
242 IV. K.A.PITKL. DAS WHI.TBILI) Zi lt ZKIT DES COLUJIBUS.
Zu ihnen gehört eine von Oviedo') mitgeteilte iM-zählnnowonaeh
ein l'ilot dui-eh anhaltende Ostwinde naeh Amerika ver-
.sehlagen sein sollte. Kaeh Europa zurückgekehrt, sei er bald darauf
im Ilaase des Cohunhus gestorben, welchem er unter Hinterla.s.sunneiner
karte und seines Tageliuches das Geheimnis anvertraut haben
•sollte. Die Geschichte fand jedoch schon bei Oviedo wenig Glauben
irotzdeni Avurde sie viellach wiederholt, und Garcilaso de la Veo-a
weiss sogar als das Datum der Keise das Jahr 1484 mid als den
Entdecker den Piloten Alonso Sa i i chez von lluelva zu bezeichnen.
Das Aufkommen derartiger Erzäldmigen wurde nicht znm
^^•enlgsten durch üeobachtungen gefördert, welche die Bewohner der
Azoren gemacht haben. Die Ilistorie melden uns mehrlach, dass von
Jlenschenhand bearbeitete Hölzer, unbekannte Schilfgewächse, ja
sogar menschliche Leichen mit einem noch uiiljekannten'Gesichtst'vpus
von den AVellen des Oceans an den Strand gespiUt sein sollten' —
Erziihlungen, die sehr wohl auf Wahrheit beruhen können.') ' In
ihuen hatte man die handgreiflichsten Beweise für die aus theoretischen
Gründen gefolgerte Niilie der Ostküste Asiens; »denn da
nirgendwo bei mis zu l.aiide derartige Schilfrohre wachsen, so hielt
man es für gewi.ss, da.ss die AVinde sie von nahe liegenden Inseln
lierübergeführt haben, oder sogar von Lulien selbst«.
Die abenteuerlichen Seetahrten nach dem unbekannten AA'^esten,
die wieder und immer wieder auftamdienden Gerüchte von iieuen, aus
der Ferne gesehenen Ländern und Liseln, von denen oben bei der
Antillia-Sage (S. 11)8 If.) schon berichtet worden ist,') nurssten der
grossen Menge durchaus glaublich erscheinen, mid es kann nur
befremden, dass auch noch in unserer Zeit kurzsichtige Historiker diese
Schillermärehen für bare Münze nehmen wollen.
Ein Schiller der Stadt Dieppe, J e a i i Cousin, A^nirde, angeblich
im Jahr 1488, auf einer Fahrt nach Afrika in der Höhe der Azoren
durch die Aquatorial-Strömung westwärts getrieben und landete in
ehiem bis dahhi unbekannten Lande, nahe der Mündung ehies grossen
Flusses. Man hat hieraus schliessen wollen, dass er nach Brasihen
uiicl^an die Mündung des Amazonen-Stromes gelangt sein müsse.
') De la natural l.ystoria ck las Indi,as, I I , cap. 3. - Vgl. f e rne r G o m a r a , Ilistoria
général de las Indias, t. 15; Pe t rus Ma.-tyr, Bernaldez und I l e r r e r a e rwähnen sie dagegen nicht
») Hi s tor i e , cap. 0, S. 19, 20.
' ) Die E,.Zählungen des .\ntonio Leme von Made i r a , eines anderen Piloten unbekannt e n
Namens, des Gahciers Ped ro \-elas<pies tmd des Portugiesen ^'ieente Diaz von Tavi ra brin.ren
ebenfalls die Historie , c. 9. Vgl. im Allgemeinen noeh bei Ha r r i s s e , Chr. Colomb, das
Kapitel; Les pr é cur s eur s de Colomb.
ANGEBI.ieiIE ENTDECKUNC. AMEIilKA'S DÜHCII BEHAIM. 243
Aber die Mangelhaftigkeit des historLschen Nachweises hat die Eizälduiig
wenig glaubhaft erscheinen hissen, und .sie hat auch nur im
französischen Lager ihre Aiiologeten gefunden, welche ihren Landsmann
als den eigeiitlichen Entdecker Amerika's auszuspielen versuchten.")
