
B I O V. KAPITEL. DER ML'NDUS KOA'VS.
DIE EXPEDITIONEN VON 1501 UND 1503. S i l
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Weitem gliicklieher. Die kleine Flotte von drei Sehiflen, welclie Amerigo
Vespucci begleitete, erreichte die brasilianische Küste hi 5° südl. Br ,
beim Kap San Roqne, welches die Mh e r e n Expeditionen zwar schon
passirt hatten, ohne es aber zu erwähnen, — und da der Tag der
Entdeckung, der IG. August, dem hedigen Rochus gewedit ist, so
erhielt das Vorgebirge diesen noch heute auf unseren Karten sich
findenden Namen.') Von hier tastete die Flotte an der Küste südwärts
weiter und belegte die einzelnen Positionspunlite mit neuen
Namen, welche sie, dem üblichen Brauch der Schifler folgend, den
Ivaleiider-IIeUigen des jedesmaligen Tages der Entdeckung entlehnten.
Am 28. August, dem Tag des heiligen Au g u s t i n , erreichten sie das
nach ihm benannte Kap, welches, wie erwähnt, ^Viifongs Tlostro
Ilermoso und Cabo de Corisolacion hiess, am 29. September, dem Michalstag,
den Rio S a n Mi g u e l , am 4. Oktober, am Tag des heiligen
Franz von Assisi, den Fluss S a n F r a n c i s c o , am 1. Januar die Bai
von Rio Janeiro,') am 20. Januar, dem Sebastianstag, den Hafen
St. Sebastian;") der erreichte südlichste Punkt wa r der kleine Fluss
Cananea.')
Diese Reise ist für die KartogTaphie jener Zeit von besonderer
Wichtigkeit, zumal die ohne Zweifel von Vespucci selbst entworfene
Ivarte noch lange die Grmidlage für alle späteren Karten der beiden
ersten Jahrzehnte des XVI. Jalirhmiderts blieb, obwohl die südamerikanischen
Küsten schon weiter verfolgt waren, und auch andere
Karten über diese Gegenden bereits vorlagen. Wi r linden daher
noch lange Zeit, selbst noeh auf dem Globus Johannes Schöner's von
1520, den Namen Cananea als das Nec plus ultra der Schiflahrt, luid
man wa r unkritisch genug, liniter Cananea auch den Abschluss der
Küste anzunehmen; teds schnitt man sie dm-ch den imtereii Karten-
') Vgl. V a r n h a g e n , Hi s tor i a Ge r a l do Br a s i l , Rio de J a n e i r o 1 8 5 4. I, 19.
Dass di e Bai schon dama l s diesen Name n erhielt, ist uns ni cht qnellenniässig iiezeugt;
docii ha t dies Va r n h a g e n (a. a. 0 . ) wahr s ehe inl i eh zu ma chen ge sucht . J edenf a l l s mus s dié
Bai zur Ze i t d e r in Re d e s t e h e n d en Expedi t ion he sneht wo r d e n s e i n , da sie anf de r Ka r t e
Tafel V m , No . 2, (uns e r e s .\tlas) deutlich h e r v o r g e h o b e n i s t , we l che sich allein auf die Bai
von Rio J a n e i r o deut en lässt.
Auch d e r Name Sebastian ist f ü r die Reise von 1501 nieht sieher bezeugt.
' ) Auf den K.arten he i s st di e s e r südlichste P u n k t ba ld Cananea, ba ld Cananor; letztgenannter
Name scheint j e d o c h n u r eine i r r tüml i che Üb e r t r a g u n g des Name n s de r indischen
Stadt Ca n a n o r von Seiten d e r Ka r t o g r a p h e n zn sein. Canane a dagegen ist ein Fe s t t a g in
der ka thol i s chen Ki r c h e , die feria Tprimae Hebdomadis Quadragesimae. He u t e heisst Can.°nea
noch ein Kü s t e n p u n k t d e r Pr o v i n z S. Paolo u n t e r 25 •> südl. Br . ^'gl. Ko h l , die be iden ältesten
G e n e r a l k a r t e n , S. 144.
rand ab, teils nahm man hier eine Südspitze des neuen Festlandes
au, wie es der genannte Globus zeigt.')
Bis Cananea war die Expedition von 1501 jedenfalls vorgedrungen;
der weitere Verlauf derselben aber ist höchst unsicher,
und die angeblich erreichten hohen Breiten sind durchaus unwahrscheinlich.
