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2 6 f ) IV. K.\1>1TEL. D.\S WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUälBUS,
g-elaiig-t wäre«. Die weitere liemerkung des Ktesias, welelier Indien
für eljen so gross Inelt, wie die andere Hälfte Asiens, sowie jene des
Onesiliritus und Plinius, die es auf ein Drittel der ganzen Erde
seilätzten, seliienen ihm die vorige Angahe zu stützen; mid es kann
uns nur hefremdlieh erseheinen, dass noch im Zeitalter des Colnmbus
derartige Renüniscenzen an die Erdkunde der Alten läilligung ünden
konnten, als ob die Ergebnisse eines Marco Polo, jShcolo de' Conti
und anderer Asien-Reisenden gar nicht bekannt geworden wären.')
Es ist nun interessant, zu verfolgen, wie Columbus im Anschluss
an diese seine Vorstelhmgen vom Weltbild die auf seinen Entdeckungsfahrten
gemachten Beobachtungen gedeutet und mit den bisherigen
kosmographischen Anschauungen im Grossen wie im Euizelnen in Einklang
zu bringen verstanden hat.
Schon auf der Hinfahrt glaubte der Admiral alles das erkeimen
zu können, was er sieh aus Karten nnd litterarischen Quellen zusammengelesen
hatte; aber dennoch sollte er sich vielfach getäuscht
sehen. Das durch Las Casas uns bewahrt geldiebene Tagebuch meldet
seit dem 17. September fast täglich sichere Anzeichen von Land, die
sich aber stets als nichtig erwiesen. Die Karte Toscanelli's zeigte ihm
eine reiche Inselllur, mudi der er eifrig Umschau hielt, ohne jedoch
viel Zeit mit Aufsuchen zu verlieren, als er sie nicht sogleich fand.
In jener Besprechung mit Jlartin Alonso Pinzon, am 25. September,
scheint er die Lisel Antdlia im Auge gehabt zu haben. Acht Tage
S|)äter, am 3. Oktober, glaubte er, die auf der Karte verzeichneten
Liseln bereits weit hinter sich gelassen zu haben,') und als am
6. Oktober Martin Alonso einen etwas veränderten Kurs vorschlug,
meinte Columbus, Jener wolle direkt auf Zipangu zusteuern; aber er
hielt es für geratener, erst das Festland zu suchen imd dann die Inseln.')
Ohne sich dadurch beirren zu lassen, dass er von allen den
Liseln, welche ihm die Karten aufwiesen, doch thatsächlich keine
einzige gefunden hatte, steuerte er siegesgewiss weiter, und in der
Nacht vom 11. zum 12. Oktober avurde sein rastloses Streben endlich
von Erfolg gekrönt: seitdem er die Kanarischen Inseln hinter sich
gelassen, nach 33tägiger Seefiihrt, avurde er, zum ersten Mal, avieder
einer Küste ansichtig — es war die Lisel Gn a n a h a n i .
') Historie fi. .1. O. .\iit' 8. 131) heisst es diiiio noeliinals: pm che ancora non era sia/o
scoperto il fine. Orientale delV Jndia, cotal fiue quello sarehhe, che (jiace appresso de nni per
VOccidente.
Navarrete I, 16, zmn 3. Okrol)er.
Navarrete 1. 17, zum 6. Oktober.
COLUJIBUS' .\NSICIIT VON DER NAHE ASIENS. 207
Selten hat es ehien Entdecker gegeben, welcher mit soviel
Phanta.sie ausgestattet war und für alles das, was er fand, aus seinem
ihm traditionell idierkommenen Wissenssehatz eine Erklärung -wusste.
Musste er verzeihlicherwciso hinsichtlich der Gesamt-Konligm-ation des
Weltbildes noch zn irrigen Schlüssen gelangen, so verriet er hingegen
in der Deutung der Einzelheiten seiner Forschungsergebnisse euie
Willkür, wie wir sie nur bei den Wenigsten seiner Zeitgenossen noch
antrelfen. Columbus stand noch ganz unter dem Baun des Traditionalismus
und scholastischen Formalismus. Nachdem ihm zum ersten
Mal das kühne Wagnis gelungen war, den Osten auf dem AVe.stweg
zu erreichen, liess er sich im übrigen vollständig von den Erfiihrungen,
die man seither von diesem Osten gemacht hatte, leiten, und er gab
sehie vorgefasste Meinung auch daim noch nicht auf, als seine Zeitgenossen
manchen Zweifel hatten laut werden lassen.
Die Zuversicht, dass er es mit an und für sich schon bekannten
Gegenden zu thun hätte, — eine Annahme, ui welcher ihn Toscanelli's
Brief und Karte nicht zum wenigsten bestärkt haben, — tritt gleich am
ersten Tage hervor, als er soeben auf Gnanahani gelandet war und
noch nichts weiter als dieses unscheinbare Eiland gesehen hatte. In
seinem Tagebuch vom 12. Oktober spricht er bereits von dem Festland
(Tierra firme), welches ihm weiterhin im Westen noch verschleiert
lag, von dessen Existenz er aber felsenfest überzeugt wa r ; denn die
erstmahge Aufündung dieser einzelnen Lisel wa r für ihn nur der
Anfang einer langen Folge von Entdeckungen.
Die Festlandsküste, die er zu finden wähnte, wa r keine andere
als die ostasiatische. Seine geographischen Kenntnisse sind durchaus
verworren; über das spezielle Ziel, auf welches er zusteuerte, und
über die Örtlichkeiten, wo er sich nachher zu befinden glaubte, ist
er keineswegs mit sich einig; bald spricht er von Indien, dem Lande
der Spezereien, bald wieder sucht er Kathay und den Gross-Khan auf
Bis zum 24. Oktober hatte er eine Redie der kleinen Baliama-
Liseln aufgefunden, ohne nennenswerte Resultate zu erzielen. Er will
aber möglichst bald zur Sache kommen; demi sein Streben geht
fortan dahin, das Go l d l a n d Z i p a n g u zu erreichen. Im Tagebucli
zum 21. Oktober nennt er zum ersten Mal den Namen Cu b a ; es ist
eine sehr grosse Insel, wie dim die Eingeborenen sagen, mid er
glaubt, dass es nur Zipangu sein könne.') Am 23. und 24. Oktober
Navarrete I, 37, zmn 21. Oktober. Im Original heisst die Insel Golha, was nor ein
Sehreibl'ehler ist, da sie sjiiiter stets Cuba bei.sst. . . . para otra isla f/rande mucho, que creo que
debe ser Cipanyo, segun las senas que me dan estas indios que i/o traigo, à la cual ellos Itarnan Cuba.
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