
304 A'. KAPITEL. DER MIKDLS KOVUS.
Die Spanier waren in dem Glauben, dass nunmelir die Saelie
endgültig zu ihren Gunsten entseliieden worden sei. und dass sie sieh
des verhassten portugiesischen Nebenbuhlers lür alle Zeiten entledigt
hiUten. Sic konnten das neue Entfernuiigsmaass von 370 Léguas westlich
von San Antonio um so mehr billigen, als die von Cohunbus
über den Ocean zurückgelegte Strecke last das Doppelte betrug, mid
somit jede Möglichkeit ausgeschlossen schien, dass irgend ein Teil der
gegenüberhegenden Festlandsküste in die portugiesische Litcressensphäre
hinehiragcn köimte. Schon sechs Jahre später stellte sieh jedoch
der Irrtum heraus, als Cabrai in nur geringem westlichem Abstand
von den Kap-Verden die Küste von Brasihen land, die er lür die
Krone Portugals mit Fug mid Recht üi Besitz nehmen konnte, ohne
dass Spanien auch nur Miene machte, diese Maassiiahme zu verhindern.
Und nicht anders stand es mit jenem Teilstück der Nordamerikanischen
Küste, welches Gaspar Cortereal um dieselbe Zeit entdeckt hatte.
Noch mehr aber traten die Schattenseiten des TeilungSA crtrages
von TordesiUas für die spaiüsche Gerechtsame hervor, als der Fall
eintrat, den der Papst im Voraus helürchtet hatte, dass nämlich beide
Gegner bei den Antipoden zusammenstosseii könnten, und alsdann die
Streitigkeit von Neuem ausbrechen würde. Dieses Vorkommnis hat lür
die Geschichte des Weltbildes das besondere Interesse, als hierbei einer
der G rund Irrtümer des mittelalterlichen Vorstelhmgskreises zur Lösung
kam. Spanien glaubte sich den Besitz der Gewürz-Inseln gesichert zu
haben; denn wenn auch die von Colnmbus entdeckten Inseln noch
nicht die richtigen zu sein schienen, so konnten sie doch sicherlich
mcht mehr allzu weit von jenen entfernt sein; jede neue Entdeckungsfahrt
musste Licht in die Frage brüigen. Die Möglichkeit, dass die
Lage der Gewürz-Liselii sich bis über die Demarkationsliiüe bei den
Antipoden westwärts hhiaus verschieben köimte, war nach der A^orstelhuig,
welche man von der, weit die Erdkugel umgreifenden, westöstlichen
Erstreckung des Festlandes hatte, und den neuen Nachrichten,
welche Colnmbus zur Erweismig dieser Thatsache heimbrachte,
durchaus undenkbar. Das Problem wurde einer Lösung
erst entgegengeführt, als die Ergebnisse einer Weltumsegelung von
Sebastian del Cano vorlagen, als zum ersten Mal — mit Bezugnahme
auf den streitigen Bindet — die Gewürz-Liseln, die Molukken, statt
auf dem sonst üblichen Ostweg, vielmehr auf dem Westweg erreicht
wurden, mid erst jetzt der gewaltige Ausschlag der Entfermmgsverhältnisse
auf der Erdkugel so recht vor Augen trat. Aber
trotz alledem war man über die genaue Lage der Inseln noch
STREIT U3I DIE MOLUKKEN. 305
immer nicht einig, da die Längenhe.stininiungen, wie schon hemerkt,
hei den mangelhaften Ilülfsmitteln noch höchst fragwürdig ausfielen,
und somit ein neuer Streitpunkt vorlag; denn nun handelte es sich
für beide Parteien daruui, mit gewichtigen Gründen den Nachweis
zu führen, dass jene Insehi östlicli, beziehungsweise westlich der
Teilungshuie lägen.
Magalhäes hatte in einem Gutachten an den König vor Antritt
seiner Reise die Lage der Molukken auf 182'/., bis 184'/, Grad östlich
der Demarkationslniie fixirt; sie sollten, nach seiner Mehiung, also
noch 2'/.j Grad östlich der Antipoden-Linie liegen uud somit noch
dem spanischen Gehiet zuzuteilen sein, während sie thatsächlich noch
5 Grad diesseits der Linie, also auf portugiesisdiem Gebiet, liegen.
Sebastian del Cano setzte sie hingegen nach den von ihm angeblich
gemachten Beobachtungen sogar auf 15G Grad westlich, d. Ii. also
204 Grad östlich über die Linie liüiaus,') und hieran festhaltend,
wollten die Spanier sich nicht allehi die Molukken, sondern noch die
Philippinen, Java und euieii Teil von Sumatra zirsprechen. Der Streit
konnte auch durch die von beiden Staaten gestellte Junta von Fachleuten,
die im Jahr 1525 auf der Brücke des Greuzllüsschens Caya
tagte, nicht beigelegt werden, da man sich weder über den Anfangspunkt
der Gradzählung, noch über die Grösse eines Aquatorgrades
zu einigen vermochte.') Erst das Jahr 152!) hrachte die Frage zum
Abschluss, indem Spanien, durch die politischen A^erhältnisse gedrängt,
die Molukken für 350 000 Dukaten an Portugal verpfändete. —
Während his zum Jahr 1498 die von den Spaniern entsendeten
E.xjieditionen nach der Neuen Welt unter Leitung des Cohunbus stattfanden,
hören wir seitdem von einer Reihe anderer Piloten, von
denen einige bereits an den frühereu Fahrten des Cohimbus Teil
') Da die Deinailtationslinie im .-Vtlantisclien Ocean etwa in den 4G. Gr ad we s t l i c l i
von Greenwicli fällt, so wü r de die .Antijiodenlinie im 134. Cirad ö s t l i c h von Greenwich
liegen. Magalhäes verlegte aber die Molukken noch da r übe r hinaus, in 13G — 1 3 8 ° östlich
von Greenwich. A'gl. hierzu Baum a. a. 0 . S. 33.
2) Da die Linie nach dem A'ertrage von TordesiUas 370 Léguas westlich der Ka p -
Verden liegen sollte, so wollten die Sjianier die Zählung von der westlichsten Insel der
Gruppe San Antonio beginnen, die Portugiesen dagegen von den östlichsten Inseln Sal und
Bonavista. Diese verlegten daher die Molukken 137 Gr ad westlich von .Antonio, j e n e aber
183 Gr a d , so dass die Lagenbcstimmvmg tun 46 Grad ditferirte. — Ebenso gingen die
Ansichten übe r die Grösse des .Aquatorgrades auseinander. Die Spanie r entschieden sich
natüilich für das kleinere ]Maass von 14Va Légua s ; denn dadurch blieb die Demarkations -
linie bei den Antipoden ein Stück weiter westlich, die Portugiesen für das grössere von
I7Y2 Léguas, A'gl. über die Gradgröss e in damaliger Ze i t , Baum a. a. 0. S. 38 If.
K r e t s c l i m e r . Entdeeliunf; Amerilia's, 39