
I \ ' . K.VriTEL. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLU.MIiUS.
in seinem Tagelnich znm 9. Jaminr. dass er drei S i r e n e n gesehen
liabe, wekdie hoeli ans dem 31eer gesprnngen seien, aber nieht so
seliüii gewesen seien, als man sie zu malen pflege. Auf einer Irüheren
Reise an der Küste von Guinea wollte er diese Meerwunder schon
ehimal beobachtet haben.')
Als eiue Renüniscenz an die Sagen der Alten müssen Avir es
ferner ansehen, wenn er mehrfach einer Insel Erwähnung thut. die
ausschliesslich von AVeibern bewohnt werde, welche ni ihrer Lebensweise
und ihrem kriegerischen Charakter au die Amazonen erinnern.
In Sehlem Tagebuch zur ersten Reise spricht er bereits von dieser
Insel, welche östlich von Jamaica liegen sollte'), und in dem
Schreiben an Sanchez gielit er eine nähere Beschreibung derselben
und ihrer Bewohner. Die Lisel heisst naeh ihm Mathcnim, und bei
der Überfahrt von Spanien nach Indien tritl't man auf sie zuerst.
»Die AVeiber auf dieser Insel verrichten keine Erauenarbeit, bedienen
sich vielmehr des Bogens und der Pfede, wie ich dies von diren
Männern (den Kanibalen) berichtet habe, und verteidigen sich mit
Schilden von Erz, von welchem Metall es eine sehr grosse Menge
anf der Insel giebt.« Mit den Männern der Nachbarinsel kommen
') Nava r r e t e I. 130 zum 9. J a n u a r : El dia pasado . . . dijo que vido 1res serenas que
salieran bien alto de la mar, pero no eran tan hermosas como las pintan, que en alguna martera
tenian forma de liombre en la cara. Dijo que otras veces vido algunas en Guinea en la Costa de
la Manegueta. llistoi 'ie, cap. 4, S. ' J a : nel primo libro del primo viaggio dice. che eqli vide
ahnine Sirene nella costa della Manegveta: henche non fossero ianto simili alle donne, corne elle
si dipi7iyono. Vgl. ferner noch H n g e (Zeitalter, S. 254), der an die Sirenen des Beha ims che n
Globus erinnert. Übrigens bringt auch der Schöner'sche Globus von 1520 (vgl. Atlas,
Talel XI l ) eine auf die Sirenen bezügliche Legende im Indischen SIeer (ohne Zweifel nach
Behaim).
Navarrete I, 127 zum G. J a n u a r : Tamhien, diz, que supo el Ahnirante que alli hdcia
el Leste, (von Yamaye!) hahia una isla adonde no habia sino solas mugeres y esto diz que de
muchas personas lo sabia. I. 134 zmn 13. J a n u a r : De la isla de Matinino dijo acquel indio
que era toda poblada de mugeres sin hombres. Zum IG. J a n u a r (Navarrete I, 140) berichtet
er einiges Nfibere über diese Fr auen. "Die Indi aner sagten mir, ich wü r de auf diesem
"Wege die Insel Matinino l inden, die nach ihrer Angabe nur von Fr auen bevölkert ist. Ich
bemühe mich, sie auf zusuchen, um Eur en Holu-iten i'ünf oder sechs Exempl a r e dieser Bewohner
mi t zubr ingen, aber ich zwe i f l e , ob die Indianer den \Veg dorthin kennen . . . Doch
bin ich der Existenz dieser Insel gewi s s , und ebenso, dass zu einer bestimmten Jahreszeit
die Männe r d e r Insel Carih tlie Frauen besuchen. We n n diese einem Knaben das Leben
geben, schicken sie ihn auf die Insel der IMänner, die Mädchen behalten sie bei sich.
Diese beiden Inseln sollen nicht me h r als 15 bis 20 Léguas von dem Or t e , wo ich au<;fnhr,
entfernt sein. Aber ich vermute, dass sie im Südwes ten liegen, und dsvss die Indianer den
Weg nicht kennen. " — P e r a g a l l o ' s Ausfälle (Cristoforo Colombo c la sua famiglia,
Lisboa 1SS8, S. 291 ff.) gegen Harrisse's sachgemässes Urteil in diesen Fr agen sind
unmaassgeblicit und bedürfen ke ine r ernsthaften Widerlegimg.
