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172 III. KAI'ITEL. DIK KEXNTKIS VOM ATLANT. OCEAN A^OIT COLUMIIUS.
<lie Lrde dreimnl im Jalire honig.süsse Frucht scheidet.«') Diese
MccKc^pui, vwc. sind nur ein anderer Ausdruck fiir die Elvsisclien Gehlde
der Odyssee; sie sind ohne Zweifel Dasselbe, nur anders henannt.=)
Ebenso wenig wie für diese, hatte man für jene eine
l.estimmte Ortlichl;eit im Auge. Sie waren lediglich in der Phantasie
geschairen; aber die spätere Zeit hess nicht ab, üiren Namen an
eine vorhandene Inselgruppe zu knüpfen, so wenig die pliysische
lieschallenheit die blühenden Schilderungen, welche die Dicliter von
jenen glücklichen Eilanden entwarfen, zu bestätigen vermochte.")
Demselben Vorstellungskreis gehören meines Erachtens auch die
Erzählungen von jener fruchtbaren, durch die Natur reich geseoneten
In,sel an. welche wir bei Di o d o r mid in einer ps eudo- aTi s tot e l i -
s d i e n Se l i r i f t lesen.') Ausserhalb der Säulen des Herakles hatten
Xarthager eine verlassene Insel entdeckt, reich an Wahhmgcn mid
Iriichtliaumeii und schiffharen Flüssen, nur wenige Tagefahrten xom
lestland entfernt. Angelockt von den Reizen des Eilandes, hatten
einige Karthager sich augesiedelt; aber die ängstlich um ihren kostbaren
l u u d besorgten Leiter des Karthagischen Staatswesens rmtersagten
fortan jedem Bürger bei Todesstrafe, dorthin überzufahren und
sie Lessen auch die früheren Kolonisten beseitigen, um ja mcht die
Kemitms von der Existenz einer solchen Lisel nach dem Festland
dringen zu lassen und bei einem anderen Volk die Lust zur Besitzergreifung
dersellien zu erregen. Ein bestimmter Hinweis auf die
Insehi der Seligen ist nicht vorhanden, aber Alles nötigt uns zu der
Annahme, dass die nun einmal verbreitete Vorstellung von reich «esegneten
Wohnorten ausserhalb der Säideii des Herakles zu solchen
Erzählungen Veranlassmig gaben. Das geheimnisvolle Gebaren seitens
der Phöniker, welche von den fernsten Ländern des Erdkreises stets
nnt reichem Gewinn heimkehrten, trug nicht zmn wenigsten hierzu
bei. Die ängstliche Wahrmig der entdeckten Produktionsquellen
') llesiotl. oj)p. et dies 166 — 173.
=) Ho h d e _ a . a O. 98. - Pinda,- Ol ymp . I I , 127: f Ä ,
accus, plui-al.) cxsnnSse n - j m - s3„ iAoi - i f .
') -Äliulich wie die Kassilel-ideu, wu r d e u sie au ve r s chi edeuen Stellen ge sucht . Noc h
Sh-abo setzt d,e Kassiteriden .nih-dlicl. vom Ha l en d e r Ar t a b r e r in d e r hohen Se e - an
( b b . I I I am Sc h l u s s ) , und Pl inius (bist. nat. IV, 36) thut einer Me i n u n g E rwä h n ,mg , wona c h
man dtese Inseln l ü r die Inseln d e r Seligen hielt. Exadverso CMb^iae co,„plures sunt insulm,
(-a.,s.ter^des d.ctae Graeci,, a fertilitate plumbi et e rcgionc Atreharum pro.ncntorii, Derkum sex
q,ms ayu, Fortunatas appeUavere. \ g l . noch ,1. L e l e w e l , die En t d e c k u n g e n d e r Ka r t h a - e r
luid Gr i e chen auf dem Atlantischen Oe e a n , Be rhn 1831, S. 134 f.
' ) n i o d . Sicul. V, 19, 20. Aristot. de mi r abi l ibus aiiscultatu, c. 84.
