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256 IV. K.\PITEI.. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUVIBl.S.
der Grösse iler Erdkugel und der Oikumene, gaben liier den Ansseblag;
jene erste Hauptfrage wurde d.ilier in verseliiedenem Siiiii benntwortet.
Es ist mitliiu ziemlieli überllüssig, zu erörtern, wem die Priorität
des Gedankens einer "Westfabrt eigentlicli zukomme, ob Toscanelli, ob
Columbus, oder irgend einem Anderen. Man hat aus dem Brief,
welchen Toscanelli an Cohimbus schrieb, herauslesen wollen, dass
Dieser vor Jenem das Problem aufgeworfen balien müsse, dass
erst, nachdem Colnmbus seinen Plan der Krone Portugals vorgetragiai
habe, König Alfons aufmerksam gemacht worden sei mid Toscanelli
um ein fachmässiges Urteil habe ersuchen lassen. Dagegen haben Andere
vielmehr Toscanelli. noch Andere hinwiedenun Martin Behaim oder
Leonardo da Tinci als den geistigen Entdecker Amerika's bezeichnet
wissen wollen. Mit demselben Recht köimte man aber auch Aristoteles,
Posidonius mid Seneca als solche ansehen. Der Gedanke war eüi viel
zu nahe hegender, als dass er nicht gleichzeitig von IWehrereii hätte
gefasst sein sollen, mid das Ilaiiptverdienst kommt euizig und allein
Demjenigen zu, der über die theoretischen Betrachtungen hinaus zum
ersten Mal an die praktische xiusfidirung ging: und dies war Ch r i s t o p h
Colli mbus.
Gleichwohl hat es nicht an Solchen gefehlt, die ihm dieses Verdienst
streitig gemacht haben. Lbiter dem Deckmantel, die Wahrheit
zu erforschen, haben sie Alles gethan, die Frage zu verdunkeln, statt
sie aufzuklären, wofern hier eine Aufklärung des offen daliegenden
Thatbestaiides überhaupt nötig ist. Aber wie heute, so lagen die
Verhältnisse schon damals. Der Prozess des königlichen Fiskus gegen
Diego Colombo legt das licste Zeugnis hierfür ab, wclche spitzfindigen
Einwände erhoben und ausgeklügelt wurden, den Ruhm des Entdeckers
zu verkleinern und ihm die Priorität der Auffindung des
westlichen Seeweges allen Ernstes abzusprechen. So komite es nicht
ausbleiben, dass schliesslich auch die Zeitgenossen über den wahren
Sachverhalt irre geführt wurden, und Gomara sogar die Bemerkung
fallen liess, dass man doch, im Grunde genommen, nicht angeben
könnte, wem die erstmalige Entdeckung des Neuen Lidien zu verdanken
sei.')
Von einem durchaus anderen Standpunkt haben wir dagegen die
weitere Frage zu prüfen, in wie weit die Entdeckungsfahrten des
Cohimbus für die Fortentvvickelung der allgemeinen kosmogTaphischen
Vorstellungen von Bedeutung gewesen sind, in wie weit gerade Cohimbus
Hist. de las Indias f. X : . . . pues nm, sabemos quien de poco aca haUö las Indias que
tan senalada y nxieva Cosa es.
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ZIEL DES COLUMBUS. -ü '
.selbst seuie eigenen Entdeckungen in i'bercinslinnnung mit der damahgen
Auffassung des Weltbildes fand, — und wie fern Uini der
Gedanke lag, ehien neuen Kontinent gefunden zu haben. Es darf
durchaus nicht in Abrede gestellt werden, dass iu Cohunbus Ehrgeiz
und Eitelkeit zum grossen 'Feil die Triebfedern wartai. welche ihn so
zielbewusst und so hartnäckig den einmal gefa.ssten Plan verfolgen
liessen. Dass aber die materiellen Interessen bei ihm weitaus vorherrschten,
das hat er sattsam durch seine Verhandhmgen bekundet,
die sich nur wegen seiner übertrieben hohen Anfortlernugen so häufig
zerschlugen und die scldiessliche Ausführung des Planes hinausschoben.
Indien, d a s La n d de r Sp e z e r e i e n, von dessen Goldreichtiiin
Marco Polo so verlockende Schildcinngen gemacht hatte, war das zu
ersfrebentle Ziel sehier Wünsche. Nichts lag ihm ferner, als euien
neuen Weltteil zu entdecken; sein Plan war eiiigestandenermaassen
einzig und allein der, die Lä n d e r des Ostens auf dem v e rme i n t -
l i ch n ä h e r e n We s twe g e zu e r r e i chen. Gerade diesen Gedanken
hebt Colnmbus üi der au die Spanischen Majestäten gerichteten Einleifnng
zu einem Schiffs-Tagebuch ganz besonders hervor, wenn er
dort schreibt: »Eure Hoheiten . . . gedachten mich, Christoph Cohunbus,
ui besagte Gegenden Indiens zu schicken, um die gciiaimten Fürsten,
A^ölker und Länder kennen zu lernen und zu erkunden, wie man dort
unseren heiligen Glauben einführen könnte. Sie befahlen mir, nicht
zu Lande nach dem Osten zu gehen, wie dies sonst geschehen ist,
sondern vielmehr den AVeg nach AVesten zu wählen, und Sie hiessen
mich . . . mit eüier angeme.sseiieii Flotte die besagten Teile Indiens aufsucheii.
«') An keuier Stelle hat Colnmbus jemals der Alöglichkeit
Raum gegeben, dass ein neuer Kontinent sich finden könnte; er hatte
auch gar kein Interesse dtifür, eine derartige Frage zu erörtern, deiui
Alles zog ihn nach dem Goldlaiid Lidien hin. Als er auf seiner ersten
Fahrt am 19. September bereits um ein Bedeutendes über die letzte
Azoren-Insel hüiaiis vorgedrungen wa r , glaubte er Anzeichen von
neuen Inseln zu erkeiuien; aber er wollte seuie Zeit nicht mit Lawiren
lunbringen, trotzdem er von der Existenz dieser Insehi, die sich dort
im Norden und Süden befinden sollten, überzeugt war, sondern er
steuerte geradenweges auf Indien los. »Das AVetter ist gTit, und, so
Gott will, wird sich ja bei der Rückkehr Alles zeigen.« Dies suid
N a v a r r e t e , Coleecion de los Ma g e s , I, 2. Hierzu vgl. eine Stelle bei H e r r e r a ,
Historia de las Indias oecidentales, dec. I. 1, cap. 6: buscar el lecante por el poniente . . . pasar
d donde nacen las especerias nacegajulo al occidente.
K r e t s c l i m e r . Kutdeckung Amerik.Vs. .33