Nach Vespucci's Angabe hatte man die Küste bis zum
32. Grad verfolgt; er selbst will sogar noch weiter südlich bis zum
52. Grad (!) vorgedrungen und einer Küste ansichtig geworden sein,
ötle, felsig und unbewohnt,-) welche moderne Erklärer in den Falklands
Inseln oder Süd-Georgien wieder erkennen wollen.
So bedeutend diese Expedition für die Erweiterung der Kenntnis
Brasiliens mid nicht minder für die Kartographie war, so belanglos
fiel die im J ahr 1503 von Goiiijalo Co e l h o geleitete Expedition
aus, an welcher Vespucci ebenfalls Teil nahm. Ein Schiff scheiterte
an den Kdippen von F e r n a n d o No r o n h a ; ' ) Vespucci erreichte aber
noch glücklicli die Allerheiligen-Bai und verfolgte von hier aus die
schon bekannte Küste nach Süden zu bis zum 18. Grad südlicher
Breite. Aber auch die Fahrt, welclie P i n z o n tmd J u a n de So l l s
') Bis Canane a reichen, um hi e r einige Ka r t e n zu nennen, die des C a n e r i o nnd d e s
A n o n y m u s (Tafel Vl l l ) , des P i l e s t r i i i a , des J o b . E u y s c h (Tafel IX, No. 2 u n d 3), des
P t o l e m a e u s von 1513 (Tafel Xl l , No. 1), ties L e o n a r d o da \ ' i u c i (Ta f e l XI , No. 3) u n d
der Globus S c h ö n e r ' s (Tafel XI I I ) .
\ ' g l . Qu.atuor navigationes .\meriei ^' e sput i i bei Na v a r r e t e I I I , 2 7 3 ; Et quoniam
me omnia prosequi ac descrihere piget, dignetur vestra nosse maiestas, quod nns portam ilium
liquentes per lebeccium ventum et in visu terrae semper transcurrimus. . . donec tandem versus
austrum exti-a Capricorni tropicum fuimus, Ubi super horinzonta illum meridionalis polus triginta
duobus sese extollebat gradibus; I I I , 2 7 6 : nos oram illam liquentes et inde navigationem
nostram per siroccum ventum initiantes . . . in tantum pervagati ßiimus, ut meridianum polum
super horizonta illum quinquaginta duobus gradibus sublimatum invenerimus . . . Nobis
autem sub hac navigantibus turhulentia, terram uivim Aprilis secunda vidimus penes quam viginti
circiter leucas navigantes appropiavimus: verum illam omnimodo brutalem et exlraneam esse comperimus,
in qua quidem nec partum qiiempiam, nec gentes aliquas fore cemspeximus, ob id, ut
arbitror, quod tam asperum in ea frigus algeret, ut tam acerbum rix quisquam perpeii posset.
Die Insel Fe r n a n d o No r o n h a ist e r s t auf dieser Reise ent de ck t wo r d e n , u n d man
kann ihr Fehl en auf den älteren Ka r t e n s ehr g n t als Kr i t e r i um f ü r die Da t i r u n g dei'selben benutzen.
So muss T a i ' eMT l l , No. 2 uns e r e s .\thas sicher vor 1504 ange f e r t igt s e i n , da die
Insel auf ihr, we l che sonst alle auf d e r En t d e c k u n g s r e i s e von 1501 e rwä h n t e n Name n enthä l t ,
noch nicht verzeichnet ist. Huuiboldt (Kr i t . Unt e r s . I I I , 74) wus s t e ü b e r sie u n d besondei-s
über ihren Name n noch nicht Bescheid. Er s t neue rdings ist aus Ur k u n d e n festgestellt
w o r d e n , das s F e r n ä o de No r o n h a einer de r Ka p i t ä n e d e r Coelho'schen Expedi t ion wa r ,
welcher naeh d e r Rü c k k e h r diese Insel vom Köni g e iu e ine r vom 16. J ami a r 1504 ausgestellten
Urkunde zum Ge s chenk erhielt. Die auch heut e noch seinen Name n f ü h r e n d e Insel tiiidet
sieh seitdem vielf;ieh auf den Ka r t e n . A'gl. uns e r en .Atlas, Tafel XI I , No. 2; Ta f e l X X I I ;
Tafel XXX\ ' I 1 1 und Tafe l X X \ ' I bei Battista .Agnese, wo st.att F e r n a n d o Francisco zu lesen
ist. Im Übr igen vgl. Kohl (a. a. 0 . ) S. 135.