
20 I. KAPITEL. DAS WELTBILD DER ALTEN. DIE LEHRE VON DER ERDKUGEL 21
fniolitbar, uml eine siJätere Notiz, welche in dieser Bezielning einen
inniiittelbaren Einfluss seines Lelirers Aristoteles erkennen wollte,
darf wohl Iiir glaubhaft gelten.') Im Auftrage Alexanders ftihr
Nearcli längs der Küste von der Mündung des Indus iiacli jener
des Eupbrat und brachte näliere Kunde vom Erythräischen Meere,
ülier welches Herodot noch so unklare Begriffe hatte.') AVie
Megasthenes,') so hatte auch der Admiral P a t r o k l e s eingehende
Mitteilungen von dem Wunderlande Indien gemacht, die noch lange
Zeit als Ilauptc^uelle dienten. Derselbe Patrokles hatte die südlichen
Küsten des Kaspischen Meeres befahren; seine weitere Angabe, dass
indische Waaren auf dem Oxus in das Kaspische Meer gebracht
würden, zusammen mit der wieder auftretenden Annahme, dass
das Kaspische Meer ein Busen des Oceans sei, führte zu dem Missverständnis,
dass man um Indien herum auf dem Ocean direkt in
das Kaspische Meer gelangen könnte, dass also hier im Osten der
gesuchte Abschluss für die Erdinsel gefunden wäre.') ^Vissenschaft-
') Vita Pytliagorae bei Pbotiiis bibb 250, S. 441 (Uelcker). — Wi r wissen ferner, dass
Alexandel' Gelehrte, besonders Geogr aphen, technische Beamte und Bemalisten bei sich hatte.
Die let-zteren bestimmten die Ent f e rnungen der Orte durch Zählen der zurückgelegten Schritte.
Ein solcher wa r B a i t o n , der die Resultate in einem Buche :i7«5-uc) -y^'A/.s^m'S^ov -a^suc^
niederlegte (Athen X, S. 442). Fü r die Berechnungen der Längenerstreckiing der Oikiimene,
für die bis auf Aristoteles' Zeit nnr mangelhaftes Material vorlag, haben diese unzweifelhaft
zur Grundl age gedient. (Arist. I I , 5, 14.)
Die Fa h r t fand in den J a h r en 326 und 325 s t a t t ; sie ist mir als Auszug in den '\rh,Kri
Arrians enthalten. Vgl. C a m p e , Near chus (Philologus IV [1849], 125 f ) ; V o g e l , zn Nearch
von Kr e t a ( J ahrbuch für Philol. CXXI [1880], 813 — 820). — Übe r Androsthenes, Onesikritos,
Kleitarchos, Anaximenes von Lamps akos und andere aus dem Gefolge Alexanders vgl.
Forbiger Hd b . I, 140—148.
') Mega s thene s , der Gesandte des Selenkos Ni k a t o r , hatte mehrere J ah r e in Indien
zugebracht. Aus seinen Indica besitzen wi r einen Auszug bei Diodor (II, 35—42) und Fragmente
bei Strabo und Arrian. Vgl. S c h w a n b e c k , Megasthenis Indica, 1846; M ü l l e r ,
Fragg. Hist. Graecov. I I , 3 9 7—4 3 9 .
') Pa t rokl e s stand ebenfalls im Dienste des Seleiikos. Über die Schiffahrt auf dem
Oxus vgl. St r abo XI , 518; übe r die Umschiftljarkeit der östlichen Oikuinene Strabo II, 74;
XI, 6 1 8 ; Plin. II, 167; VI, 58; Marcian VI, 619. B e r g e r (Die geographischen Fr agment e des
Eratosthenes, Leipzig 1880, pag. 96) hält die Annahme einer solchen von Patrokles ausgeführten
Fa h r t erst für einen späteren Irrtnni. — Schon vom Kaspischen Meere scheint
Patrokles n u r wenig gesehen zn haben. Wä h r e n d R. R o s i e r (Die Aralseefrage 1873) die
d.imalige Existenz einer Ox u smü n d u n g in das Kaspische Me e r annehmen zu müssen glaubt,
schbesst K, J. N e u m a n n (Patr. und der Ox u s , He rme s XIX [1884], 165 — 185), dass
Patrokles den schmalen Eingang zum Kara Bugas für den vermeintlichen Oxus gehalten
habe. Ebenso K i r c h h o f f (Die Nichtexistenz einer Oxusmündung ins Kaspische i\leer
während des Al t e r tums, Zeitschr. f. wiss. Geogr. V [1884|, 2 7 0—2 7 2 . ) Dass Pa t rokl e s
am Ka r a Bugas gewesen, bestreitet j edoch H . W a g n e r (Patr. am Ka r a Bugas i" Nachrichten
der Kgl. Ges. d. Wi s s . , Göttingen 1885, No. 6, S. 209 — 227).
