
f,4 I. KAPITEL. DAS WELTBILD DER ALTEN. DIE ERDMESSUNG. G5
Anders verhielt es sieli jedoeh in Alexandrien. An diesen beiden
Beobaelitnngs-Stationen wurde je eine Skaphe') aufgestellt, wie sie
Aristareh von Samos als ein verbessertes Mittel zur Bestimmung der
Tagesstunden statt des einfachen Gnomons eingeführt hatte. Die
parallelen Sonnenstrahlen erzeugten in Svene keinen Schatten,
wahrend in dem nördlicher hegenden Alexandrien ein solcher
bemerkt wurde, so dass das vom Schatten fixirte Bogenstück in der
Skaphe, gleich ein Fünfzigstel der ganzen (zu einer Kugel vervollständigten)
Skaphe war. Da dann also auch das Erdbogenstück
zwischen beiden Orten ein Fünfzigstel des ganzen Meridians betragen
musste. und die Entfernung der Orte von einander auf 5000 Stadien
geschätzt Avurde, so fand er den Erdumfang zu 250 000 Stadien. —
Neben dieser Zahl knrsirte aber gleichzeitig auch eine andere von
252 000, welche aus der ersteren durch willkürlichen Zuschlag von
2000 Stadien entstanden ist, um so eine durch 60 und 360 leiclit
teilbare Zahl zu erhalten (so dass also auf 1 Grad rund 700 Stadien
entfielen'-).
Dieses Berechnungsverfahren und das erzielte Resultat fanden, trotz
der mangelhaften Feststellung des 'Wegemaasses zwischen Alexandrien
und Svene, allgemeine Billigung, und selbst ein Hi p p a r c h stand
nicht an, es für brauchbar und bequem zu erklären und vorläufig
beizubehalten.'')
•) Wa h r e n d der schat tenwer lende Stab sich f r ü h e r auf einer ebenen Scheii)e
befand, und die Länge des Schattens im Verhältnis zum Gnomun die Sonneniiöhe ergab,
versetzte ihn Aristareh in ein halb-
Ivugellormiges Metallbecken, in
dessen Mitte sich der dem Radius
des Beckens gleichgemachte Gnuinon
befand, so dass man mm unmittelbar
die Zenithdistanz der Sonne (z)
an den in d e r Sk a p h e angebrachten
-Abteilungen ablesen konnte . Da
nun AA'inkel z gleich ist dem Wi n k e l
A E S , d. i. gleich der Ditlerenz der
geographischen Breiten beider Orte,
so gehör en zu diesen gleichen AA^inkeln auch homologe Bogens tücke : zum AVinkel z der
Schattenbogen, zuiti Wi n k e l A E S der Bogen A S. Hieraus folgt, dass Vbo Sk ap h e sich
zur ganzen verhält wie der Erdbogen AS zum ganzen Er d umf a n g (u). Also Y^o : 1 = AS : u,
mithin u = 50 AS . — Cleomed. 1. 10; St r abo II, 77; PI. h. n. II, 183; Marc. Capella VI, 596.
S e i d e l (Erat, f r aggm. . Göttingen 1789, S. 58) schreibt sie dem Eratosthenes selbst
zu; ihm neigt auch Berger zu (Erat. 141; Wiss. Er d k d e . H l , 83). — Andere schrieben sie
dem Hip pa r ch zu; Ki epe r t (Lehrb., S. 6); Abendroth (S. 37); Schäfer (S. 21).
') Strabo I, 62; I I , 113. A'gl. Be r g e r , Hi p p a r c h , S. 24.
Dennoch wairde bald darauf die Erdmessung abermals wieder
aufgenommen, und zwar von P o s i d o n i u s , der den Erdbogen
zwischen Rhodos und Alexandrien als den 48. Teil eines Meridians
berechnete. Über die terrestrische Entfernung beider Orte hat er
jedoch zu keinem abschliessenden Urteil kommen können; einmal
schätzte er sie zu 5000 Stadien und gab so der Erde einen Umfang
von 240 000 Stadien, später aber nahm er sie zu 3750 Stadien an und
v e r k l e i n e r t e somi t den E r d umf a n g bis auf 180 000 St adi en. ' )
Diese Zahl gewami in der Folgezeit allgemein an Bedeutung; wie
Marinus von Tyrus, so nahm sie auch Ptolemaeus in sein System
auf") Trat zwar auch später im Mittelalter die Eratosthenische Berechnung
von 252 000 Stadien wieder in den Vordergrund, so bevorzugte
man doch im XV. Jahrhundert mit der Aufnahuie der
Geographie des Ptolemaeus auch dessen 180000 Stadien, und die.ser
Schritt wurde von entscheidender Bedeutmig für die lange geplante
"W^estfiihrt nach Indien.
Als die Vorarbeiten für die Geographie der Erdkugel erledigt
waren, machte man sich weiter an die Aufgabe, die bisherigen Ergebnisse
der Länderkunde für dieselbe zu verwerten. Zunächst galt
es, über die Gestalt und Lage der Oikumene auf der Kugel sich zu
entscheiden, und besonders auch über ihre Ausdehnung nach Länge
und Breite im Verhältnis zur Grösse der ganzen Erdkugel eine sichere
Gpundlage zu gewinnen. Anfiings fehlte das nötige Thatsaehen-
^laterial hierzu, vor Allem eine Reihe brauchbarer und sicher ermittelter
Entfernuugs-Angaben; man wagte daher über die Länge
und Breite der Oikumene sich iiur in allgemeinen Verhältniszahlen
auszudrücken. So erhihren wir aus Agathemerus, dass sowohl
Demokrit wie Dikaearch dieses Verhältnis wie 3 : 2 bestimmten,')
') Die astronomische Be r e chnung des Posidonius k n ü p f t sieb an eine Beobachtung
des Sterns Ka n o p o s , welcher in Rhodus sich mu- um ein Geringes übe r den Hor i zont erhebt
und kur z e Zeit sichtbar wi r d, währ end derselbe Stern in Alexandrien in der Kulmination
tun den 48. Teil des Aleridians übe r dem Horizont steht. — Die Be r e chnung von
210000 Stadien bei Cleomed. I, 10 — die von 180000 bei St r abo I I , 95, 102. — Str.abo
und Agathemerus s chwanken zwischen 2 5 2 0 0 0 und 180000. Vgl. Forbige r Handb. I, 359,
Anm. 27, 29, sowie Le t ronne : Übe r die beiden Blessungen der Er d e , die man dem Posidonitis
zuscln-eibt, (im .Anhang zu Lelewel's Pytheas, S. 121).
-) Ptoleniaeus befolgte ein anderes astronomisches A-erfahren, indem er an irgend einer
Stelle eines Aleridians ein genau 1 Grad betragendes Bogenstück zu bestimmen suchte, f ü r welches
sich eine Länge von 500 Stadien ergab, mithin für den ganzen IMeridian 500 • 360 — 180000.
Agathem. geogr. intbrm. I, 2 (Geogr. Graeci min. II, S. 471) : II^^-oc Sa Avjuo^^iroc
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