
204 111. KAPITEL. DIE KENNTNIS ^•0M ATLANT. OCEAN VOR COLUIIliUS.
(jedocli oliiic Naineii). Woaiirch die Karte .sicli besonders von anderen
nntersclieidet, ist die Thatsache, dass beide Insehi, Antillia wie Sahia-a
eine Reihe von Kanieii aiirweiscn, unter welchen wir zweilelsohnc'
was AntUIia anbelangt, jene sieben Städte zu verstehen haben'
welche, nach der Sage, die portugiesischen Biscliöfe gegründet Jiaben
sollen, und nach denen die Insel als Isla di Seite Cidade bezeichnet
worden ist.')
Bas Florentinisclie Staats-Archiv besitzt eine Schiflerkarte, Avelche
durch das Alter bereits stark gelitten hat. Die Legende, in welcher
sich der Verlasser nennt, ist iiiilesbar geAvordcii, und man hat mit
Rcagenzmittehi nur noch festzustellen vermocht, dass der Zeichner
von Gei.iirt ein Dlallorcaner war. der die Karte im Jalir 1487 C')
gezeichnet hat.=) Auch diese Karte zeigt am ^v-estlichen Rande in
derselben A^ollständigkeit wie die Pareto-Karte, die Lisel Antillia, und
westlich von ihr eine kleinere, welche — soweit ich noch zu erkennen
vermochte — den Namen Xotexala fülirt. Weiter nördlich ist eine
der Antillia an Grösse und Gestalt gleiche Insel zu sehen, die, nicht
mit Kameiisbezeichnung versehen, nur die Insel Sataiiaxio sein kannund
nördlich von dieser die Lisel Tanmar. Es ist liervorziiheben. dass
diese Liseln im Allgemeinen der Darstellmigsweise auf der Karte des
Pareto auffallend ähneln.
Die fabelhafte Insel Antillia entdeckte icli ferner noch auf einer
anderen, demselben Arclüv angehörigen Karte des elicnlalls mallorcamschen
Kartenzeichners Gi a c omo Be t r a u , vom J ahr 1482.") Auf
dem an der linken Seite befindhchen Hals des Pergaments finden wir,
allerdings ohne Namen, die für Antillia typisch gewordene, länglich
viereckige Gestalt. °
') Die Legende der Ka r t e : Gradosm Benincasa Anconitanus comnosuit Ancone Anno
Oonuni MCCKLXXXII (1482) mit dem Wa p p e n der Familie Eiario. Anf der Bibl. Universit
No. 2,S0, in Bologna; U / . i e l l i - A m a t , Stndi biogr. I I , 81, No. 64; hierzn Aggnnt e , S. 279^
No. 471; C a t a l o g o generale degli oggetti esposti, Terzo Congresso Geogr. Internaz di
\ enez.a 1881, I I , No. 391. - Anf derselben Bibliothek (No. 175) ein Atlas des Gr. Benineasa
vom J a h r 1 4 , 3 , den er ,n Venedig hergestellt ha t t e , sechs K.irten enthaltend; fehlt bei
Uzielh^-Amat (vgl. No. 64); auf Ka r t e 4 vernn-ssen wir jedoch j en e Inseln.
-) Durch die angewendeten lieagenzien ist die Kar t e für alle Zeiten verdorben
worden. Wa s sich von d e r Inschrift noch lesen liess. wa r n n r : JI maiorque en
tany MCCCCLXXXril. Vgl. ferner I lomma i r e de Hell, im Bull. .Soc. Ge o - r I 295- -
Desunoni im Giornale Li g n s t i c o l l , 68, No. 10; - Uzielli-An.at , Studi biogr., No. 397.
') Die interessante und wertvolle K:„-te f ü h r t die Legende: Jäc Bcrtran m .Valorques
la fe...en Malorques Tan,j MCXXCLXXXII ( t m ) ; nicht 1491, wie Uzielli-Am.it, Studi
No. 398, irrtümlich schreiben.
DEUTUNGEN DER ANTILLIA-LEGENDE. 205
AVie die litterarischen Quellen, so bieten uns auch die kartographischen
keinen geeigneten Stützpunkt, auf Grund dessen wir
über die Bedeutung dieser Insel im mittclalterliclieii Vorstclhuigskreise
einige Klarheit gewinnen könnten. Es wäre ein zweckloser
Versuch, aus den relativen Entferniuigen der Lisel von der Eestlandsküste
(Portugal), welche auf den verschiedenen Karten verschieden
ist, irgeiul welche Schlüsse ziehen zu wollen. Schon hierin zeigt
sich gerade, welche Willkür in der Ei.\irtuig der Lisel herrschte.
Deshalb suchte die moderne Forschung sie mit irgend einer anderen
Ortlichkeit zu identifiziren und ihre besthnmt ausgeprägte Gestalt
als das We rk der Kosmographen und Kartographen hinzustellen.
Wie schon die erste Nachricht von der Lisel der Sieben Städte oder
Antillia — lieide Inseln wurden, wie gesagt, späterhin für eine und
dieselbe gehalten — eüien sagenhaften Ilintergrund zeigt, so glaubte
man auch in der vermeinthchcn Existenz einer solchen Insel nichts
-Vnderes als den Nachklang euier älteren Sago wiedererkennen zu
müssen, die in ihren Ih'anfängcn möghcherwcise bis in das Altertum
zurückreicht. Von diesem Gesichtspunkt aus hatte sie Z u r l a für
die iVtlantis des Piaton erklärt, indem er besonders auf die Thatsache
hinwies, da.ss die aimähernd rechtwiiikhge Gestalt der Li.sel auf den
Karten eine mcht zu verkeimende Anspielung zeige auf die viereckige
Ebene, welche Plato nach der südlichen Hälfte der Lisel verlegte,
und welche nach dem I'ntergang derselben als einzelnes Trümmerstück
stehen gebhebeii sein sollte.') Die wenig überzeugende Deutung
hat Humboldt bereits zurückgewiesen, so dass es liier bei der einfachen
Erwähnung sein Bewenden haben mag.
Ansprechender dürfte eine Vermutung von B u a c h e erscheinen.
Auf der Azoren-Insel San Miguel befände sich, nach einer Mitteilung
Massoii's, euie Örthchkeit, welche noch gegenwärtig die S e t t e
Cidade hiesse. Im äussersten Westen dieser Lisel ist ein grosses
Thal, ähnlich einem gewaltigen Ke.ssel, von hohen Bergen eingeschlossen,
und iu der JMitte mit einem See von drei Wegstunden
l'mfang, welches diesen Namen führt. Die hierauf sich gründende
Amiahme, dass San Jliguel die iVntilha des Jlittclalters sein müsste,
ist natürlich ebenso hinfällig; denn wir werden sehen, dass auch
einige Ortlichkciten in Amerika, denen derselbe Name nachträglich
beigelegt worden ist, für die gesuchte Antillia gelten köimten, ganz
abgesehen davon, dass auf allen Karten die in Frage kommende
') Zurla a. a. 0 . 11. 334.
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