DIE INSELN DER SELIGEN. 173
wird uns auch sonst lierichtet; der auf seinen Handel eifersüchtige
Pliöniker liess sein Schiff lieber auf den Strand treiben, als dass er
dem nachfolgenden Römer den Weg verraten hätte.') Wir können
bei der IMangelhaftigkeit des Berichtes bei Aristoteles und Diodor unmöglich
weitergehendere Folgerungen ziehen, und daher sind alle A^ersuche,
die erwähnte Insel mit einer der Liselgruppen im Oeean oder
gar — wie dies auch vielfach geschehen ist — mit Amerika zu identiflziren,
von der Hand zu weisen.-)
Es hatte sich jedenfalls die Meinung von der thatsächlichen
Existenz der Inseln der Seligen immer mehr und mehr befestigt. Nach
dem Niedergang der Partei des Marius (im Jahr 8 v. Chr.) hoffte
Sertorius auf ihnen einen Znfhichtsort zu finden. An der Mündung
des Baetis traf er Schilfer, die angeblich von den Insehi herkamen
und die Fruchtbarkeit und Lieblichkeit derselben in verlockender
Weise schilderten. Sie sprachen aber nur von zwei Inseln, die durch
eine Meerstrasse geschieden würden und an 10 000 Stadien von Libyen
entfernt wären.')
') Von einem solchen Fall spr i cht St r a b o (1. I I I , fin.): «Als die Köme r einst einem
Phöniker na cbs chi f f t en. um auch die F a h r t (nach den Ka s s i t e r iden) k e n n e n zu l e r n e n , liess
dieser aus Ne id sein Schiff auf e ine r Untiefe absichtlich s t r a n d e n , wo r a u f die ihm Na c h -
segelnden dasselbe Schicksal ha t t en. Er selbst r e t t e t e sich aus d em S c h i f f b r u c h und e rhi e l t
vom St a a t den We r t d e r aufgeopf e r t en Wa r e n e r s e t z t . -
Es lohnt sich ni cbt , ü b e r die unsinnigen Hy p o t h e s e n dieser Ar t ein Wo r t zu v e r -
lieren u n d die Name n i h r e r A'ertreter zu nennen. Humb o l d t (Kr i t . Un t e r s . 1, 130) k ommt
gelegentlich auf sie zu spr e chen. — Bei dicsei- Ge l egenhe i t sei auch an a n d e r e ve rme int l i che
Berührungen mit .Amerika e r inne r t . Paus ani a s (I, 23, 7) erzählt von einem gewi s s en Eu p b emo s
von Ka r i e n , we l che r d u r c h S t ü rme in das äus s e r e ]\leer verschlagen wo r d e n und auf e ine r Insel
gelandet s e i , die von rot en Mens chen bewt ibnt gewe s en wä r e ; j e n e Ins e ln nannt en die Schi f f e r
die Sa tyr iden. Es hat natürlich an I n t e r p r e t e n nicht ge f ehl t , die eine b e s t immt e An s p i e l u n g
auf Ame r i k a hierin ei-kennen zu müs s en g l a u b t e n ; denn nichts ist j a k l a r e r , als das s j e n e
S a t y r i d e n - I n s e l n n u r die Antillen sein k ö n n e n , und die rot en Bewo h n e r de r s e lben die I lot -
häute(!) — A'on ähnl i chem AVert ist die Er k l ä r u n g e ine r Stelle des Cornel. Ne p o s (bei
Pomp. !Me I aHI , 5 fin.), wo n a c h zum Gallischen P r o k o n s u l , Metellus Ce l e r , I n d e r k ame n ,
die d u r c h Unwe t t e r na c b Ge rma n i e n verschlagen wa r e n . (Oum Galliae pro consale
[^letellus Celer] praeesset, Indos quosdam a rege Baetorum dono sibi datos; unde in eas terras
devenissent requirendo cognosse vi tempestatum ex Jndicis aequtyribus abreptos emensosqiie, tpiae
intererant, tandem in Germaniae litora exisse. Ähnlich bei Plin. hist. na t . I I , 67). AA'ährend
Mela sich die I r r f a h r t j e n e r I n d e r of f enba r auf dem AVege östlich u n d nördl i ch um Asien
herum bis zur Kü s t e Ge rma n i e n s vor s t e l l t , haben Sp ä t e r e sie als eine F a h r t ü b e r den Oc e a n
gedeutet u n d sehen in den Inde r n Es k imo s aus L a b r a d o r ! Es ist übr igens zu b eme r k e n ,
dass bereits Goma r a (Hist. de las I n d i a s , f. 7) u n d Wy t l l i e t ( l ) e s e r ipt . Ptol ema i c a e a u gm.
1597, S. 190), diese Ve rmu t u n g aus spr a chen. Humb o l d t , kr i t . Unt e r s . I, 472 ff.
') Pl u t a r c h, vit. Se r tor . , c. 8 3 ; F l o r u s H l , 2 2 , we l c h e r den Se r t o r i us die Inseln
erreichen lässt, wä h r e n d er nach Plut a r ch von cilicisehen Se e r ä u b e r n nach Alauritauien
geschleppt wi rd.