
<)8 II. K.APIÏEI.. U.\S WELTBILD DES 5UTTEL,\LTEI1S. DIE VIERECKIGE WELTK.AETE. 91)
1111(1 liedeutoiideiii Gcwiclit, die gesamte Welt darstellte. Lelewel hat
die Ictztgeiiamite, mit Hinweis anf die später zu besprechende angelsächsische
Karte, ebenfalls tiir viereckig erklärt, ohne indess andere stichhaltige
Gründe angeben zu können. Die Bemerkung, dass der Tisch ex
Iribus orbibus coimexa sei, liesse eher auf eine runde Gestalt schliessen.')
Erst auf der dem VIIL Jahrhundert angehörigen Karte der Bibliothek
von Al b y tritt uns die viereckige Form in aller Deutlichkeit
weder entgegen. (Vgl. Atlas, Tafel III, No. 2.) Sie ist von länglicher
Gestalt, mid während der Ostrand der Erde eine leichte
Neigung zur Rundmig zeigt, ist die Westseite (Spanien und Mauritanien)
rechtwuiklig aljgeschlossen. Abgesehen von Britannien,
welches sich dem Schema nicht einfügen liess und daher, unbekümmert
um die Gesamtanlage, der Nordwest-Ecke angefügt Avurde,
zeigt die Oeeanküste keine andere Insel mehr. Das ßlittelmeer greift,
zu gleichen Hälften das Festland teilend, weit hinein, so dass Asien
stark zusammengedrängt ist und mehr den Charakter einer die Iieideu
Festländer Europa und Afrika, verbindenden Landenge hat. Dass auch
diese Karte, wie die des Kosmas, in den Einzelheiten antike Reminiscenzen
aufweist, zeigt l^esonders das Vorhandensein der drei Oceanbusen,
des Kaspischen, des Roten und des Arabischen ^leeres.")
') Einhard] vita CaroH Magni c. 3.S: de tribus mensis argenteis statuit atque decrevit
vt una ex hiis, quae forma quadrangula descriptionem urbis Constantinopoiitanae contiuet . . . et
altera (jucLB forma rotiinda RomaJiae Sirbis efjiyic insiynita est; . . . tertiam quae ceteris et operis
pidchritudine et ponderis gravitate midtam excellit quae ex tribus orhihu.s conexa, tot ins mundi
descriptionem subtili ac minuta ßguratione cotnplcctitur, in tertiae partis hi elemosynani divide-ndae
augmenttim esse constituit. Der Tisch wn r de a])er nicht zu dem angedeuteten Zwe cke
verwendet; viehnehr heisst es bei Th e g a n , vita Ludovici pii, 8: Liidovicus nihil siU resei^'avit,
2)raeter nnam mensam aryenteam quae triformis est in medio quasi très clypei in unum
conjnncti. Er s t Lo t h a r , der Nefie Ka r l ' s , z e r t rümme r t e den Tisch und vei-teille ihn als Sold
an seine Soldaten ( im J a h r e 842) ; vgl. Annales Bertiniani ad a. 842. —D i e Angabe ex tribus
orbibus lässt meines Er a cht ens nur v e r nmt en , dass der r u n d e Tisch aus drei Kreissectoren
bestand, die in der Mitte zusamment r aten, hieraus e rkl ä r t sich auch die Beme rkun g bei Thega n
triformis, und zwa r indem très clypei (drei Schilde) zu einem zusammengefügt wa r en.
Wir finden nämlich in damaliger Zeit Scliilde im Gebr auch, welche nacli oben hin abgenmde t .
nach unten zu abe r in einen spitzen Keil auslaufen. Ganz unzulässig ist die Annalmie
einer viereckigen Ka r t e , wie L e l e w e l wollte (Géographie du moyen âge. Brüssel 18')2,
S. L X X I X und 8.).
-) Diese Ka r t e wu r d e zuerst von L i b r i beschrieben: Notices des manuscrits des
bibhothèques des dépa r t ement s . Paris 1842, S. öO; ferner von S a n t a r e m I I . 23- -31. Publizirt
bei L e l e w e l , Atlas , und im 1. Band seiner Géogr aphi e ; Mn r i n e l l i , Erdkde . b, d.
Kirch. S. 08. Lelewel (prolegg. S. LXX\ T I I ) schreibt sie dem Ps eudo-Ae thi cus zu. Ein Vorgleich
^larinelli's zeigte, dass von fünfzig Namen auf der Kar t e vierzig a u d i der Kosmograpliie
angehören. Der Zephyrus ist übrigens nicht im Osten (wie Marinelli meint), sondern
im Süden angesetzt.
