
48 I. KAPITEL. DAS WELTBILD DER . \LTEN. ZONENLEHRE. 49
Strecke vorwärts gekommen und daim umgekehrt, so dass hierdurch
Viele in der Meinmig bestärkt vrarden, dass die vollständige Umschitfung
nur durch enien Isthmus unmöglich gemacht sein könne.« —
Sachlich ist es jedoch ziemlich gleichgültig, ob nur eine schmale
Landenge oder unmittelbar eni breiter Kontinent das Atlantische Meer
vom Indischen scheidet; denn jene schmale Landenge kündigt ja als
solche selbst schon den Ubergang zu einem umfangreichen Kontinent
an, der dann, ebenso Avie bei Ptolemaeus, die beiden Meere im Süden
begrenzen muss. Denn dass Ptolemaeus auch den Atlantischen Oeean
abzuschliessen geneigt war, ersieht man daraus, dass er die AvestUche
Küste Afrikas unterhalb des Äquators scharf nach Westen umbiegen
lässt, wie dies bei der östlichen nach Osten der Fall war. Das innere
Aethiopien wird im Westen zwar in seinem nördlichen Teile noch
vom Westlichen Oeean (ÄUTIXO? 'axtavig) bespült, läuft aber dann, wie
nach Süden, so auch nach Westen in eine Terra incognita über, was
auch auf den mittelalterlichen Karten zu seiner GeogTaphie darzustellen
niemals unterlassen ist.') Wie sich Ptolemaeus den Abschluss
des Atlantischen Meeres nach Westen imd Korden gedacht
haben mag, wird nicht ausdrücklich gesagt; aber dass man sich auch
dieses als Becken dachte, geht aus einer Notiz bei Strabo hervor,
Avo es heisst, dass es Leute gäbe, die behaupten, das Äussere Meer
bestehe aus ZAvei Meeren (&S-ctÄceTTav).-) Jedenfalls muss die systematisch
durchgeführte Geschlossenheit der Oceane auf der ganzen
Erde durch ehie kontniuirlich zusainmenhängende Festlandsmasse
vielfach Anerkennung gefiuiden haben. Demi auch in dem geistreichen
Dialog Plutarch's »Uber das Anlitz im Monde« Avird dieser
Lehre Erwähnung gethan, wo die seltsamen Figuren ,aiif der Mondscheibe
als ein getreues, durch Reflex erzeugtes Spiegelbild der
Länder und Meere auf der Erde angesehen werden, aus denen der
kontinentale Zusammenhang und die Isolirung äer Meere leicht
ersichtlich sei.")
Ungleich besser unterrichtet sind Avir über die auf der Lehre von
der Inselgestalt der Oikumene sich gi-ündende systematische Ausbildung
der Hypothese einer von mehreren Kontuiental-Inseln erfüllten Erdoberfläche;
Avir shid auch mehr oder weniger ni der Lage, die verschiedenen
Umwandlungen imd Variationen derselben zu verfolgen
') Ptol . IV, 8, 1.
Strabo 1, 5.
P l u t a r c h, de facie in o r b e Inna e p. 921: usr, ort atct ipVTtg
Iv r^ o'iof E'^j^O'jtcc.
und sie überhaupt in ehi höheres Alter zurück zu verfolgen, als es
bei der so eben besprochenen möglich war, welche erst in ihrer
zuletzt erreichten Gestalt bei Ptolemaeus uns eiiügermaassen bekannt
geworden ist, aus einer Zeit also, als bereits alle erforderlichen Vorfragen
erledigt waren. Hierzu gehört die F r a g e n a c h d e r Bew
o h n b a r k e i t u n d Bewo h n t h e i t d e r drei ü b r i g e n E r d v i e r t e l ,
die in engster Beziehung zur Z o n e n l e h r e steht, sowie die F r a g e
nach de r p h y s i s c h e n Mö g l i c h k e i t v o n An t i p o d e n überhaupt.
