
254 IV. KAriTKL. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUMBUS.
getragen. — Der sogenannte Gl o b n s vo n Laon, ' ) zeigt wieder andere
Verhältiiisse; neben Tile nnd Yslandia linden wir GrönlancUa als eine
kleine Lisel, nördlich der Norwegischen Iviiste, wiedergegeben.
Wie aus allen diesen Darstellungen, welche aus der Zeit vor der
ersten Fahrt des Cohunbus stammen, ersichtlich ist, mi rde Grönland
in nächste Beziehungen zu Europa gesetzt, indem man es bald als
Lisel, bald als Halbinsel dieses Kontinentes darstellte. Die Kenntnis
von diesem Lande war also noch sehr maiigelliaft, und andererseits
die Aid"fassiing des AVeltbildes noch ehie derartige, dass man sich
nicht entschliessen mochte, Grönland als verehizelte Lisel zu isohreii;
man wollte in Grönland vielmehr noch ehi Stück des alten Erdkreises
sehen, mid machte es deshalli zu einem Anhängsel von Europa. Sehr
wohl ist es natürhch möglich, dass noch andere Gründe mitwirkten,
wenn man Gröidand und Skandin.avien durch ein hypothetisches Nordland
verband. Rü g e erinnert an eine mittelalterliche Erzählung, die
dahin lautet, dass ein Mann den We g von Grönland nach Skandinavien
zu Lande zurückgelegt haben sollte, indem er sich untei-wegs von der
Mich einer mitgenommenen Ziege emâlirte.") Es sei hier aber anf
eine andere Erklärung der Entstehimg jener hypothetischen Läiiderbrücke
auf den Karten verwiesen, die ich bereits bei Gi r a v a , einem
KosmogTaphen des XYI. Jahrhunderts, fand. Bei der Beschreibung
von Labrador erwähnt er auch die Lisel Griitlandia, die hi nächster
Nähe von jenem Lande liegt, während sie von Einopa durch das
Meer getrennt ist. Einige hätten jedoch an der Existenz ehier solchen,
beide Länder trennenden Wasserstrasse, manchen Zweifel laut werden
lassen; sie n a hme n s t a t t d e r e n v i e lme h r e i n e n Z u s amme n -
h a n g an, i n d em sie d a s zu ewi g em Ei s e r s t a r r t e Me e r (das
Mare congelatum der Karten), a l s ein mi t Ei s b e d e c k t e s Ve r -
b i n d u n g s l a n d a u f f a s s t e n . ' )
Es wird aus allen diesen Erörteriuigen klar geworden sein, dass
Columbus, selbst in dem Fall, dass er von den Normamien-Ent-
') Ub e r den Globus von La o n , vgl. d'Avezac im Bull, de la Soc. de Géographie,
X X (1860) , wo sich (S. 417) eine Wi e d e r g a b e des Globus findet. Vgl. auch Nordensldold,
Faesimile-Atlas, S. 76.
Rüge, Ze i t a l t e r , S. 19.
Hieronimo Gi r ava , La Cosmograjihia y Geographia etc. En Venetia, por J o r d a n
Zdeti y su compane ro 1570, S. 188; Pero la mas vizina Tierra o Isla de aquesia punta, que
cae en 51. Grades de Lafitud, y va hasta 60. es la Isla de Grvtlandia; y desde la qual liasta
FinmarcJiia en Europa ay mas de 50 léguas de Mar, aunque algunos dudan si ay en medio
Estrecho, y piensan mas antes que sea todo Tierra firme, y que lo que parece Mar, y llaman
Mar Ilelado, sea Tierra firme, cubierta de agua helada: porque en tat parte siemiyre llueue y
liiela; por donde non se paede morar: pero es poco lo que ay de Tierra o de Mar helado.
DAS KOS.MOGKAPmSCHE SYSTEM DES COLUMBUS. -iSD
deckungen einige Kenntnis erhalten habe, aus diesen unmöglich einen
Vorteil hätte ziehen köimen, wie man es vermutet hat. Denn alle
die dürftigen jVLtteihnigen, die über jene Länder vorlagen, und
vollends die kartographische Darstellung derselljen seitens seiner Zeitgenossen,
waren begreiflicherweise Jucht im geringsten darnach angethan,
den Plan einer Westfahrt, falls er sich damals schon mit
einem solchen getragen, zu befestigen, geschweige denn gar entstehen
zu lassen. Es ist nicht weniger bezeichnend, worauf Humboldt besonders
hinweist, dass keiner von seinen zahlreiehen, neidischen Zeitgenossen
an die Seefahrten der Normannen gedacht ha t , um sie als
die eigentlichen Entdecker auszugeben, und es ist ebenso bezeichnend,
dass spi'd.er in dem Prozess des königlichen Fiskus gegen Diego, den
Sohn des Cohunbus, wo die fadenscheinigsten Gründe herlieigezogen
v\iirden, gerade der Normaunen-Fahrten mit keiner Silbe gedacht wird.
Auf ehie mit Erfolg gekrönte Vorgängerschaft konnte sich Columbus
seiner Zeit jedenfalls nicht berufen, und er hat diesem Umstand
in der Einleitimg zu seinem Tagebuch auch olfen Ausdruck
gegeben, wenn er hervorhebt, dass di e E r r e i c h u n g I n d i e n s auf
dem We s twe g »bis h e u t i g e n Ta g e s , wi e wi r s i c h e r wi s s e n ,
noch v o n Ni ema n d em u n t e r n omme n wo r d e n ist«.
III. Das kosmographische System
des Colmnbus.
^ erfen wir einen Blick zurück auf die Entwickelmig der
- Geographie der Erdkugel, von den ersten Vertretern der-
1 selben, den Pytliagoräern, an, bis auf Toscanelli und
; Martin Behaim, so sehen wir wiederholt die Frage auftauchen,
wie die Verteilung von Land luid Wasser auf der Erdkugel-
Oberfläche möglicherweise sein kömite, und wie weit es auf dieser dem
Menschen vergönnt wäre, überall hm vorzudringen. Diese Frage ist so
alt, wie die Erdkugel-Lehre selbst. Sie drängte sich naturgemäss
von selbst auf, sobald man erst anfing, die A''erhältmsse der bekannt gewordenen
Gebietsteüe der Erde auf dem Globus anzuordnen. Eine Reihe
von Vorfragen, wie die Zonenlehre, die Antipodenfrage, die Frage nach
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