
•.ïS
258 IV. K.\PITKI.. D.\S WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUMBUS.
die eigenen AVorte des Adinivals, setzt Liis Gilsas liezeiclinenderweise
liinzn,')
Ehe wir aber weiter verfolgen, welche Folgerungen Columbus
aus seinen Entdeckungen für die A'orstelhingen des ganzen Weltbddes
g(!zogen hat, wird es angemessen sein, zunächst einmal die Grundlagen
einer Prüfung zu unterziehen, auf welchen die Weltanschauung des
Columbus fusste.
Sein unbekannter Biograph stellt die einzelnen Momente zusammen.
welche Columbus in seinen Entdeckerplänen bestärkt haben.
Er s(dieidet sie in drei Klassen: iu Gründe, welche sich aus den
iiiathematischen und physischen Verhältnissen des Erdkörpers ergaben,
in Aussprüche hervorragender älterer Kosmographen, und in Mitteilungen
von Seiten der Seefahrer. Über die Letzteren haben wir
bereit.s im vorgehenden Abschnitt gehandelt. Die naturwissenschaftlichen
und litterarischen Nachweise unterscliciden sich aber kaum
wesentlich von ehiander; denn auch jene sind meist älteren Autoren
entlehnt.-)
Columbus' wi.ssenschaftliche Bildung konnte begreiflicherweise
keine allzu hohe sein. Sie gründete sich noch ganz auf jene Scheingelehrsamkeit
des Traditionalismus, welcher das Alittelalter beherrschte.
Der Autoritätsglauben wa r noch ein .so mächtiger, dass auch die
grossen Geister dieser libergangszeit sich ihm noch nicht zu entziehen
vermochten, nm wie viel weniger der aus den bescheidenen Verhältnissen
einer Ilandwerkerfaniilie hervorgegangene Columbus. Das
lu'teil des Aristoteles wurde neben den Ausspruch eines Propheten des
Alten Testamentes gesetzt, Lehrmeinungen des Slarinus von Tyrus
und Ptolemaeus durch die Schriften der Kirchenväter und gelehrten
Babbiner gestützt; jede Art von Quellenmaterial in prosaischer oder
poetischer Form, welches geeignet wa r , seine Ansicht zu begründen,
"*\mrde von ihm miterschiedslos herangezogen und zu einem kunstvollen
Gebäude aufgeführt. Wa r diese Methode scholastischer Beweisführung
damals durchaus nichts Ungewöhnliches, so konnten dennoch
die Folgerungen, welche Columbus für seine Zwecke aus den Kosmograpliien
zog, schon bei den Zeitgenossen keine Billigmig linden,
N-ivarrete I. 11. .\linlicli heisst es im Tagebtieh zum 3. Olitober (Navarrete 1, 16):
»Trotzdem icli Kenntni s liabe von einzelnen Inseln in j e n e r Gegend, will ieh doch nieht
anhalten, da es mein Zwe c k ist, nach Indien zu kommen. Ich wä r e toll zu n e n n e n , wenn
ich mich damit aufhi e l t e - .
Historie, cap. 6, S. 1 2 b : le cagioni ., . . furono tre: cioè fondamenti nahirali, auttorità
di scrittori e indicii di nmtigaidi.
W1SSENSCII.\FTLICIIE GRUNDL.\GE DES COLU.MBUS. 259
zumal, da er eine Reihe anderer Argumente, die tien Entwurf sehies
Planes von vornherein umgestossen hätten, gar nicht berücksichtigte
oder gelhssenthch verscliwieg. Es kann daher kaum auffallen, dass
die Jim/a de Jlcdhemaiicos in Portugal seine Vorschläge als phantastische
Träumereien eines Schwärmers v e rwa r f )
Man darf jedoch nicht glauben, dass Cohmibus die zahlreichen
Autoren, die er eitirt, alle selbst an der Quelle studirt hätte. Es
erforderte dies für damalige Zeit einen Bildungsgrad, welchen wir
ihm nicht zutrauen können. A'on tlem Libro de las l'rofecias wissen
wir sicher, dass der ihm befreundete Pater Ga s p a r Go r r i c i o das
Quellen-Material aus den Propheten, den Kirchenvätern uml den
Rabbinern für ihn gesammelt hatte.'') AA'as aber die gelehrten Citate
aus Aristoteles, Seneca, Plinius, Ptolemaeus, Augustiii, Ambrosius,
Isidorus und den Arabern, besonders Averroës anbelangt, so boten die
damals in grosser Anzahl existirenden Encyklopädien, Weltspiegel und
Summen, welche den Kosmos in allen seinen Teilen der organischen
und unorganischen AA'elt zum Gegenstand hatten, eine solche Fülle
des verschiedenartigsten Materials, dass Jeder sich unschwer das Notwendigste
aus der älteren Litteratur zusanimensuchen und seinen
eigenen Darstellungen einen hoehwissenschafthchen Anstrich verleihen
konnte.
A'^on allen den Handbüchern aber hat keines den Admiral mehr
zu fesseln vermocht, als die Imago Mundi des gelehrten Kardhitils von
Cambi-ay, P e t r u s de Alliaco.') Sie trägt noch ganz den Stempel
') Die von König Johan n II. zum Zwe ck einer Ve rbe s s e rung der nautischen
Beobachtnngs'lnstruutente gebildete \"ereinignng bestand aus D i e g o O r t i z , dem Bischof
von Genta, den beiden Leibärzten des Königs J o s e nnd R o d r i g o , und jNI a r t in B e h a i m .
Wann diese J u n t a begründe t wu r d e , wissen wir nicht; wir finden sie jedenfalls im J a h r 1481
tliätig. Da aber Diego Ortiz im .\id'trage des Königs die Pr ü f u n g des Planes nur dem J o s e
und Rodrigo anve r t r aut e , währ end IMartin Behaim nieht unte r der Kommission zu finden
ist, so hat man ve rmuthe t , dass dieser nicht ohne Absicht ausgeschlossen worden sei, weil
man seine nicht ganz unparteiische Stellungnahme in dieser Fr age für cht e t e ; denn einnnd
war er nnt Columbus bekannt, und sodann schien er die Möglichkeit einer leicht zu bewe rk -
stelligenden Üb e r f a h r t nacli Indien zu billigen. \ 'gl . hierzu B a r r o s , Asia Dec. I, lib. 3,
cap. 2; Ghillany, ]\Iartin Beha im, S. 53. — Eine ^'erteidigung der portugiesischen J u n t a
gegen den Vorwur f einer übereilten Zurückwe i sun g des Entde ckungspl ane s ha t C o r d e i r o
(de la Découvert e de l'Amérique, Lisbonne 1879) angestrebt. Vgl. R ü g e , die We l t ans chauung
des Columbus, ein Vortrag, Dresden 1876, ö. 8; desselben Zeitalter der Entde ckungen, S. 232.
Navarrete I I , 260 — 273. Mit der .Abfassung des Buches begann Columbus erst 1501 ;
in demselben findet sich auch die Stelle aus der Medea des Sene e a , auf welche der
Entdecker so bedeutungsvoll hinwi e s ; ebendieselbe vgl. in den Historie , cap. 7, S. 14b.
Hierzu vgl. Humb o l d t , Krit. Unter s . 1, 100.
Peter von -Ailli ist wahrseheinlich um das J a h r 1350 geboren. Unt e r den drei
Ortschaften des Namens Ailli k a n n nur Adli-haut-clocher im . \ r rondi s sement -\bbeville in
33'
h t W i X % i Ï i
}. « • Ç H y Î Î S f » « ä s - *