
KAPITKL. DKR MUNDUS NO\ US.
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iininer der Küste folgend, .sich iiocli mehr dem Osten iiüliert, er sich
schhesslich einer Insel gegenüber belindcn wird, welche Cipango
heisst nnd hi der Äipiinoklial-Kegion liegen soll. Dort wachsen die
S])ezereien der We l t , und dort findet man •luweleu. Auch sagt er,
da.ss er zu anderen Malen iu Alekka gewesen sei, wohin die Spezereien
aus lernen Ländern durch Karawanen gebracht werden: und wenn dann
die Kaufleute gefragt würden, wo die Gewürze wachsen, antworten
sie, dass sie es nicbt wissen: denn es kommen andere Karawanen aus
fernen Gegenden zu ihnen, welche ebenso nur mitteilen können, dass
sie ihnen ans noch weiter gelegenen Ländern zugetragen würden.«
Bei diesem Zwischenhandel von Hand zu Hand, heisst es üi der
Depesche, müssen die letzten Handelsleute die Spezereien einer Gegend
entnehmen, die mit Berücksichtigung der Rundung der Krde (presvppos/a
la rohmditä della terra) für tms im Westen liegen. Man würde dann
auf diesem kürzeren AVeg die Waaren für den l'reis erstehen kömien,
welchen sie anfänglich kosten.')
In diesen "Worten giclit .sich derselbe Yorstellungslcreis zu erkennen,
welchen wir bei den Kosmograjihen des ausgebenden Mittelalters beoliachtet
haben. Die weit nach Osten au.sgreifende Gestalt des A.siatisclien
Kontinentes sollte angeblich den Weg erleichtern und abkürzen, und
die voraussichtliche Entdeckung der Gold- luid Gewürz-Länder versprach
reichlichen Vorteil in merkantiler Beziehung. Es ist ferner
hervorzuheben, dass der Brief Soncino's nicht nur ganz die ältere
Anschauung vom W^eltbild wiederspicgclt, sondern auch in den
geographischen Hegrilfsbestimmungcn noch manche Unklarheiten erkennen
lässt, welche die Geographie der »Erdkugel« (in diesem umlassenden
Sinn) zur Folge hatte. Besonders für diese Übergangszeit
von der mittelalterlichen zur neueren AVeltanschauung ist der Mangel
eines geographischen Gesamtüberblickes charakteristisch. Schon Toscanelli
hielt es für notwendig, darauf hinzuweisen, den alteingebürgerten
Begriff vou »Ländern des Ostens« lallen zu lassen, da Ost und West
in der Erdkugel-Lehre nur relative Bezeichnungen seien, und eben jene
Gebiete elienso zutreffend die »Länder des We.stens« hei.ssen könnten.
Unser Briefschreiber hingegen bleibt hei der alten Ausdrueksweise
stehen, wenn er Cabot »nach Osten« gehen lässt (andare verso el Levante),
worthch übersetzt »nach dem Osten«, während er thatsächlich nach
Westen fuhr. Er wollte unter »Osten« nicht die Richtungsangabe
verstanden wissen; diese Bezeichnung wa r für ihn vielmehr bereits zu
') Der vom 18. Dezember 1497 datirte Brief lindet sieh im Annnario seientifico,
IMailand 1866, S. 700 nnd l)ei Ilarrisse, Cabot, Append. No. X, .S. .324 11'.
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LAIlKADOIi UND GRÖNLAND AUF DEN KARTEN. :{-27
einem Namen geworden, der als solcher für alle Zeiten an dem tinfänglich
so benannten Land haften blieb.') In wie weit hier Soncino
die Vorst.cllung Cabot's oder seine eigenen wiedergab, wird .sich
schwerhch ermitteln lassen; jedenfalls war sie der damals herrschenden
Anschauung vom Weltbdd ents]n-o.ssen.
Auf den Karten der Zeit bat Labrtulor indessen stets euie solche
Darstellung gelünden, dass man versucht ist, eine Verwechsehnig mit
Grönland anzunehmen. Dtn- Name wird dort anf ein Laiid übertragen,
welches in seiner halbuiselartig nach Süden zn gerichteten Gestalt und
seiner mehr oder weniger gesonderten Stellung auffallend an (irönland
erhniert; mau darf es nicht etwa als eine Verzerrung des heutigen Laln-ador
ansehen. Auf älteren Karten, wie z. B. derjenigen des Anonymus
der Münchener Bililiotbek (Atlas, Tafel Vl l l , No. 2), ist es sogar noch
als Insel, Terra de Lauorador, zu .sehen. Doch ist für Lalirador
besonders die Darstellung auf Pedro Reinel's Karte (Atlas, Tafel IX,
No. 2) typisch geworden, wie wir .sie später noch mehrfach antreffen;
denn der portugiesische Anonymus von 1520 (Atlas, Tafel Xll, No. 2).
sowie die Weimarer Karten von 1527 und 1529 (Atlas, Tafel XV)
stfitzen sich ohne Zweifel anf Reinel oder die von ihm benutzte Quelle.
Labrador ist auf ihnen als eine breite, nach Süden zu abgestumpfte
Halbiuselniasse dargestellt, reicht aber bis auf 55'/,° nördl. Br. herab,
während Grönland nnr bis zum GO. Grad geht. — Zwar ohne Namen,
aber in tlerselbeu Stellung, ^\•ie auf den genannten, trelfen wir Laljrador
auf einigen der ältesten Karten von Amerika an, wo die Übereinstimmung
nüt Grönland nocli klarer hervortritt. Auf den Karten
Cantino's tmd Canerio's (Atlas. Tafel VIII, No. 1) finden wir es als
eüie schlanke, im .Süden zugespitzte Halbinsel wieder, und die Karte
Salvat de Pilestriua's (Atlas, Tafel IX, N"o. 1) lässt für die Identifikation
mit (iröulaiul kaum einen Zweifel offen. Es hält allerdings schwer,
eine ansprechende Erklärung zu finden, wie dieser, augenscheinlich
nur kartographische, Irrtum Platz greifen konnte, und es lässt sich
nur annehmen, dass die Terra prima vista Cabot's ganz willkürlich
auf das ilanials wieder in den Gesichtskreis der europäischen Seefahrer
tretende Grönland iibertragen worden ist.")
.Alndieh Iconnte bei nns die Bezeichnung »Orient" zu einem Wide r spruc l i in der
Ausdrucksweise fübren.
-) Das vou Cor t e - l ï e a l aus der Fe rne gesehene Land und soudt die Darstellungen
auf Cantino's und Canerio's Karten lassen sich nur auf Grönland deuten. Wa s den Xamen
• • L a b r a d o r . , anbeti'itfl, so versucht der Zeicimer der sogenannten Wol f enbüt t e l e r Ka r t e
von l.'iSd eine ctymologisciie Deutung zu geben: Tierra del Labrador. La qual fue descubierta
por los Yiitjleses de la uda de bristol e por q el dio el lauiso della era labrador de las ilias de