam vero ii qui Antijiodae dicuntur eo quod contrarii esse
vestigiis noslris putantur: ut qui stib terris positi adrersa pedibus nostris calcent vestigia nulla
ratione credendum est; — 1. X I : Antipodes in Libya plantas versas habent; — 1. X l \ ' : Tixtra
Ires autem partes orbis, quarta pars trans Oceanum interior est in meridie, quae solis ardore nobis
incognita est, in cuius Jinihus antipodas fabulose inhabitare produntur.
") Di c u i l , de me n s u r a Orbis, S. 50. Er citirt na ch .Solin. Vgl. ü b r i g e n s oben S. 51!.
' ) "\'on L ä n d e r n j e n s e i t s des Oc e ans s p r e c h e n be r e i t s die ältesten cliristlicben Schr i f t -
s t e l l e r , so Cl eme n s Al e x a n d r i n u s in den .Stroniafes h c. 12 u n d Or igene s Do p r i n c i p
1. II, c. 3.
») Di e auf i b r v e r z e i c h n e t e Le g e n d e l aut e t wö r t l i c h , wi e j e n e v o r h e r citirte I s idor -
s t e l l e : Extra tres partes etc. \"gl. S a n t a r em I, 230, I I , 132, 152.
•) De r Ciegner de s \ ' i r g i l i us (f 784) wa r d e r b e k a i u i t e F r i e s e n -Ap o s t e l Boni f a c ius ,
der diese k e t z e r i s c he An s i c h t d em P a p s t mitteilte. In d em An two r t - S c h r e i b e n des P a p s t e s
DAS ArSTRALLAND. 131
\A^4tkarte der Bibliothek von Dijon, welche ganz im Sunie des
IMacrobins entworfen ist, die nördliche bewoiinte Erdhälfte von der
südlichen, dem alter Orbis, durch den äcpiatorialen Ocean getreimt.') —
Besonders hervorzuheben idier sind die Karten im Codex Floridus des
Kanonikus L amb e r t VOIL Saint-Omer. Wi r .sind noch im Besitz
mehrerer Handschriften des Buches, welche alle die mehr oder
weniger inhaltsreiche Weltkarte enthalten, auf der aber stets des
Ausstrallandes und seiner Bewohner in umfangreichen Legenden
gedacht wird. Südlich der heissen Zone liegt ein den Nachkommen
Adam's noch unbekannter Ocean (Oeeanus flliis Ade incorjnitus) und
.südlich von diesem eine zweite gemässigte Zone, das Land der
Antipoden (Zona austraUs fitiis Ade incognita, temperaia, antipodorum).
Dieses Land steht jedoch mit dem unsrigen in keinerlei Beziehung,
denn das iLttelländische 3Ieer (d. h. jener vorher erwähnte Acpiatorial-
Ocean) halbirt den Erdkreis. Noch hat ihn keines Menschen Auge
gesehen; denn von immerwährender Sonnenglut erhitzt, hält er den
Zutritt des Menschen von sich fern und verhindert ihn so, nach jener
Zone humberzusetzen. Dort wohnen, wie die Philosojdien sagen, die
Antipoden, welche den unsrigen entgegengesetzte Jahreszeiten und
einen anderen Sternhimmel über sich haben, unter dessen mannigfachen
Einflüssen sie stehen.-) Befremdlich ward uns die Zuversichtlichkeit
erschehien, mit der man die Existenz dieses Australlandes
postulirte, trotzdem man sich des Mangels eines erfahrungsmässigen
Beweises wohl be-wu<st war.
an Bnnifaz heisst e s : De perversa autem et iniqua doctrina quae contra Deum et animam suam
loeutus est — si clarificatum fuerit, ita eum conjiteri: quod alius inundus et alii homines sub terra
sint seu sol et htna — hanc hahito concilio. ah eeelesia pelle sacerdotis honore privatum (bei J a f f e :
Bibliotheca r e r i im Ge rma n i c a r t n n I I I , 191.) Di e Au s d r ü c k e alius mundus u n d stth terra h a b e n
vielfach zu falscben De u t u n g e n ( e ine r u n t e r i r d i s c h e n We l t u. dc rgl . ) Ve r a n l a s s u n g g e g e b e n ;
sie d ü r f e n n u r auf die .Antoikiunene u n d d e r e n Bewo h n e r be zogen we r d e n . — Vgl . G ü n t h e r ,
Studien z u r Ge s ch. d e r ma th, u n d p h y s i k a l i s c h e n E r d k u n d e , Ha l l e 1879, S. 6; Kr e t s c hme r ,
Phys. Er d k d e . , S. 5G f.
') De r aus d e r .Abtei St. Be n i g n e s t amme n d e , jetzt in Di j o n be f indl i che iMiscellan-
Kodex No . 2 0 9 t r ägt die J a h r e s z a h l 1 0 6 4 ; in ihm die k r e i s r u n d e We l t k a r t e , von d e r ein
Facsimile in S a n t a r em' s .Atlas. De r enge An s c h l u s s an Ma c r o b i u s folgt auch aus d e r beigefügten
L e g e n d e : Zona terrae perusta quam undique sursum ac deorsum ciraimßuit Oeeanus.
Qui a suis duahus e.rtremilatibus Oriente scilicet et occidente in septentrionem et austrum refunditur.
Lambert s chr i eb um das J a h r 1120 im Kl o s t e r S a i n t -Au d oma r zu St. Ome r . Sein
Buch, we l che s er Floridus n a n n t e , umf a s s t v e r s c h i e d e n e Ge b i e t e de s Wi s s e n s . S a n t a r e m
hielt i r r t üml i c h den Ti t e l de s Ko d e x f ü r den Be i n ame n de s Ve r f a s s e r s u n d n e n n t di e s e n
daher s t e t s Fl o r i d u s . (!) Gu t e r h a l t e n e Ha n d s c h r i f t e n besitzen di e Bibl iotheken von Pa r i s ,
Gent u n d Ha a g . Vgl. Pe r t z im .Archiv f. ält. d e u t s c h e Ge s ch. Vl l , 5 4 0 ; ^Mone, An z e i g e r
f. Ku n d e d e r t eut s chen Vo r z e i t , S. 38 IT.; S a n t a r em 11, 1 5 3 ff.; AVa t t enba ch; De u t s c h l a n d s
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