
V. KAPITKL. DER MUNDUS NOVUS.
Ehe Aylloii seine zweite Heise antrat, hatte zwei Jahre vorlier
(1024) ein Italiener, Gi o v a n n i da Ve r r a z a n o , unter frauzösischer
Flagge die Küste befahren.') Von der Hafenstadt Dieppe aus erreiclite
er glücklieh nur noch mit einem Schilf, dem Delphin, die amerikanisclie
Küste bei AVilmington, in B4° nördl. Br., und verfolgte sie nordwärts,
angeblich bis Neufundland, bis zum 50. Grad. In seinem an König
Franz 1. von Frankreich gericliteten Brief, in welchem er eine l)is
auf die kleinsten Einzelheiten eingehende Beschreil)ung von T-and und
Leuten giebt, interessirt uns für die vorliegende Frage besonders die
Bemerkung, dass aueh sein Sinnen luid Trachten auf nichts Anderes
hinauslief, a l s n a c h Ka t h a y zu g e l a n g e n , an den ä u s s e r s t e n
Ostrand As i ens ; obAvohl er Axiisste, dass er auf manches Hindernis
stossen würde, so holfte er dennoch, durch irgend eine Strasse in den
Ostliclien Ocean gelangen zu können.•)
Von dieser Heise scheint Es t e v am Gomez noch nichts erfahren
zu haben, als auch er sich am Ende des Jahres 1524 auf den AVeg
machte, um dieselbe Küste zu befahren. Die spärlichen Quellen
(Martyr, Herrera, Oviedo, Eibero) geben uns nur wenig Aulschluss
über diese Fahrt. Nach Oviedo hätte er die Küste der Bacallaos
erreicht und wäre von hier z\ierst westlich, dann südlich der Küste
Der Brie!" vom 8. Juli 1524, welchen er an König Fr anz von Fr ankr e i ch schrieb,
giebt hi e rübe r umfassend Aufschluss. Er findet sich in der italienischen Fassung (da das
Original verloren ging) zuerst bei Hamusio I I I , 4 2 0—4 2 3 abgedruckt . Ein später entdecktes
Exemplar der Bibl. Na/.ionale zu Florenz enthält am Sehluss noch einen wichtigen kosmographisehen
Anhang, auf den wir noch zurückkommen we rden. In dieser Fa s sung findet
er sich bei A s h e r , II. Hudson the Navigator [Hakluyt Society], London 1870, S. 199 fl".
Die Authentieität der Quellen hat sich zu einer lebhaften Streitfrage entwickelt und eine
umfangreiche Li t ter atur hervorgehen lassen. Beachtenswert sind die Untersuchungen von
Desimoni. Das (Quellen verzeich nis giebt I l a r r i s s e , Cab o t . S. 279 IT. Vgl. ausserdem die
inhaltreiche, gut orientirende i 'be r s i cht übe r diese Fr age bei Winsor , Hist. of America IV, 17 fl'.
-) Asher a. a. 0 . , S. 224: JJia intenzione era di perveriire in questa navigazione al Caihay
allo estremo Oriente deW Asia pensando trovare iah impedimento di nnova terra quäle ho irovato,
e se per qual che ragion e pensava quella trovare non senza qualche futo di penetrare allo oceano
Orientale. — ICs isr noch zu bemei'ken, dass auf der \ ' e r r a z a n o -Ka r t e , welche von dessen
Bruder, Hieronymus da \ ' c r r a z ano, enrworfen ist, der La n d e p u n k t des Giovanni in 42 Gi'ad
(nicht 34) ^'er/.eicbnet isr. Die von ihm entdeckte Küste ist durch Uähnciien bereits als
französisches Besitztum v e rme r k t , und hierauf deutet auch die Legende, nach der das Land
den Namen Nova Gallia sive Jucatanet trage. Diese Ka r t e , welche sich gegenwärtig im
Proj)aganda-Archiv zu Kom belindet, scheint dem J a h r 1529 anzugehören. Man hat bezweifelt,
ob sie thatsächlich das Original ist. Vgl. über sie B r e v o o r l , ^•errazano the
Navigator, 1871, und de C o s t a , Verrazano tJie Exjjlorei-, 1881. — Uher das Datum der
Kai'te giebt die Legende Autschluss: Verrazana sive nova gallia quäle discopri 5 anni fa
gi(/vanni da r^errazauo Jiorentino per ordine e Comandamenio de Cristianissimo Re di Francia. —
D e s i m o n i (.Vtti dell Societ<ä Ligure di Storia Patria, Bd. X\ ' ) hat auf die Kar t e des \ ' i s -
c o n t e J l a g g i o l o der Ambrosianischen Bibliothek in Mailand hingewiesen und ihre auf-
ESTEVAM GOMKZ. 341
entlang gefahren, bis etwa zum 40. oder 41. Breitengrad, »etwas
mehr oder etwas weniger.«') Das Ergebnis entsprach nicht den Erwartungen.
