
1 8 G III. KAPITEL. DIE KENNTNIS A O.-« ATLANT. OCEAN VOR COLU.MBUS.
Namen vor. Die berülinUe Karte von La Ca v a , und eine andere in
Siena, vekdie den Namen des :)Littliens P r u n e s trägt (Atlas,
Talel R' , No. G), legen liiertnr Zeugnis ab.')
IV. Die Braiidaii's-Insel.
l e r Glaube an die nocli Ibrtbestebejule PLxistenz des irdi,schcn
II Paradieses hat zu allen Zeiten des Mittelalters die Phantasie
^rege erhalten. Wollten Einige unter den Kirchenvätern es
^Piinr spirihmlitei' (also im Himmel) aufgefasst wissen, so
suchte es doch die 31e]irzahl allen Ernstes auf der Erde: corporaUler.
Es sollte im Osten liegen, wie es in der Bibel heisst. Aber der We g
dorthin war schwer zu finden: unübersteigliche Gebirge, undurchdringliche
Sandwüsten, feurige Mauern, oiler auch der Ocean .selbst,
erschwerten überdies die Reise.
') Hinsichtlich d e r l ^ s i r t e v o n La C. i v a (so g e n a n n t nach de r Benedikliner-.Ablei beim
Dorfe Cori)o di Ca v a , nördl i ch von Salei'no) bin ich zu einem überi-aschenden Re sul t a t
gekonnnen. Die Ka r t e n n d a s s t das Mi d e lme e r u n d tlie .Atlautiscbe Kü s t e ; leider be f inde t
sie sich in einem so mange lha f t en Zu s t a n d e d e r Ko n s e r v i r u n g , das s von den Le g e n d en in
scluvarzcr Schr i f t die a l l e rwenigs t en lesbar s i n d, wä h r e n d die in rot e r Schrift sich fast sämtlich
noch e r k e n n e n lassen inid gegen den übr igen v e r s c hwo n u n c n e n imd v e rwa s c h e n e n Teil s t a r k
abstechen. Kbenso ist von d e r Unirisslinie d e r Küs t e an vielen Stellen n u r noch ein
Schimmer da. Le i d e r ist, auch die Le g e n d e am linken Ra n d de r Ka r t e , in ivelcher d e r
\ ' e r f a s s e r , sowi e Or t und .Jahrzalil g e n a n n t wa r e n , d u r c h a u s unl e sba r g ewo r d e n , bis auf den
einen Anf angsbuchs t aben J I , d e r in r o t e r F a r b e ge s chr i eben ist u n d sich de sha lb e rha l t e n
hat, Ub e r das Al t e r d e r Ka r t e gingen die .Aleinungen we i t a u s e i n a n d e r ; sie ist stets f ü r
älter gehalten wo r d e n . De L u c a (Ca r t e n.autiche del inedio evo di s egna te in I t a b a , Atti
d e l r Ac c adenüa I ' o n t a n i a n a , Xapol i 1866) wollte sie s o g a r in's XIV. J a h r h u n d e r t setzen,
U z i e l l i - A m a t ( S t u d i l l , No, 4 1 , S, 70 f.) in die erste Hä l f t e des XV. , Th e o b . F i s c h e r
(Sammlung mittelalt. Ka r t e n , S, 45 f ) . in die Mi t t e des XV. , we n n nicht noch s j i ä l e r - .
Allerdings g e h ö r t sie einer noch viel spä t e r en Zeit a n , nämlich d e r Mi t t e des XVI . J a h r -
hunderts. — Es ist mi r nämlich ge lungen, ein zweites Ex emp l a r dieser Ka r t e in de r B i b l i o t e c a
C o m u n a l e zu S i e n a (.S. No. 1, 3) a u f z u f i n d e n , welches v o r z ü g h c h erhalten ist, (Einzelne
Teile d e r Ka r t e bietet u n s e r At l a s , Ta f e l IV, No . 6 u n d 6. Im Verzeichni s von t i z i e l l i -Ama t
fehlt diese Ka r t e . ) Ni c h t allein sind sämtliche Name n , auch die in s c hwa r z e r Schr i f t , deutlich
zu l e s en, auch die .Situations-Zeichnung, ist e rha l t en, u n d die Au t o r - L e g e n d e mi t de r .lahreszahl
lässt sich n a c hwe i s e n : M a t h e u s P r u n e s me f e e i t in c i v i t a t e m a j o r i c a c u m
a n n o 1553. Diese Ka r t e ist mit j e n e r von La Cava inhaltlich d u r c h a u s identisch. Eine Paus e ,
die ich von den noch ei-kennbaren Te i l en des l e t z tgenannt en Ex emp l a r s ange f e r t igt h a t t e , ü b e r -
zeugte mich h i e r v o n , als ich s p ä t e r mit ihr das Sienesische Ex emp l a r verglich. Die Übe r e instimmung
zeigt sich nicht n u r in den Mi n i a t u r - F i g u r e n , s o n d e r n auch be sonde r s in j e n e m
DIE RRAND.\N'S-LEGENDE. 187
Wie im fernen Osten, so waren aucli im oceanischcn Westen
phantastische »Wu n s c h l ä n d e r « entstanden. Peminiseenzen an die
Lisehi der Seligen und die Gärten tier llesperiden wirkten noch lebhaft
fort, und religiö.sc Begeisterung schuf nacli diesen Vorbildern neue,
dem christlichen Anschainingskreis sich besser anpa.ssende Fabel-
Länder.') Zu ihnen gebort auch jenes Eiland, von dem uns euie
irische Legende berichtet.
