
194 III. K. \PITEL. DIE KENNTNIS VOM .^TL.INT. OCEAN VOR COLUMBUS.
Wostoii Lniul beobaclitet zu babcn, und auch Koui"- Eina i iuc l von
Portugal gedenkt in einer Urkunde vom 4. Jmü 1,519 die.ses noch
incht aufgelundenen Landes. Sieben Jahre später rüsteten F e r n a n d o
de T r o y a und F e r n a n d o Al v a r e z , zwei Kolonisten aul' Gross-
Ganaria, eine Expedition zur Aufsuchung der Lisel aus, kehrten aber
unverrichteter Sache wieder heim.') Der Engländer T h oma s Ni c h o l l s
vermutete sie in nicht allzu grosser Entfernung vom Festlande, da sie
naeh seiner Angabe zwischen Pahna und Madeira, gesucht werden
müsste.') Zuweden gab man auch vor, die Lisel gefunden zu haben;
so will der Pilot P e r o Ve l h o durch einen Sturm dorthin verschlagen
worden sein und die Insel betreten hallen, von der er eine eingehende
Beschreibiuig gegeben hat.') Heim lleraimalien der Nacht und aus
Furcht, dass der günstige Wind nachliesse, beschleunigte er seine
Abfahrt von der Insel. Erst als er bereits in voller Fahrt wa r , bemerkte
er, dass zwei Leute seiner Maimschaft auf der Insel zurückgeblieben
waren; er kehrte um, vermochte aber die Insel nicht mehr
aufzufinden. — Ebenso gab auch Ma r c o Ve r d e vor, auf ehier Lisel
gelandet zu haben, welche naeh seiner Bleinung nur die Brandan's-
Insel gewesen sein könne. Bei der Abfahrt «mrde er von einem
heftigen Sturm heimgesucht, so dass jede Spur von der Richtung
und Lage der Insel sich verwischte. Trotz dieser höchst fragwürdigen
Schilferberichte machte der Gouverneur von Palma, F e r n a n d o de
V i l l a l o b o s , einen neuen Versuch (1570), der freihch ergebnislos verlief
Ga s p a r P e r e z de Ac o s t a wa r ehrlich genug, einzuge.stehen,
dass er bei seinen Nachforschungen nach der Lisel (1604) kein Land,
aber auch keine Anzeichen von Land gefunden habe. Unsichere
Berichte über die ^-ermeintliche Entdeckung der Lisel wiederholten
sich im Lauf des XVH. Jahrhunderts mehrmals. J a , noch im J ahr
1721 liess Do n J u a n de Mur nach der Insel vergebhch forschen.")
ICrst Pater Vi e y r a y Cl a v i j o strebte eine Erklärung der so oft
aus der Ferne gesehenen, aber niemals aufgefundenen Brandan's-
In.sel auf rationalistischem AVege an, hidem er darauf hinwies, dass
nach seinen eigenen und Anderer Beobachtungen von der Kanarien-
Insel Gomera aus eine eigenartige Erscheinung am Horizont sich
zeigte: iiämlich eine aus zwei Bergen bestehende Insel, welche euie
auffallende Ähnlichkeit mit der ebenso gestalteten In.sel Pahna hätte.
') Vi e v r a , l l i s toi r e des T-maries 1, 28.
' ) I l a l d i i y t , Pr ine ipa l N.ivigalions, t. I I . 2. S. 7.
' ) d'.Avezae a. a. 0 . I I , 22.
,Tiil)inaI .S. X\ ' I I I . — Üb e r alle diese A'ersnelie vergl. Me y r a y Clavijo a. a. 0.
ANTILLIA, DIE INSEL DER SIEBEN STÄDTE. 195
Es war nichts Anderes, als das durch Reflex erzeugte Spiegelbild der
Lisel Palma selbst, welches (vermutlich!) .schon Thomas Nicholls auf den
Gedanken brachte, die Insel zwischen Palma und Gomera zu suclien.
]Mit der Terra reprommionis Sarictorvm, von welcher uns eine
latehiische Handschrift des XI. Jahrhunderts meldet, hatte natürlich
die T>uftspiegelung zwischen Palma und Gomera nicht das Geringste
mehr gemehi. Es ist aher interessant, zu verfolgen, wie ein P h a n -
t a s i e g e b i l d e de r i r i s c h e n Vo l k s - S a g e im La u f d e r Ze i t zu
einem g e o g r a p h i s c h e n Do gma v e r s t e i n e r n k o n n t e , um s i c h
s c h l i e s s l i c h in L u f t u n d Ne b e l wi e d e r a u f z u l ö s e n .
V. Antillia, die Insel der Sieben Städte.
^biter den Liseln des Atlantischen Oceans, welche sich die
^^Phantasie des iüttelalters geschaflen hatte, nimmt die Insel
SAutillia misere besondere Aufmerksamkeit in Anspruch, weil
^ ^ s i e auch in den Entdeckungsplänen dos Colnmbus eine grosse
Rolle spielte, insofern dieser eine willkommene Raststation auf ihr zu
finden holfte. Seitdem Humboldt diese hypothetische Insel einer eingehenden
Prüfung unterzogen hat,') ist das Quellcnmaterial erhebhch
angewachsen; und wenn auch kaum Aussicht sein wi rd, die Frage
einer endgültigen Lösung entgegenzuführen, so haben wir doch nach
und nach eüie Grundlage gewonnen, auf der eine solche einzig und
allein möglich ist.
Die Lisel Antillia, welche nicht nur in abenteuerlichen Schiller-
Erzählungen auftrat, sondern auch allen Ernstes zu Expeditionen
Veranlassung gab und anf den Karten jener Zeit eine bestimmte
Gestalt annahm, hat auch Martin Behaim auf seinem Erd-Globus
zur Darstellung gebracht und ihr eine Legende beigefügt, welche
auf die ^-lirmntliche Entstehung dieser fabelhaften Lisel ein schwaches
Licht wirft. Es herrschte im Volk der Glaube, dass nach dem
Entscheidungskampf bei Xeres de la Frontera, wo König Roderich
fiel und die Spanische Ilalbuisel in die Hände der Mauren geriet,
der Erzbischof von Porto mit noch sechs anderen Bischöfen den
f
') Humb o l d t Kr i t . Hilters. 1, 4 1 0—4 3 8 .