DIE AMAZONEN-INSEL M.\THENJ3r. 283
sie nur zeitweise zusainmeji, um ihr Gesolüeclit fortzupflanzen.')
Columbus nennt zwar den Namen der Amazonen niclit; dies tlnit erst
sein Freund Petrus Martyr, der diese Erzäldung nach den persönlichen
Mitteilungen des Admirals in seinen Dekaden aufführt und der
alten Sage noch mehr anpasst. AVie zu den Lesbischen Amazonen
die Thraker sich gesellt haben, so gehen zu jenen der Insel Madan-
7ima(I) die Kanibalen. Von den Kindern dieser Ehen schicken sie
die Knaben den Männern, die Mädchen behalten sie zurück. Sie
wohnen in unterirdischen Klüften, von denen aus sie sich gegen
lierannahende Fremde mit ihren Pfeilen verteidigen.-)
Etwas zweifelnder verhält er sich den übertriebenen Erzählungen
von «Menschenfressern mit ITundsgesichten« und der angeblichen
Existenz von »Leuten mit Schwänzen« gegenüber. So erwähnt er
in dem Sanchez-Brief die Provhiz Anam, deren Einwohner mit
Schwänzen geboren werden.^) In seinem Tagebuch zum 4. November
spricht er von anderen Menschen, welche nur ein Auge auf der Stirn
haben, und solchen, welche die Natiu' mit Hujidemäulern (/iocicos de
perros) bedacht hat, und welche Menschen fressen."') Dennoch sagt er
an ehier späteren Stelle, wo er die Geschichten wiederholt, dass er
Navarrete 1, 192: Iii sunt qui coeunt cum qnilmsdam feminis, quae solae insulam
Mathenim primam ex Ilispania in Indiam traJicientiOiis inhabitant, Ilae autem feminae nullum
sui sexus opus exm-cent: utuntur enim arcubus et spiculis, sicuti de ear um conjugibus dixi, m7t7nunt
sese laminis aeneis, quarum maxima apud eas existit.
Martyr, Dec. I, cap. 2. 8. 13: Apparuit a Septentrione grandis quaedam i?isula. Et
qui prima navigatione in Ilispania vecti fuerant ei qui a Canihalibus redempti, vocari instdam ab
incolis Madannina afßrmarunt. quam solae mulieres inhabitant. Ad nostrorum aures primo itimre
de hac iiisula fama devenerat. Ad eas haud secus Canibales certis annis temporibus concederf
creditum est, atque ad Amazonas Lesbicas trans/retasse Thraces retvlit antiqniias: et eodem modo
filios ad genitores mittere ahlactatos, feminas autem apud se retinere. Ilas mulieres subterraneos
grandes cunicïilos habere aiunt, ad quos, si alio quam constituto tempore quisquam ad eas proßciscatur^
con/ugiant. Unde si aut per vim, aut per insidias tentare aditum sequentes audeant,
sagittis sese tueantur. qnas certissimas iacere creduntur. A'gl. ferner Dec. I I I , cap. 9 . S. 267. —
Welche Insel Columbus unte r Matinino verstanden ba t , da rübe r gehen die Ansichten der
Forscher auseinander. Schon die Schreibung des Namens ist uns verschieden überliefert.
Im Tagebuch lautet sie Matinino. im Brief an Sanche z : Mathenim, Pe t rus Ma r ty r
schreibt Madannina, die Historie (ca]). 6 2 , S. 148a) Matrimino, He r r e r a Martinino.
Man s chwankt e zwischen der Antillen-Insel St. L\icia und IMartinique. F ü r erstere Annahme
trat Navarrete ( I , 282) ein. Doch beweisen die Weimai-er Karten von 1527 und 1529,
welche ^latiniiio auffiihren und zugleich St. Luc i a , dass mit j ene r nur Martinicpie gemeint
sein kann. Vg l noch Ko h l , die beiden ältesten Gene r a lka r t en, S. 100.
Navarrete I, 188 (Brief an Sanchez): duae, quas non petii, supersunt provinciae,
quarum alteram Indi Anam vocant, cuius accolae caudati nascuntnr.
Navarrete I, 48 (zum 4. No v emb e r ) : Etendió tamhien que IPJOS de alli habia hombres
de un ojo, y otros con hocicos de perros que comian los hombres. I, G3 (zum 23. Novembe r ) :
Bohio . . . que habia en ella gente que tenia un ojo en la /rente.