
250 IV. KAPITEL. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUJIBUS.
geben uns die K i i r t e n zu erlvennen, anf denen es, -wie wir seben
werden, vielmebr dnrcli ein liypotbetisch angedeutetes Land mit
Skandinavien, also mit Evu'opa, A crlninden gedacht \\mrde.
Aber noch auf Grund eines anderen Beweismoinentes wurde die
Annahme verlbcliten, dass sieli Cohmibus, bei der Ausfiilirung seines
rianes, an frühere Entdeckungen angelehnt habe: Cohimlnis spricht
von einer Iirsel Frisland, von der die altnordischen Sagas indessen
nichts wissen, welche aber in der höchst fragwürdigen Reisebeschreibung
des Ni colo und An t o n i o Zeno genannt wird.') Es
kann heutzutage kaum einem Zweifel unterliegen, dass in diesem
Reisebericht, welcher, zusammen mit der Karte (vgl. Atlas. Tafel
No. 4), an und für sich ja erst das ^Machwerk einer späteren Zeit ist,
sehr viel Wahres und l'alsehes zusanimengewürfelt ist. Die zahlreichen
Namen, die sich auf der beigegebenen Karte liefinden, lassen
sich zum weitaus grössten Teil noch vollständig mit den heutigen
oder litterarisch uns anderweitig mitgeteilten Örtlichkeiten identificiren.
IMag man auch mit Torfaeus, ISiddle und Zahrtmann, die Reise der
Zeni für eine simple Erdichtung ausgeben.') so ist dennoch hervorzuheben,
dass das in dem Bericht gegebene geographische Thatsachen-
Material, trotz aller Entstelhmg und falschen Anordnung der Namen,
nicht völlig aus der Luft gegriffen sein kann, wie andere l'ntersuchmigen
genügend liestätigt haben.') Es fragt sich aber, wie
dann der jüngere Zeno zu diesem Material gekommen ist. Die
einzig mögliche lu'klärung, die auch schon Andere gegeben halien,
ist die, dass Zeno schien Bericht auf Grund einer ihm vorliegenden
ICarte •\-on anderer Hand zusammengestellt hat, wenn es auch
bisher noch nicht gelungen war, eine ältere Karte dieser Art aufzutreiben.
1) Die angeblieh am En d e des XIV. .Lahrhunderts ansgeführt e Reise der beiden
A'enetianer ist mit Reeht angezweifelt wo r d e n ; eine kritische Analyse derselben zu geben,
verbietet hier der Ranm. Es liegt nns kein authentischer Reisebericht aus der Hand der
beiden Zeni mehr vor, sondern n u r die wi r r e Kompilation eines ihrer Na chkommen, welcher
die im .Archiv der Familie in Venedig befindlichen Reisebriefe der beiden \ ' o r f a h r e n , als
Knabe zerrissen und zerschnitten hat, und erst später, als er ihren "Wert erkannte, mühs am
wieder zusammenstellte. Mit einer Ka r t e ve r s ehen, liess er sie nnter dem Titel erscheinen:
Dello scoprimento dell' Isole Fr i s l anda , Es l anda , En g r o u e l an d a , Estotilanda e Icaria, fatto
sotto il polo Ar t i eo, da due fratelli Zeni , M. Nieolo 11 K. e M. Antonio libro uno con un
disegno particolare di tutte le dette pa r t e die Tr amont ana da lor seoperte, Venetia 1558.
') Tor f a eus a. .a. O. ; Biddle in seinem Seba,stian Cabot 1831; Z a h r t m a n n in Nordi s k
Tidsskrift for Oldkyndighed, Kopenhagen 1834, I, S. 1 ff.
") Vgl. besonders Rieh. M a j o r , Voyages of Nicol. and .Ant. Zeno to the No r t h e r n
Seas, in der Sammlung der Hak lu y t Society 1873, und K. M a u r e r a. a. O.
qUELLENJIATKIilAL DER ZENO-KARTE. 251
Auf diesen Uurstand gründet No r d e n s k i ö l d seine Ansicht.')
Er ist der Meinung, dass der Bericht im Grossen und Ganzen durchaus
glaubwürdig und authentisch sei; denn es sei his zum Jahr 1558,
aus welchem dieser datirt ist, keine Karte veröffentlicht gewesen, auf
welche sich Zeno hätte stützen können. Am meisten zeige noch die
von ihm in der Stadt-Bibliothek zu Nancy in einem Ptokmiaeus-
Kode.x; gefundene Karte des Cl a u d i u s Cl avus von 1427 einige
Ähnlichkeit. Da sie, ebenso wie die Zeno-Karte, jenen hypothetischen,
Grönland mit Skandinavien verbindenden Länderkranz im Norden
zeigt, so sei es wenig wahrscheinlich, dass der jüngere Zeno nach
einer älteren Karte gearbeitet habe.
Hiergegen ist zmiächst geltend zu machen, dass das liandschriftliche
Karten-Material keine genügende Berücksichtigung gefunden
hat. Ereilich existirten damals, in der Mitte des XVI. Jahrhunderts,
als Zeno seinen Bericht zusammenstellte, nur wenige
durch Druck vervielfältigte Karten; um so zahlreicher aber waren
die Pergament-Karten vertreten, und bekannthtdi hat nicht zum
wenigsten Italien, und in Italien hinwiederum hauptsäehhch Venedig,
noch heutigen Tages euie erdrückende Fülle -\-on Manuskript-Karten
aufzuweisen.') Kein Wunder also, wenn Zeno in ein umfangreiches
Karten-Material Ehiblick finden konnte und .sich aus diesem, vermutlich
mit einigen Abänderrmgen, seine Karte zureelit machte.
Es fragt sich nun weiter, wo eine solche Karte existirt, die in
den Einzelheiten mehrfiiche Übereinstimmungen mit der Zeno-Karte
zeigt. Es sei hier nochmals auf die anonyme Karte von La Cava
hingedeutet, welche ich oben als ein Werk des Matthous Prunes erwiesen
habe, weil sie mit einem anderen Exemplar der Bibhoteca
Comunale zu Siena (vgl. Atlas, Tafel IV, No. 5), inhaltlich durchaus
identisch ist.') Ich halte es auch für sehr wahrschebdich, dass eine
anonyme Karte der Ambrosianischen Bibliothek zu Madand,") ebenfalls
von jenem Prunes hergestellt ist; denn diese drei Ktxrten zeigen
im äussersten Nordwesten der Britischen Insehi einen e i g e n a r t i g e n
') Om bröde rna Zenos r e sor och de äldsta Ka r tor öfner No r d e n , Stockhohn 1883
und Trois Cartes précobnnbiennes r epr é s ent ant une partie de l'Amérique.
' ) Die von Uzielli und Amat di San Filippo herausgegebenen Studi biografici e
bibliogralici sulla storia della geogral'a in Italia, Bd. I I , geben einen Begriff von dem
Reichtum, welchen die italienischen Bibliotheken und Archive an Ka r t en aufzuweisen haben.
ä) Vgl. S. 186, Anmkg. 1.
' ) Es ist dies j en e schon mehrfach genannte Ka r t e eines Anonymus des XVI , J a h r -
hunderts, in der Bibl. .Ambrosiana, Sala del Prefetto II, 5.
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