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274 IV. KAPITEL. DAS WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUMBUS.
Scliille drei Jahre lilielieii; diesen Berg besitzen Eure Hoheiten imnmehr
in der Insel Hispaniola«.') Dass üphir im iius.sersten Osten gesneht
A\-nrde, ist mehr nui- ehie Spelailation der Stubengelehrten, welche
dorthin alle jene Länder wertvoller Metalle, die Liseln Chryse und
Argyre und den Goldenen Chersones verlegten. Columbus betrachtete
es als seine Hauptaufgabe, diese Goldländer aufzusuchen, und, um
seinen Landsleuten in der Heimat zu imponiren, legte er den von
ihm aufgefundenen t)rtlichkeiten jene altertümhchen Namen bei,
welche auf den Karten, iu den Kosmograjihien und der romantischen
Reise-Litteratur so oft genannt worden sind.
Daher wa r ihm auch Zipangn, von welchem es auf dem
Behaim'schen Globus heisst: »In der Insel wechst iibertrelflich vil
Gohlis, auch wechst do allerley Edelgesteins, Perlein Oriental«, ganz
der geeignete Name, um die goldgierigen Gemüter seines Zeitalters zu
reizen. Petrus Martyr war für solche Erzählungen von antiquarischem
Interesse nicht zum wenigsten empfänglich. Es feldte jedoch auch
nicht an Solchen, die ülier Cohmibus unbarmherzig den Stab brachen,
wenn ihn nnter Anderen B a r r o s als einen »Gro.sssprechern huistellt,
»eingebddet auf seine Eähigkeiten, überspannt und rein besessen mit
seiner Insel Zipangu«.')
Kehren wir aber zu seiner Eestlands-Hypothese zurück. — Er
hatte mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, dass die Südküste
Cuba's aus ihrer ursprünglichen Ost-AYest-Richtung plötzlich nach
Süden zu umbiegt, und dass sehr wahrschcinhch dieselbe Küste am
Äquator wieder auftauchen könnte. Seine dritte Reise von 1498 galt
der Aufgabe, d i e s e F e s t l a n d s k ü s t e in s ü d l i c h e r e n Br e i t e n a u f -
z u f i n d e n . In dem obengenannten Brief beschreibt er den Kurs seuier
Fahrt, die dies Mal über die Kap-Yerden führte, um von hier aus
südlich zu halten bis zum Äquator liin (fasia dehajo la linea equinocial)?)
Am 31. Juli traf er auf das südöstliche Vorgebirge (Piinta de la Galea)
der Lisel T r i n i d a d und fuhr von hier aus durch den schmalen,
strudelei'fiUlten Kanal, welcher von der Insel und dem Land Gr a c i a
gebildet wird, stets der Küste westwärts folgend, in den Golf von
Paria ein. Da er Paria für eine Insel hielt, so holfte er, im Westen
1) Niivari-ete 1, 244. — .\ricii P e lms Mai'lyf fliiit diesei- \'eriiitiliiii<; des ('üluiiibus
nielirfafh Erwiilimiiig; Dec. I, cap. 1, S. 4; Ad Orientcm igitur proras vertens Ophiram
insulam sese reperisse refert; Dec. I, cap. I I I , .S. '24: Imula iiec Hispaniola, quam ipse Ophira
de qua legitur Regum tertio, esse asseveral; Opus episl., .\Ü. 16Ö, .S. 9 2 : Hispaniüla, quam
Admirantus ipse ColontLS, ianti aulor inventi Ofjiram Salnmonis aurifrxlijtam putat.
••') B a r r o s , da .Asia, Dec. I . 1. I I I , cap. I I .
Navarrete I, 2.)4.
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COLUMBUS A3I ORINOKO. - ! U
einen Ausweg zu linden; aber je weiter er vordrang, desto süsser
wurde das Wasser, und er folgerte liieraus, dass der Kanal dort einen
Abschluss haben müsste. Er sah sich daher gezwungen, durch die
nördliche Ötliiung, den gerähi-hchen Drachenschlund (Hocca del Drago),
das freie Meer wieder zu gewuinen, und liess sich durch die Strömung
westwärts bis zur Insel Margiierita treiben, stets die Nordküste der
Halbinsel Paria im Auge behaltend, die er n u n m e h r a l s eine Fe s t -
l a i i d s k ü s t e e r k a n n t e . »Ich sehe«, heisst es bei Las Casas, »dass
dieses Land ein umfassender Kontinent ist, von dem man Iiisher noch
nichts gewusst hat, und hierfür spricht besonders die r n z a h l breiter
Ströme, die das Meerwasser süss machen.«') Euien besonders tiefen
Eindruck hat auf ihn das Mündungsgebiet des Orinoko gemacht,
dessen unendliche Wassermassen sich weit in's Meer hineinwälzen und
tlurch die Strömung diiim westwärts getrieben werden. Zwar hatte
er die beiden Haupt-Mündungsarme dieses Stromes garnicht zu Gesicht
bekommen,') sondern nur den Rio Guarapich (Manamo)') kennen
gelernt, welcher ihn auf die Nähe ehies grossen Stromes sehhessen
liess. Aber noch mehr als das, er zog nun die weitere Folgerung,
dass die Existenz eines so grossen Stromes auch d a s Vo r h a n d e n -
sein e i n e s e n t s p r e c h e n d g r o s s e n L a n d e s nötig mache. »Dieser
Strom«, schreibt er im Brief von 1498, »ist so gross, dass man
ihn eher ein Meer als euien See nennen möchte; denn ein »See«
ist eine kleine Wasseransammlung, und man nennt ihn »iMeer«, wenn
er bedeutender ist, wie man auch von dem Meer von Galilaea und
dem Toten Meer spricht. Aber ich behaupte, dass, wenn jener Fluss
nicht aus dem irdischen Paradies kommt, so kommt er sicherlich aus
einem unendlich grossen L a n d g e g e n S ü d e n zu, v o n we l c h e m
man b i s h e u t e n o c h k e i n e Ke n n t n i s s e ha t t e .«' ) »Ich glaube,
dass dieses Land, welches Eure Hoheiten mir zu entdecken befahlen,
u n g e h e u e r g r o s s i s t , und dass es n o c h v i e l e a n d e r e L ä n d e r im
Süden giebt, von tlenen man noch niemals Kunde erhalten hat.
') I.as Casas, Ilist. de las ludi a s , cap. 1 3 7—1 3 9 . — Er g,ab der Halbinsel den
Indianer-Nauieu Paria; Nava r r e t e 1. 250: me dijernn como llamaron d esta tierra Paria,
2) Diese fand erst \'icente Yane / Pinzon ini J a h r 1500.
') Vgl. Nava r r e t e I, 2 5 3 , Anm. 1.
' ) Nava r r e t e 1, 262.
N a \ a r r e te 1, 259. Ilierzu vgl. He r r e r a I, lib. HI . cap. IX. Unverständlich bleibt
es mir, dass Pe t rus Mai-tyr (Dec. I, cap. 6, S. 66) nocii sagen k o n n t e : Sed quod Paria sit
vel non sit eontinens, Praefeeùus non contendit; eontinentem ipse arbitratur. Dagegen heisst es
einige Zeilen vorhe r mit Bezugnahme auf die Entde ckungen der Nachfolger des Columbus :
Hanc (terram) qui postmodum aeeuratius utilitatis causa investigarunt, eontinentem esse Indtcum
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