lieh bedeutsamer mid folgenreicher aber war die nach dem Nordwesten
Europas gerichtete Entdeckungsreise des Massilioten P y t b e a s ,
welcher hinsichtlich seiner Glaub-wi'irdigkeit in Strabo und Polybios
so heftige Widersacher fand. Seine Fahrt an der Britannischen Ki'iste
bis nach dem mystischen Thüle, sowie an der Eestlandsküste bis zur
Elbmündung, wo er von der sich stark nordwärts wendenden Küste
der Jütischen Halbinsel hörte, trug nicht zum wenigsten zur Erweiterung
des geographischen Gesichtskreises ui dieser Richtimg bei.')
Die Lehre von der Erdkugel war über die ersten Stadien ihrer
Entwickelung liinaus. Wenn aber bisher die Vertreter derselben ihre
Hauptarbeit auf die Gewinnmig neuer Gesiclitspunkte und neuen
Beweismaterials konzentriren mussten, so waren diese Vorarbeiten
doch schon so weit gefördert, dass sie sich jetzt auch der weiteren
Aufgabe zuwenden konnten, das Verhältnis 'zwischen Kugel und
Oikumene zu behandeln — die durch die Entdeckungen erfahrungsmässig
erworbenen Einzelthatsachen auf der Oikumene, und mit dieser
auf der Erdkugel, anzuordnen. Neben Aristoteles ist hier sein Schüler
Dikäarch zu nennen. Wie dieser sehr wahrscheinlich an der Erdmessung
von Lysimachia Teil genommen hat, so hat er auch eine
neue Berechnung der Länge und Breite der Oikumene geUefert und
hiermit die -wichtige Frage nach der Ausdehnung der Landfläche auf
der Erde zu losen versucht.'-)
Die nächstfolgenden Jahrhunderte trugen nur wenig zur Erweiterung
der Länderkunde bei. Schon das III. Jahrhundert ist
auflallig arm an bemerkenswerten Entdeckmigsreisen. Abgesehen von
der angeblichen Fahrt des Eudoxus um Afrika, gegen die schon die
Alten gerechten Zweifel erhoben, beschränkte sich die Forschung
wesentlich auf eine genauere Kenntnisnahme der Küstenverhältnisse,
Pytheas wa r ein Zeitgenosse des Aristoteles, der indessen sein Blieb noch nicht
kannte. Das Urteil der mode rnen For s chung ba t sich entschieden zu Gunsten des Pytheas
gewendet. Vgl. M ü l l e n h o f f , Deutsche Al t e r tumskunde , Berlin 1870 I, 211 ff,; A. S c h m i t t ,
Zu Pytheas von Massilia; neuerdings B e r g e r , AViss. Erdkde . d. Gr i e chen, Hei't III, 6—4 1 . —
Die drei für die Küslengestaltiuig Britanniens charakteristischen \ 'orgebi rge scheint er besucht
zu h a b e n , währ end seine Vlitteibingen über Th ü l e mehr auf Hör ens agen be ruhen. Des
Pytheas Fa h r t wu r d e auch für die physische Er d k u n d e von Wi cht igke i t wegen seiner
Beobachtungen übe r Ebbe und Fl u t , übe r die Höhe der ûlittagssonne und übe r die langen
und kurzen Tage.
-) Die spärlichen Fr agment e wu r d en gesammelt von ÛI. F u h r (Dicaearchi Messend
quas supe r snnt coinposita édita et ilbistrata, Da rms t adt 1841) und M ü l l e r (Fr agg. Hist.
Graec. I I , 225). Vgl. Berger (Wi s s . Er d k d e . , S. 4 1—6 7 ) . Üb e r die von Dikäarch entworfene
Landka r t e vgl. Diog. La e r t . ^^ 2, 14.
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