
88 II. K.\PITEL. D.\S WKLTBILD DES MlTTELALTEIiS.
la.sst.« Jenseits des Oceans giebt es kein Land mehr.') Ob hier eine
gesiclierte Kenntnis des Eismeeres vorliegt, vermag man schwerlich
zu entscheiden. Die Hofi'imng, den Erdkreis in seinem vollen Umfang
bereits kennen gelernt zu haben, leuchtet auch hier durch; denn
man war stets bestrebt, euizelne Anhaltspunkte zu gewinnen, welche
auf einen oeeanischeu Abschluss der Erde hindeuten köiuiteu, wenn
die Beweismomente vielfach auch nur schwach gestützt waren. Dass
auch Polo die Annahme der »Erdinsel« vertrat und aus seinen eigenen
Beobachtungen sowohl, wie auch aus den durch Hörensagen eingezogenen
Nachrichten bestimmte Hinweise auf diese Amiahme zu
finden wähnte, bestätigt er selbst genügend, wenn er einmal bemerkt,
dass »der Grosse Ocean das UniAersum — ich meine, die ganze Erde —
umschliesst«.-) Alle die einzelnen Raiidmeere, welche häufig verschiedene
Namen tragen, sind ihm vielmehr Teile des grossen Welt-
Oceans selbst. So heisst das Meer im Osten der Erde: Meer von Chin;
»aber wie man bei uns von einem jMeer von England und von Roclielle
spricht, so hört man dort von einem 3Ieer von Chin und euiem von
Imhen und so fort, obgleich sie doch alle Teüe des Oceans sind«.")
Im Osten der Erde hatte man den Küstenrand muimehr erreicht;
über den dortigen Ocean aber und die Liselwelt waren die Kenntnisse
schon mangelhafter. Marco Polo, der uns auch hierüber am meisten
Nachricht giebt, spricht von zahlreichen Liseln, die den Ocean im
Osten erfüllen.') Am nördhchsten liegt das gold- und perleureiche
Eiland Zi p a n g u , 1500 Meilen vom Kontinent entfernt,'^) mid von
erfahrenen Seeleuten, die ihr ganzes Leben auf jenem Jleer von Chin
zubringen, will er gehört haben, dass nicht weniger als 7459 Liseln
dort zerstreut liegen, die Produktionsorte wertvoller und wohlriechender
Hölzer, des weissen Pfeffers mid anderer Spezereien.
»Aber sie liegen so weit vom Festland ab, dass es schwierig ist,
dorthin zu kommen, und weim ein Schiff von Zaiton oder Qiünsay
die Reise dorthüi macht, so zieht es grossen Vorteil aus diesem
"Wagnis.« Die Reise währt wegen der eigenartigen Windverhältnisse
eui Jahr, aber auch von Lidien aus nimmt sie lange Zeit üi
Ajispruch.") Man kann aus dieser Schildermig nur entnehmen, dass
Polo I, c. 56; Yule I, 238. Die Inseln der Ge i e r - und Wa n d e r f a l k e n e rwä lmt er auch
noch IV. c. 22, wo er u. a. auch das Land Rosia (Russland) und Oroech (Norwegen) nennt.
') Polo I I , c. 40.
») Polo I I I , e. 4.
•) Polo I I I , c. 1 (Schluss).
') Polo I I I , c. 2.
«) Polo I I I , c. 4; Yule I I , 210, .Anm, 2.
KENNTNIS VON DEN OST ASIATISCHEN INSELN. 8!)
er vielleiclit die PJiilippinen oder die Mohikken im Auge hatte. Auch
Nicolo de' Conti, der ebenfalls der Gewürz-Inseln ErAvähuung thut,
hat sie nicht selbst besucht; erst 70 Jahre nach Conti gelangte der
Italiener Varthema dorthin. Aber .sie galten schon zu Conti's Zeiten
als das Ende der Welt; deim über diese Inseln hinaus giebt es keinen
von Menschen bewohnten Ort mehr.')
Etwas besser war man mit den grossen Sunda-Inseln bekannt: mit
Gross-Java (dem heutigen Java) und Klein-Java (= Sumatra), wie sie
Marco Polo nennt, während Conti dagegen unter diesen beiden Liseln
vielmehr Borneo und Java verstanden wissen will, da er Sumatra
unter dem besonderen Namen Sciamuthera aufführt.') Neben Necuverau
(Nikobaren) und Angamanain (Andamanen) spricht Polo noch
von 12 700, teils bewohnten, teils uubewohnten Liseln im Meer von
Lidien, »nach Angalje der Karten und den Aussagen erfahrener Seeleute
« (vermutlich die Liselflur der Lakkadiven imd Malediven).')
Der Südrand des asiatischen Kontinentes war durch wiederholte
Küstenfahrten vollständig bekannt geworden, wenn auch die Halbinselnatur
Vorder- und Hinter-Indiens auf den Karten niemals scharf
ausgeprägt zur Geltung kommt. Polo neimt jenes »Gross-Indien«,
dieses »Klein-Lidien«; aber der geographische Begrifl' »Indien« hat
sicli zu einer imifassenderen Bedeutung entwickelt, indem nicht nur
ganz Süd-Asien, sondern auch eüi grosser Teil Ost-Afrika's, vorzüglich
Abessinien, zu Indien gerechnet wiu-de, und man deshalb von drei
Indien') sprach. So auch Marco Polo.
1=1.
Conti nennt zwei Ins e ln. Sa7iday un d Bandan^ die fünfzehn Tage fahr ten östHch von
Borneo und J ava liegen sollen. "Welche Inseln gemeint s ind, ist unbekannt . Die später zu
besprechende Genuesische We l t k a r t e f ü h r t sie (nach Conti) auf mit der Legende : Sanday et
Bandan dicimtur insule iste, nam Sanday crocea, nuces Tnuscatas et macis, Bandan vero garo/alorum
copiam ad Javas transmittunt, utrinsque incolae neyri sunt. Bandan item- nutrit yenerum trium
psitacosf nibeos, croceosque rostro versicolores et alhos. Albi namqve galinis sunt pares qui
transeiintibus locuntur et dant responsa.
Polo I I I , c. 6 und 9. — Jaica. Jatci nannten die Ar abe r j e n e an Pr o d u k t e n reichen
Inseln im Allgemeinen und Suma t r a im Besonderen. Auch auf der Katalanischen Ka r t e von
1375 scheint unte r Java Suma t r a gemeint zu sein. Yul e ( I I , 229) weist nacli, dass de r
Name Java für Suma t r a schon sehr alten Da tums ist. — Ub e r die Insel J abadiu der Alten
vgl. oben S. 30.
' ) Polo I I I , c. 12, 13, 34.
*) Bereits bei den Alten wa r Indien ein sehr weiter Begriff, da es nicht wenige r als
den dritten Teil der ganzen Er d e umfassen sollte; (Plin. hist. nat. VI, 17; Arrian. Ind. 3;
Strabo XV, 1010; Mela I I I , 7, 2). — Ptolemaeus (VIT, 1 und 2) scheidet es in Indien
innerhalb und ausserhalb des Ganges (wie auch Strabo). — Man zog aber später auch noch
Persien und Aethiopien h i n z u , wa s um so weniger auffallen k a n n , als bereits die Alten
Aethiopien und Indien zusammenstellten. Home r (Od. I , 22) nennt schon östliche und
K r e t s c h m e r . En t d e c k u n g Ame r i c a ' s . 12