Zu Sauet Brandau, dem Abt von Cioufert (Chianfert),-) kommt
Bruder Barintus und findet lici ihm gastliche Aufnahme. Er erzählt
ihm imd seinen Mönchen, dass seni Jünger IMernoc fern im westlichen
Ocean, auf einer einsamen Insel, mit Namen DeUc'ma, ein beschauliches
EiiLsiedlerlebcn führe. »Als ich ihn dort bt>.suchte«, so
erzählt Barüitus, »durch.scliweiften wir Beide die Insel, bis wir an die
dem offenen Ocean zugekehrte Westküste gelangten. Iiier forderte
mich Meriioc auf, ein bereit liegendes Scliilf zu liesteigen und ihm
nach einer IiLsel zu folgen, welche das »Land der Vcrheissiing«
(Terra repromissionis Sanctornm) genannt würde.« Durch einen dicken,
undurchdringlieheii Nebel gelangten sie scblies.slich zu jenem Land,
dem Aufenthaltsort der Heiligen, welches zu betreten sie durdi götthche
Eügung gewürdigt waren.
Angeregt durch diese Erzähhmg, macht .sich auch Brandau mit
vierzehn Mönchen") auf den We g, das Ltind der Vcriieissuiig aufzusuchen.
Es beginnt eine .siebenjährige liTlahrt auf dem unwirtlichen
Ocean von Insel zu Insel, welche die christliche Legende mit wundereigenartigen,
nordi s chen .'Vrchijiel, übe r we l chen unten im I \ ' . Kapitel ge s prochen we r d e n soll.
Die Ka r t e von La Cava ist also ebenfalls ein We r k des Ma t h e u s P r u n e s , wo f ü r übe rdi e s
das noch l esbare Initial :M in d e r . \ u t o r - L e g e n d e spr i cht . — Von diesem Dlathcus P r u n e s
sind uns noch ande rwe i t i g Ka r t e n erlialten. S o : eine Ka r t e von 1559, ebenfalls in Si ena
(S, No . I, 4 ) ; eine a n d e r e von 1560 im Mus eo Civico zu A'enedig (Por tol an No , 18) ;
ferner von I 5 8 I in P a rma (Uz i e l l i -Ama t lasen irrig den Name n G r i u s c o ( ! ! ) statt P r u n e s ) ;
endlich eine von 1588 in de r Na t i o n a l -Bi b l i o t h e k zu Pa r i s .
') Man ha t zwi s chen den Inseln de r Seligen de r Alten u n d d e r hebr ä i s chen Pa r adi e s -
Legende be s t iuuute Be z i ehnngen e rkenne n w-olleu, die bereit s in das Al t e r tum z u r ü c k g r e i f e n .
So hielt C r e d n e r (in Illgen's Ze i t s chr . f. histor. Theologi e AT [ 1 8 3 6 ] , 1) die hebr ä i s che S<age
f ü r ein Er z eugni s d e r Hi e r a r chi e u n d e r k l ä r t e sich die Üb e r e i n s t immu n g mit d e r gr i echi s ehe n
Sage d a h i n , das s beide aus de r s e lben Quelle s c h ö p f t e n . Diese Quelle sieht er in den fabelhaften
Be r i cht en phöniki s che r Schitfer, die es aus I l ande l s e i f e r suc i it absichtlich so da r s t e l l t en,
dass d e r Zu g a n g zu j e n e r westlichen be s s e r en We l t von Got t Versehlossen sei,
Brandau ode r Br e n d a n lebte um die Mitte des \ 1. J<ahrhunderts. Er s t a r b am
16. Dlai 576 ode r 577.
Unfer ihnen be f and sich auch St. i l a l o ode r Ma c lovius , Bischof von Aleth in Ar -
morica, ein Schül e r Br a u d a n ' s , von dem ähnl i che I r r f a h r t e n e r z ähl t w-erden. Do c h wi r d
seine Anwe s e n h e i t bei Br a n d a n ' s F a h r t f ü r eine s p ä t e r e Int e rpol a t ion e r k l ä r t .
24'