Nicht anders verhält es .sich mit JMartin Be h a im, dem man
ebenfalls die erstmalige Auflindung des Neuen Kontinentes hat zuschreiben
wollen. Es beruht tlie,sc Annahme lediglich auf einem
IMi.ssverständuis, wenn nicht sogar auf ehier absichtlichen l'bertreibuiig
eines Altorfer Professors, Job. Ch r i s t o p h AA'agenseil, welcher, in
ehieiii lateinischen Panegyricus zu Ehren eines Nachkommen Behaim's,
im Jahr 1()82 die Verditurste der Familie hervorhob und bedauerte,
dass der Name Behaim's, als des Entdeckers von Amerika vor
Cohmibus, noch nicht hinreichend anerkannt und gefeiert worden sei.
Indessen, die beiden Nürnberger l'rknndeu, auf die AVagenseil sitdi
beruft, sind nichts weniger als beweiskräftig, und somit kann man
seinen verkehrten Folgerungen kaum einen A\"ert lieimessen.'-')
M Haupt([uel!e ist D e s m a r q i i e t s , Mémoire chronologique p o u r servir à l'histoire de
Dieppe et de la navigation fram;aise, Paris 1785, 1, 92. Da Cousin anf seiner Fahr t einen
Spanier, \'ieente Pinzon, bei sieh gehabt hatte und anderseits auch Colnmbus einen solchen
nnter seinen Begleitern zählte, so wollte man aus der Identität beider Personen auf eine
Übermittelung der Cousin'scben Entde ckung nach Spani en, speziell an die Person des
Colnmbus schliessen. So folgerte es zuerst E s t a n c e l i n (Reeherclies Sur les voyages et
découvertes des n.avigateurs No rma n d s . . . en Amérique , Paris 1832). Vgl. auch V i t e t ,
Histoire de Di eppe , Paris 1833, 11. Am meisten hat G a f f a r e l diese Annahme aufrecht zu
erhalten gesneht (in den Rappor t s de rAméri([ue et de l'Ancien Continent, S. 314 ff.;
Découverte du Brésil pa r J e an Cousin, Pa r i s 1874) und sie neuerdings ohne Glück nochmals
behandelt (Les découvreur s Français du XIV. au XVI . siècle, Pa r i s 1888).
In der Lobr ede "\V\agenseirs (Sacra parentalia, qua e Manibus . . . Frideriei Behaimi . . .
persolvit J. Ch. Wagens e i l ius , ante diem X\ '1I . Augusti 1682) lautet die fragliehe Stelle: Ha
noster entlunis Martinus, cum conatus eins tarn prospéré cessissent, liaud contenius Farjalem (Insel
Fayal) . . . . detexisse, per Oceanum Alanticum hac illac amws plusculos oberrans, ante Clirlstopliorum
Columbum Americae Insulas, ante Ferdinandum Magellanum /return, quod ab eo cognomentum
habet, pervestigavit Sed Columbum quidem et Magellanum ingens fama per omîtes huius
universipiagas, plenis buccis, Nostrum, qui Dûs maris proximus constitui debebat, nulla circumfcrt.
Eine Stelle in H a r t m a n S c h e d e l ' s Nü r n b e r g e r We l t -Ch r o n i k von 1493 schien diese Ansieht
zu rechtfertigen, wo es heisst, dass Behaim und Diogo C:io im J a h r 1482 auf einer Entde ckungs -
fahrt längs der We s t k ü s t e Afrika's nach Übe r s chr e i tung des Äquators in eine ande r e We l t
(alteram orbem) gekonmien seien. Vgl. hierzu H. H a r r i s s e , Bibliotheca Americana
vetustissima, a Description of wo r k s relating to America published between the years 1492
and 1551, New-Yo r k 1866, No. 13. — Übe r die angebliche En t d e c k u n g der Magalhâes-Strasse
durch Behaim wi r d unten zu sprechen sein. — Die beiden Nü r n b e r g e r Ur k u n d e n , sowie
die von Wagensei l ange führ t e Stelle aus der Geographia et hydrogr aphi a r e forma t a des
Job, Bapt. liiccioli, nach der sich Colnmbus auf Mitteilun.gen Behaim's gestützt haben sollie,
bespricht Ghillany (Geschichte des Se e f ahr e r s , 51. Beha im, S. 49 f.). — Viele nahmen die