
118 II. KAPITEL. DAS AA'ELTBILD DES MITTELALTERS. GENL'ESISCIIE WELTKARTE VON 1447. 119
der um e in Jahrlumdert älteren Veseonte'selien lüirte einen entseliiedenen
Rüekseliritt bezeielinen.
Dagegen tritt auf der "Weltkarte des An d r e a s Bi a n c o vom
Jahre 143G (vgl. Atlas, Tafel III. No. 12) das Bestreben, die richtigen
Areal-Verhältnisse zu Avahren, bemerkenswert hervor.') Europa ist zu
Gunsten Asiens erheblich eingescliränkt, lä.sst aber dennoch die Benutzung
der Kompass-Karten für das jWittelmeer-Gebiet erkennen, Avie
j a die Karte selbst einem loxodromischen Atlas einverleibt ist. Hervorzuheben
ist ferner, dass das Centrum der ErdkreislUiche mit dem
Centrum des äusseren Oceanrandes nicht zusammenfällt; jenes ist zu
diesem vielmehr ui östhcher Richtung \-erschoben Avorden, so dass
dadurch im Westen der Erdinsel ein breiterer Raum für den Ocean
und — Avoranf es Avohl besonders abgesehen Avar — für die damals
erst entdeckten Insebi desselben geschall'en A\-urde. Auch die Küsten-
Konfiguration Asiens zeigt merkliche Veränderungen. Das Indische
Dleer ist genau ost-Avestheh gerichtet, Arabien zu einem kurzen Länderzipfel
verkümmert, und die östlichen Teile des Kontinentes laufen in
zwei Halbinseln aus, von denen die eine die apokalyptischen A^ölker,
Gog und Magog, die andere das Paradies beherbergt.
Den erstmahgen, nicht zu verkeimenden Einfluss des Ptolema eischen
Weltbildes auf die mittelalterliche Weltkarte zeigt uns die
Genuesische Ka r t e A'OII 1447 üi der ITorentiner National-Bibliothek.-)
Es ist zAvar eine loxodromische und keine graduirte Karte; aber der
Zeichner hat, dem Ptolemaeus folgend, die länglich gestreckte Form
der Oikumene beibehalten und die Kreisform aufgegeben, statt dessen
den Inhalt seiner Karte einer Ellipse ehigefügt, die ihrerseits AAaeder auf
die Gestaltung des ganzen Länder-Komplexes eingewirkt hat. Weicht
er allerdings in ehier Beziehung nicht unbeträchtlich von Ptolemaeus
ab, wenn er nämlich statt dessen unbegrenzt sicli ausdehnender Landiläche
vielmehr die vom Ocean umflossene Erdinsel Avieder zur Darstellung
bringt, so hat sie anderseits doch, besonders was Asien imd
Afrika anbetrilft, zahlreiche charakteristische Züge mit ihm gemehi.
Die K.Ti-te ist me h r f a c h h e r a u s g e g e b e n: von Form.-ileoni in dessen Saggio sulla
nautica antica del Vene z i ani 1 7 8 3 ; von Fi n c a t i , Giorna l e della Ma r i n a u n d Bollet. Soc.
Geogr, 1879, S. 360. F e r n e r bei Sa n t a r em u n d bei Le l ewe l , Tai". X X X U .
'•) Die f r ü h e r im P.alazzo Pi t t i , j e t z t in d e r Na t i o n a l -Bi b l i o t h e k befindliche Ka r t e bildet
eine El l ips e , de r en .Axen sich zu e inande r ve rha l t en wie 1 : 2 . Sie wu r d e irrthünilich dem
•lahre 1417 zuge s chr i eben. Er s t Th . Fi s c h e r stellte die richtige Le s u n g d e r Le g e n d e f e s t :
Hec est vera cosmoyraphomm cum marino accordata terra, quorundam frkolis narrationihus
rejectis 1447, \ ' g l . Fi s che r ( S amml u n g , S. 155 tl',), we l che r einen vor zügl i chen Komme n t a r
der Ka r t e giebt.
Li Afrika reichen .seine Kenntnis,se bis zum (Ti-ünen Vorgeliirge, und
unter den zahlreichen Flüssen, die er an jeuer Küste verzeichnet, hat
er mit dem nördlichsten inid grös.sten Avohl den Senegal darstellen
wollen. Dagegen beruht die Zeichnung des Nil-Laufes, und besonders
seines Avestlichen von den Mondliergen kommenden Quellflusses,
zweifellos auf Ptolemaeus. Die Südküste verläuft, dem elliptischen
Kartenrand sich anpassend, in eine flache Kurve und schliesst im
Osten mit einer stumpfen Halbinsel ab, Avelche bei Ptolemaeus in das
Australland üliergeht. Noch augenscheinlicher ist der Anschluss an
Ptolemaeus in den Küstendarstellungen des Asiatischen Kontinentes.
Die Arabische, Vorder-indische und Hinter-indische Halbin.sel sind
getreue Wiedergaben des Ptolemaeus, die allerdings schon einige Verbessermigen
an der Hand der Reiseberichte Nicolo de' Conti's erkennen
lassen. Dagegen sind die Ost- luid Nord-Küsten Asiens durchaus willkürlich
eingetragen, ebenso Avie die durch Conti bekannt geAVordenen
und auf der Karte am Ostrand der Erde verzeichneten Iiisehi Borneo
und Java; und nicht minder lässt der Norden Europa's zu wünschen
übrig, Avo zwei langgestreckte Halbinseln sich Aveit in den Ocean
erstrecken.
Es sei hier ferner auf ehie Ko smo g r a p h i e hingewie.sen, welche
ich auf der Markus-Bibliothek zu Venedig fand. Sie enthält eine
Beschreibung der bekannten Erdoberfläche, die sich der Verfasser
durch Tanais, Nil und Mittelmeer nach dem üblichen Schema eingeteilt
denkt. Nichtsdestoweniger giebt er im Folgenden eiue Darstellung
der einzelnen Länder luid ihrer Lage nach Längen- und
Breitengraden, welche zum grössten Teil aus Ptolemaeus stammt.
Was den Kodex aber besonders interessant macht, sind die zahlreichen
Karten-Skizzen, Avelche allerduigs nur oberflächlich in Graphit
ausgeführt sind; neben den euizelnen Teilkarten, die regelmässig dem
zugehörigen Text beigefügt shid, findet sich auch eine Uhersichtskarte
der Welt, Avelche ehie Avimderliche Verquickmig A'on mittelalterlicher
und ptolemaeischer Gelehrsamkeit ist {A^gl. Atlas, Tafel III, No. 13).')
Sie ist eiue vollkommene Kreiskarte, zeigt aber nichtsdestOAveniger
die bemerkenswertesten Charakteristika des ptolemaeischen Weltbildes:
') Die Ivosmogr aphi e bildet den Codex Ma r c i anus No . CHI . 5 (Cl. Codex 24)
chartac. in 97 If. saecl. XV. — Dass d e r A'erfasser Pt o l ema e us b e n u t z t , sagt er f. 2 {t/iolomeo
e fjli altri misuratori). Die Ka r t e n - S k i z z e n stellen grös s e r e und kl e ine r e Tei le d e r einzelnen
Länder d a r , u n d einige s i nd, wo es d e r T e x t e r forde r l i eh nuachte, me h r f a c h wi ede rhol t .
So findet sich die Unn-iss-Skizze des IMiitelmeer-Beckens nicht we n i g e r als 43 mal voi'. .Auf
fül, 4 7 a ist die We l t k a r t e zu finden, auf fol, 3 1 b die AVesthälfte des Er d k r e i s e s ,
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