
III. KAI'ITEL. DIE KENNTNIS VOM ATLANT. OCEAN VOR COI.VJIBUS.
Insel neben San Jlignel verzeichnet ist, dass also unmöglich beide
nach Ansicht der Kartograiihen identisch gewesen sein Ivöimen.')
Da man aber unter allen I'mstiinden in Antillia ein neuentdecktcs
Land wiedererkennen wollte, und weder die Kanarien, noch die
Madeira- oder Azoren-Grupj-ie zu einer Identiiizinmg sich eigneten, so
konnte man sie nur noch westlicher vermuten, und suclite sie deshalb
in Amerika. Am weitesten ging hierin ohne Zweifel Ha s s e l , welcher
in der Doiipel-Lisel »Antülia-Satanaxio« unmittelbar ein Spiegelbdd
des nord- und südamerikanischen Festlandes sah und den beide lnselu
von einander tremicndcn Kanal auf die vermeintliche Meerenge von
Veragna deutete.") Ihm wäre hier F o rma l e o n i anzureihen, der,
unabhängig von Hassel, gleichtalls für die Identifizirung mit Amerika
ehitrat, ohne aber irgend welche stichhaltigen Gründe anführen zu
kömien.')
Aber bereits im XAl. Jahrhundert war die Meinung verbreitet,
dass die Sieben Städte nur auf dem Festland der Neuen AVelt selbst
gesucht werden könnten. So hatte der französische Franziskaner-Pater
Marcos de Ki z a von sehier Reise in das Innere Kaliforniens im
Jahr 1539 die Kachricht heimgebracht, dass daselbst eine Landschaft
anzutrellen sei. welche die Einwohner Cibola nennen, deren
König Tatarax das Kreuz von Gold und das Bild einer Frau
»Senora del Cielo», anbete. AVas lag näher, als in dem frrn von
aller AVeit abgeschiedenen A'ölkchen den versprengten Rest einer
ehemaligen christlichen Kolonie wieder zu erkennen, und da eben
jener Pater auch sieben blühende Städte gesehen zu haben vorgab,
von denen er feierlich im Xanien des Königs von Spanien Besitz ergTifl",
so glaubte man in Europa die Insel Antillia endlich gefunden
zu haben. Die Geschichte hatte noch ein Nachspiel, da bald nachher
eme grosse Expedition, unter Führung des A'asqnez de Coronado, ausgerüstet
wurde, welche nach unsagbaren Gefahren Cibola, glücklich
erreichte, aber nur ein unbedeutendes Dorf vorflind. Die Ver-
') Biiaclie a. a. O. S. 13. ] \ I a s s o n in Tr ans a c t ion s pliilosoplnqnes , t. 68 (1777), S. 60".l.
H a s s e l , Er d b e s c h r e i b u n g des Britischen n n d liussischen .«Amerika, 1822, S. 6,
wird eitirt von Humb o l d t , kr i t . Un t . I, 415. Da s Bneh k o n n t e ieh mir niclit me h r ve r -
schaffen. — Vgl. P. G a f f a r e l , E t u d e s u r les r a p p o r t s de l 'Amé r ique et de l'ancien continent
avant Ch r i s t o p h e Co l omb , Pa r i s 1869, S. 193.
Formaleoni a. a. 0 . 27; La grande sua estensione, i porti, e fiumi di cni è circondata
in ogni lato ci rnostrana, che a gut! tempi se ne area notizia, e che qualche navigators prima di
Colombo v'era gia approdato. Non è percio minore la gloria di Colombo, che Seppe ritrovare una
terra perduta, e aprirsi il passagio air oposto emis/ero.
ENTSTEHUNG DER ANTILLIA-LEGENDE. 207
mutuiigen des Paters erwiesen sich somit als nichtige Phantasmagorien.')
Alle A^ersuche, den Namen der Lisel an ehie bestimmte Örtlichkeit
zu knüplen, müssen von vornherein als verfehlt bezeichnet
werden, da imui, wie aus den Karten zu ersehen, über die Lage der
Insel selbst die verschiedensten Ansichten hatte. Be h a im setzt sie
auf seinem Globus unter den Meridian der westliclien Azoren, also
nur etwa 20 Längengrade westlich von Lissabon, T o s c a n e l l i hatte
sie dagegen auf nicht weniger als GO Grade we.sthch von jener Stadt
hinausgerückt, so dass sie etwa an der Stelle von Haiti läge.'')
Humboldt hat sich dahin geäussert, dass die Entdeckung oder,
be,sser, die mehrmalige Aufllndung der Azoren den Gedanken an das
Bestehen eines ausgedchnteii Festlandes rege machen konnte, indem
man Küsten, welche verschiedenen Liseln angehörten, als zusammenhängend
betrachtete, und da.ss aus diesem Griuide der ganze Archipel
der Azoren Veranlassung gegeben habe, die Lage von Antilha oder
der Sieben Städte an eine liestimmte Örtlichkeit zu knüpfen. — Ich
meine, dass man kaum so weit zu gehen hat. Die Sage, welche den
Erzbischof von Porto mit noch sechs anderen Bischöfen und vielem
A^ilk vor den Alauren über das Aleer ilüchten und auf einer fernen
Insel eine neue Heimat finden lässt, mag ilirem geschichtlichen Inhalt
nach sich auf die ehie Möglichkeit beschränken, dass eine kleine Schar
von AA^estgoten, unter Leitung ihres geistlichen Oberhirten, vor den
andringenden Heiden ihr Heil in der Fhicht suchte und auf Nimmer-
Aviedersehen A'erschwand, jedenßills aber zu Grunde ging. Die A^olksphantasie
lässt sie auf ehier Insel im Ocean ihr patriarchalisches
Dasein weiter fristen, wobei antike ReminLscenzen von den Liseln der
Seligen oder der Brandaus - Lisel mitgewirkt zu Italien scheinen.
JVIS man sich dann im XA'. Jahrhundert an die Auffindung der Lisel
machte, statt deren aber eine der Azoren nach der anderen entdeckte,
und auf keiner von ihnen die Sieben Städte vorfand, da setzte
sich der Glauben an die Existenz der Insel nur noch tiefer fest und
führte zu der bestimmten Annahme eines grösseren Eilandes, westlich
') Go n i a r a , 1'. 115, 117; He r r e r a Dee. VI , lib. 7, cap, 7; Humb o l d t , Relation
historique, T. HI , S. 159. Ma n ha t die .Sieben St ädt e Cibola's auf die sieben Pr o v i n z e n
einer von einer hellfarbigen Rasse b ewo h n t e n La n d s c h a f t im Quel lgebi et des Rio del No r t e
deuten wollen (Ga f f a r e l , E t u d e , S. 188). — Eben hi e rbin g e h ö r t die \ ' e rmu t u n g des
Franeiseo He r n a n d e s de Co r d o v a 1517, we l che r nach Goma r a (Hist, de las I n d i a s , 1'. 27)
in den Kr e n z -An b e t e r n auf d e r Halbinsel Yu k a t a n die Na c h k omme n j e n e r vei-triebenen
Christen wi e d e r g e f u n d en zu haben gl aubt e.
Fischer, Sammig. mittelalt. We l t - u n d S e e -Ka r t e n , S. 21.