Schon die ältesten Vertreter der Lehre von der Kugelgestalt der
Erde, die Pythagoräer und Eleaten, hatten eine Einteilung der Ei-doberfläche
vorgenommen. Die auf Grund der jährlichen Bewegung
der Sonne erfolgte Teilung des ganzen Himmels in fünf Zonen, und
ferner die Annahme einer genau im Mittelpunkte des Weltalls verharrenden
Erde führten notwendig zu dem Versuch, die Kreise des
Himmels auf die Erde zu übertragen und auf ihr in analoger Weise
die fünf Zonen zu unterscheiden. So soll es bereits der Begründer
der Kugellehre bei den Griechen, Pythagoras, gelehrt haben.') Aber
erst Parmenides hat diese rein mathematische Maassnahme für die
Erdknude eigentlich fruchtbar gemacht, indem er die klimatographischen
Ergebnisse der ionischen Geographen auf diese neue Einteilung
anwendete.-') Er bestimmte auf Grund der physischen Eigentiimlichkeiten
der verschiedenen Erdstriche, die die höchsten Extreme
im äussersten Norden und Süden aufweisen, und nach Maassgabe
der verschiedenartigen Beleuchtungs- und ErAvärmungsverhältnisse, die
'} Plut . plac. phil. 111, 14; vgl. Pl u t . de oracl. def. S. 4 2 9 ; S t r a b o I I , I I I . — Da s s
lediglicli diese Üb e r t r a g u n g d e r a s t r o n omi s c h e n Zo n e n da s AVerk de s P y t h a g o r a s s e i , a b e r
nocii nicht die Be s t immtmg d e r p h y s i s c h e n Be s c h a f f e n h e i t d e r s e l b e n , s u c h t B e r g e r (Wi s s .
Erdkde. I I , 36 f.) n a c h z uwe i s e n , i n d em er e inen h i e r a u f b e z ü g l i c h en Zu s a t z von pl ac.
pliil. I I I . 14 l'ür eine s p ä t e r e I n t e r p o l a t i o n e r k l ä r t .
-) Bei den l o n i e r n wa r e ine Üb e r t r a g u n g d e r Himme l s z o n e n auf die E r d e n o c h ni cht
d e n k b a r , so lange sie die E r d e f ü r eine Hache Sc h e i be hielten. Wi r wi s s e n , da s s sie i hr e n
Horizont n a c h den Au f g a n g s p u n k t e n d e r S o n n e an d e n T a g e n d e r S o n n n e r - u n d AVintersonnenwenden
u n d d e r T a g - u n d Na c b t g l e i c h en einteilten u n d d e n Bä r e n k r e i s als Gr e n z e
des stet.s s i chtba r en Te i l e s de s Himme l s k a n n t e n . Hi p p o k r a t e s n immt a u c h eine Te i l u n g
der AVinde in ka l t e u n d wa rme v o r , je n a c h d em sie von No r d e n o d e r S ü d e n -wehen. Di e
Gegensätze de s n ö r d l i c h e n u n d südl i chen Kl ima ' s u n d d e r a l lmähl i che Üb e r g a n g zwi s che n
beiden ve r anl a s s en i h n , vi e r kl ima t i s che Ab s c h n i t t e ( k a l t e n , g emä s s i g t k ä l t e r e n , gemä s s i gt
wärmeren u n d wa rme n ) a n z tme hme n , die inde s s en mit den aus d e r Ku g e l l e h r e b e d i n g t e n
Zonen ni cht das ge r ings t e zu t h u n h a b e n . Hi p p o c r a t . ed. Li t t r e I I , 1 4 , 18, 2 2 , 54. Be r g e r ,
AViss. E r d k d e . 1, 5 6 , 95 ff. Pl inius s c h r e i b t die Zo n e n l e h r e i r r i g s chon d em An a x ima n d e r
zu. — Di e Ve r b r e i t u n g ioni s che r Le h rme i n u n g e n d e r p h y s i s c h e n Ge o g r a p h i e bi s n a c h
Italien s che int d u r c h den Be g r ü n d e r d e r eleatischen Sc h u l e Xe n o p h a n e s , d e r , aus Ivolophon
g e b ü r t i g , selbst ioni s che r Ab k u n f t w a r , e r folgt zu sein.
tv retB c hme r , Entdeckung Amerika's. 7