Sehr viel ausgeluhrter iu den Ehizelheiten, inid besonders hi der
Ivüstenhnie, ist die zu einem Pr i s c i a n - I v o d e x gehörige Wehkarte der
Cottonianischen Bibhothek des Britischen Museums. Sie entstammt
olme Zweifel dem X. Jahrhmidert, zeigt aber noch die cliarakteristische
Gestalt des Vierecks, dessen Xordwest-Ecke sich allerdhigs schon in
eine Gruppe von Liseln aufgelöst hat, deren äusserste die Insel Thüle
ist.') Neben dem mit zahlreichen Insehi erfüllten Mittelmeer, von
dem sich wie ehi schmaler Kanal das Schwarze Meer abzweigt, sehen
wir auch hier Avieder den Kaspischen, Arabischen und Persischen Meerbusen,
nur dass die letzteren sich nicht nach Süden, sondern nach
Osten ölfnen.
Seit dem X. Jahrlmndert ist kehie Karte mehr gezeichnet worden,
auf welcher der viereckige Typus in aller Deutlichkeit zum Ausdruck
käme. Es finden sich zwar vielfach noch Karten aus weit späterer
Zeit, auf welche Santarem hmweist; doch zeigen diese mehr oder
weniger nur das runde Weltbild, welches rein äusserlich durch einen
viereckigen Rand umrahmt ist, und ich vermag in dieser Darstellung
unmöglicli eine Vereinigung der beiden verschiedenen Kartenarten zu
sehen.') Marinelh scliliesst die Periode der viereckigen Karten in runder
Zahl mit dem Jahre 1000 ab; von diesem Zeitpunkte an treten dann
die runden radförmigen Erdbilder in grosser Zahl in den Vordergrund.
Als einen Ubergang von dem viereckigen Weltbilde zum kreisrunden
küimen wir die von d'Avezac entdeckte Karte aus der Abtei
St. Sever bezeichnen.^) Sie ist von o v a l e r Ge s t a l t und, wie die
Die Ka r t e des Pr i s c i a n -Ko d e x, deren Länge ziu-Breite im Verhältnis von 5 : 4 steht,
befindet sich in Ms. Cotton. 1. A', fol. 580. — Da uns hier zunächst n u r die ganze En twu r f s a r t
der Ka r t e interessirt, nicht so die zahlreichen nicht weniger interessanten topographischen
Einzelheiten, so sei auf die Er l äut e rungen verwiesen von S a n t a r e m I I , 4 7—7 6 ; L e l e w e l I,
10—13. — Na ch dem Katalog der Cottoniana (S. 36) lautet der Titel des Ms . : lÂber periegesis:
i. e. de situ terrae Prisciani Gramatici quem de priscorum dictis exceipsit ormistarum.
Huic periegeM, quam ex Graecis Dionysii Afri Latine reddit Prisciamis, praemittitur Tabula
Geographica trixim partium mvndi. — Erste Publikation von S t r u t t : Th e Chronicle of
England, or an llistory . . . of the ancient Bretons and Saxons 1788. Sodann von P l a y f a i r ,
a system of GeogTa])hy t. I (1808) und im P e n n y J l a g a z i n e (22. Juli 1837); im :Ma g a s i n
p i t t o r e s q u e t. VIII. 2. Te i l . S. 208, S a n t a r e m ; L e l e w e l No. 26; J o m a r d . Monument s
de la géogrnphic , T. 13; V i v i e n de S t . M a r t i n , Atlas zur llist. de la géogr.;
I M a r i n e l l i a . a . O . S. 69. Vgl. ferner C o r t a m b e r t . Quel([nes uns des plus anciens monuments
géographicjues du moyen âge. Bull. d. la soc. cl. géogr., Paris 1877, S. 337 f[".
-) Santarem (1, 403, 411) zählt mehr e r e Ka r t en dieser Art auf , die sich inhaltlich nicht
mit den vorhergennnnten messen können. Die jüngs t e derselben aus dem XIV. J a h r h u n d e r t
ist dem Gedichte Ermnngaud' s von Besiers beigefügt ; vgl. in seinem Atlas T a t e l l l , No. 8.
Die Karte von St. Sever gehört dem XI . J a h r h u n d e r t an. Sie gehör t e ursprünglicli
zum Komment a r der Apokalypse von St. Seve r , mit welcher zusammen sie sich jetzt auf der
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