welche er gehegt hatte. Nach Petrus Martyr war Ziel
und Zweck sehier Heise vor allen Dingen, zwischen den Bacallaos
und Florida eine Passage nach Kathay zu gewiinien. Denn für die
genannte Küstenstrecke bheb allein noch die Hoffnung bestehen, eine
Durchfahrt zu linden, naclidem alle übrigen Küstengebiete von Florida
an südlich in ihrem Zusammenhang schon erkannt worden waren.'^) Aber
ohne die Meerenge und das von ihm verheissene Kathay gefmiden zu
haben, kehrte er nach Europa zurück.^) Er hatte "S'ielmehr, wie Oviedo
hervorhebt, die Uberzeugiuig gewonnen, dass das v^on ihm e n t d e c k t e
Land mit dem der Ba c a l l a o s z u s amme n h ä n g e und, im Allgemeinen
westwärts streichend, sich bis über den 40. Grad (soweit
er es nämlich befahren hatte) hinaus erstrecke.^) Bei Hibero wird es
fallende Ubereinstimnumg mit der Kar t e \'errazano"s von 1529, sowie mit dem Ulpius-
Globus von 1542 und Gastaldi's Ka r t e von 1548, hervorgehoben. — Das Datum der ^laggiolo-
Karte ist von Desimoni beanstandet worden. Die Autor -Legende besagt: Vesconte de Maiollo
composus hanc cariani in Janua de anno domini 15S7 die XX. Decemhris. Es ist aber mehr
als wahrscheinlich, dass das Datum 1527 lauten mus s , wo f ü r einmal der Inhalt der Kar t e
spricht, und sodann die undeutliche Schreibung der 8, welche schrägliegend verzeichnet ist.
U z i e l l i - A m at führ en die Ka r t e in den Studi irrtümlich doppelt anf , unte r No. 153,
I I , 113 und No. 228, 11, 154. Desimoni ha t t e , wie er schreibt, die Ka r t e nur kur z e Zeit
einzusehen Gelegenheit gehabt und einen fragmentarischen Abriss derselben a. a. 0 . gegeben.
Auch mir fehlte es damals an Zeit, die Ka r t e vollständig zu k o p i r e n , wa s ohnedies s chwe r
gehalten hätte, da sie sich eingerahmt unte r Glas befindet. Die im Atlas, Tafel XIV, No. 7
gegebene Wi ede rgabe kann dahe r auch n u r als eine Skizze gelten, welehe aber (gegenübe r
Desimoni) noch Mittel - Amerika und einen Teil Sü d -Ame r i k a ' s giebt. F ü r Mi t t e l -Ame r i k a
ist, wie e rwä h n t , die Meerenge charakteristisch. — Die Ambrosiana besitzt noch einen
zweiten Atlas desselben \'isconto de Maggiolo vom 10. August 1524. ^'gl. übe r diesen oben
S. 217, Anm. 1. — Auf der Nat ional -Bibl iothek in Florenz entdeckte ich ein lilterarisch
bisher noch nicht bekannt gewordenes Exempl a r desselben Ka r t o g r a p h e n , einen Atlas in
Quart, in vorzüglicher Aus führung.
') Oviedo, Sumario de la natural y general istoria de las Indias, S. f. He r r e r a ,
Dec. Hl , S. 241. Vgl. über die Reise besonders Kohl , Discovery of Maine, cap. 8, sowie
Ilarrisse, Cabot , S. 2 8 2 - - 2 9 1 , der den Quellenwert des Islario general des C e s p e d e s für
sehr gering anschlägt. "Wiclitig ist ferner die Legende anf der Ka r t e Ribero's, wo es heisst:
Tierra de Estevan Gomez, la qual descuhriö por mandado de su magestad, el aho lö2ö ay en ella
muchos arholes y fructas de los de espaua y muchos rodovallos y salmones y sollos: no han allado oro.
Petrus ISLartyr, Dec. cap. 10: Decretum quoque est, ut Stephanus quidam Gomez
artis et ipse mariiimae pei'itus alia via iendai qua se inquit reperturuni inter liaccalaos et ßoridas
iam diu nostras terras iter ad Cataium.
®) Pe t rus ^ l a r tyr , Dec. MH . cap. 10: Is nec freto neque a se j^romisso Cataio repertis
regressu/s est intra meiisem decimum a discessu.
Oviedo, Sumario, S. 16: Fue d la parte del Norte, i hallo mucha Tierra, continuada
con la que se llama de los Bacallaos, discurriejido al Occidente i puesta en quarenta Grados,
i quarenta i uno.