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- M 4 III. KAPITEL. DIE KENNTNIS VOM ATLANT. OCEAN VOU COLrjIBUS.
VI. Bmsil und andere Fabel-Inseln.
^io wir nicht melir in der Lage sind, die Überti-agimg des
|-Nainens der Lisel Antillia auf die Westindischen Liseln
™ verfolgen, so ist das Gleiche mit einer anderen
Lisel der Fall, deren Name ^viederholt auf den Karten
des XIV. und XV. Jahrhunderts auftaucht imd schliesslich als Ländername
auf dem amerikanischen Festland haften geblieben ist: es ist
die Insel Br a s i l .
Es hat von jeher viel Schwierigkeiten gemaclit, den X\amen
Brasil in seiner gesonderten Stellung auf dem Atlantischen Ocean zu
erklären, da dieser X'ame, als Bezeichiiimg eines sehr geschätzten
Handelsartikels, uns vielmehr nach Osten weist, nach den Ländern der
Spezereien und Gewürze. »Brasil« hiess eine Gattung roten Holzes,
welches man zum Färben von Wolle benutzte, luid als dessen Ür-
.sprungsland Malabar, und der ludische Archipelagus bezeichnet wird.
Bereits die Araber haben es gekannt, deim Edrisi führt es unter dem
Xamen bakkam an, was mit bresilhim identisch ist;") diese Übereinstimmung
bezeugt auch der hebräische Grammatiker David Kimchi
(XH. Jahrhundert), welcher die Bezeichung jenes Holzes als Brazili
oder üerzili nur als eine Entstellung der Abendländer aus dem arabischen
Albaccam und dem hebräischen Algimmim erklärt.') Bei den
Occidentalen linden wir es zuerst als grana de Brasüe hi zwei italienischen
Handelsurkunden aus den Jahren 1193 und 1198') und iu
katalamsehen aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts.') Auch
Marco Polo erwähnt es unter dem Namen Brazil mehrmals und bespricht
sein Vorkommen auf Sumatra, Nekuveran (Nikobareii) und
') Humboldt , ivrit. Unters. I, 439 — 416; Edr i s i , ed. Jaidjert I, 201; ferner bei
.Abulfeda, Ibn Ba tut a , Yakut .
») Ku n s tma n n , En t d e c k u n g Ame r ika ' s , S. 7. Auch Maimonidcs e rkl ä r t die Ausdrücke
Baccum und Brésil für identisch mit ric/ah, einem Kr a u t e , dessen 'Wurzel als Arzneimittel
gebraucht wurde .
=) J l u r a t o r i (Antiquitates Italiae I I , 8 9 4 , 898) giebt zwei Zollverträge zwischen
Modena und Fe r r a r a von 1193, und Bologna und Fe r r a r a von 1198.
•) Citpmany, memor ia s sobre la antigua ma r ina , comercio y artes de Barcelona H
4 . 17. 20; HI , 167.
DAS FjUiUEHOLZ: BRASIL.
Ceylon.') Li dem Ilandelsverzeichnis Pegolotti's (1340) erscheint es
als Verzino Colombino, und unter demselben Namen bei Gtiovanni
d'Uzzano ein J.ahrhundert .später.'')
L'm so rätselafter musste es bleiben, wie dieses Wor t nach
dem westlichen Ocean gelangen koimte. Man wies darauf hin, dass
nach der Wiederentdec-kiuig der Kanarien em rotes Färbeholz dasellist
entdeckt wurde, weiches dem verzino äluilich wa r und auch heut
noch als Orseille bekannt ist. Schon im Altertum war der durch die
Phöniker bekannt gewordene, an der Gätulischen Küste gewonnene
Purpur berühmt, und König Juba hatte, wie oben schon erwähnt,
auf Madeira eine Purpuriarlierei eingerichtet, wonach jene Inselgnippe
als die Purpurariae bezeichnet wurde.") Auch auf den Azoren
will man das Färbeholz gefunden haben und hieraus erklären,
weshalb eine von diesen Liseln vorübergehend als Isola de Brasil
bezeichnet wnirde. Die Schwierigkeit wird aber hierdurch nicht gehoben;
denn wir werden sehen, da.ss sich der Name Brasil auch noch
in viel höheren Breiten findet, wo die nur ni wärmeren Himmelsstrichen
gedeihende Pflanze schwerlich noch vorkommt und deshalb
zu einer derartigen Benennung der Insel kaum Veranlas.sung gegeben
hallen kann.
Die meisten Naclirichten über die Insel geben uns ohne Zweifel
die Karten. Es ist nun auffallend, unter wie verschiedenen Formen
uns hier der Namen überliefert ist, und es mag daher, zugleich als
Übersicht über das vorhandene Material, eine nach den einzelnen
Namensformen geordnete Aufzählung der Karten folgen, welche ich
zu diesem Zweck auf den italienischen Bibliotheken und Archiven
gepri'ift habe.
') Humboldt i r r t , wenn er meint, dass Marco Polo nur an einer .Stelle des Brazilholzes
Erwä h n u n g thne. Dieser nennt es 1. I I I . ca]i. 7, wonach es in Locae (Hi n l e r - l n d i e n)
vorkomme; ferner HI , c. 11, in der Landschaf t Lambri (am No r d e n d e von Suma t r a ) ; I I I , 12,
auf Ne euve r an; H l , 14, .auf Ceylon, -das Beste .auf der We l t - ; H l , 22: im Königreich
Collum (Vorde r - Indi en) . Hierzu vgl. den reichen Konnnent a r von H. Yul e , Po l o, I I , 315.
I'egolotti nennt drei Gattungen dieses Holzes: Verzino salvalico, dimestico und
colomhino, d. h. der wi ldwa chs ende, der veredelte und der von Colombo. An einei- anderen
Stelle nennt er sie Colomni, Ämeri nnd Seni. Ynl e will hierin die Namen der Produkt ions -
länder wi ede r e rkennen , nänüich Colomni — Colombino, ^ m m — Lame r i , Lambi-i auf Siunatra
und S em' = S i n i , Chin.a. — Kun.stmann (S. 7) weist darauf hin, dass die lateinische und
altfranzüsiscbe Ube r s e t zung an dieser Stelle da.s Holz herd nennen un d dass hieraus sich
d.as italienische verzino gebildet habe ; auch Yul e (11, 315) lässt verzino ans Brésil entstehen,
doch habe Marco Polo sich des letzteren AVortes bedient.
Ich meine j e d o c h , dass dieser P u r p u r vielmehr von der Pnrpurmus cbe l gewonne n
wui'de.