
1 ( ) 8 III. K. \PITEL. DIE KENNTNIS VOM .\TI,.\NT. OCE.VN A OK COLIMIBI S.
nur (lie liewolincr des Atliis-(;eliirges .sellist verstanden hat.') nieht im
Geringsten gefördert. El)enso wenig vermögen Erörterungen ülx'r die läeziehungen
zwiselien Sai's und Atlien, oder zwischen der Göttin Neitli und
Pallas Athene, Licht iu die Frage zu bringen. Vielmehr deutet Alles
darauf hin, dass die Atlantis-Sage erst jüngerer Entstehung ist, mit einem
"Wort: dass sie erst von Piaton sell)st geschaifen sein kann. ILimboldt,
welcher auch auf die.sen Mythus gelegentlich zu sprechen kommt.'-) hebt
mit Xachdruck hervor, »dass mau vor allen Dingen das Alter des
Jlythus zu bestätigen suchen müsse, den man mit rnr e cht für ein
dichterisches Erzeugnis der Platonischen Zeit gehalten habe, iür ehien
geschichtlichen Roman«. Lu Anschluss an Aug. Eoeckh weist er auf
eine Notiz des Scholiasten zu Platon's Repul)lik') hin, wo es heisst,
dass in Athen am Feste der kleuien Panathenäen ein Peplos der Athene
in feierlichem I'mzug getragen wurde, auf •welchem der Kampf der
Athener unter der Obhut der Athene gegen die Atlanten dargestellt
war.') Dass diese Nachricht eines doch nur höchst zweifelhaften
Zeugen nicht als Beweis für das hohe Alter des :Mythus angesehen
werden darf, lehrt zunächst ein Vergleich mit der Darstellung b(>i
Platou; denn es i.st unvereinbar mit einander, dass sich Stdon mit
h'bhafteni Staunen von den ägyptischen Priestern eiiK^ Geschichte
erzählen lassen kann und diese späterhhi dem nicht minder erstaunten
kritias wiedererzählt, während zu derselben Zeit in Atlien ein Peph)s
Inn-umgetragen Wirde, auf welchem das ganze Ereignis bereits in
^ffgi^ abgebildet worden war.
Es kann meines Erachtens der Atlantis-Mythus nur aus der
poetischen Darstellmigsweise des Platou sellist begriffen werden,
und alle Nacliforscluuigen nach der vermutlichen Entstehung des Mythus
•sollten .sich lediglich auf eine Erinittelung der einzehien Faktoren lieschränken,
auf Grund deren Platou diese Erzählung im wahren Shin
des Wortes e r d i c h t e n konnte. Denn dass .sie eine freie Eründung
ist, haben die Alten bereits hervorgehoben, und Plato war weit
davon entfernt, seinem Phaiitasiegebilde eine historische oder geograjdiische
Bedeutung beizulegen.') Er lässt die Insel vor unseren
') He r o d o t IV. 184.
Krit. Unt e r s . I. lliS.
>) .Seliol. in Plat, rempiibl. S. 327.
'1 Vielleicht liegt ntn- ein I r r t um des .Scholiasten v o r , d e r es mit dem Kamp f d e r
Athener unt e r Ob h u t d e r Athene gegen die Pallantiden (!) ve rwe chs e l t e .
') Eben j e n e r Ga t t u n g frei e r f u n d e n e r In.seln gehi'irt auch die Me r o ] ) i s Th e o p omp ' s
an, ein Erdt<'il von b e d e u t e n d e r Grös s e im We l tme e r , dessen Bewo h n e r doppe l t .so gro.ss
wie wi r sin.l und eine ents]>rechend lange Le b e n s d a u e r haben. (Aeliani l a r . historiae III, 18;
C.RUNDL.\GE DES PLATONISCHEN ATLANTIS- J IYTHUS. 1 6 9
Augen e n t s t e h e n u n d v e r g e h e n , nicht anders, .sagt Strabo bezeichnender
Weise, als wenn Homer die Mauer der Achäer aufbauen
und wieder verschwinden lä,sst. (ileichwohl hielt er es für nötig,
seinein Alythns eine historische I'nterlage zu geben, nicht etwa um
den Leser zu täuschen, sondern allehi, um das Phanta.stische und
Unglaubliche seiner Erzählung durch einen Schein dokumentarisch
nachgewiesener, historischer Tri^iie zu mildem. Er beruft sich auf
ägyptische Mittedungen, weil schon damals die Ägypter anf eine
taii-scndjährige A'^ergangenheit zuri'ickblicken konnten, und nur von ihrer
Seite ehüger Aufschluss i'iber die urälteste Ge.schichte zu erwarten
war. Um eine Kontrole unmöglich zu inachen, verlegt er die Ubermittelung
dieser ägyptischen Nachrichten bis in die Zeiten Solon's zurück,
der sie nicht schriftlich, sondern auch nur mündlich seinen
Nachkommen hinterlassen habe. Vorsichtiger hätte ein Geschitditsfälscher
unmöglich zu AVerke gehen können! — Dem entsprechend
verlegt er auch die Insel an ehien Ort, der trotz der genauen
Beschreibung ein Utopien war. Dort draussen, im äusseren Weltmeer,
weit hinter den Säulen des Herakles, war noch Raum für solche
Phantasiegebdde; die mangelhafte Kenntnis dieser Gegend kam ihm
für die Lokidisirung seines Märchens treiflich zu statten, und um allen
neugierigen Fragcrii von vornherein das AVort abzu,schueideu, lässt
er die Lisel in den Fluten des Oceans wieder versinken.
AVollen wir die Grundlage prüfen, auf der sich sein Mythus entwickelte,
so liegt es nahe, an zahlreiche ähnliche geologische Mythen
zu denken, welche sich i'iber die gewaltigen Länder-erschütternden
Katastrophen der Vorzeit gebildet hatten. Zu ihnen gehört auch der
Untergang des fabelhaften Landes Lycaonien (Lyctonien), welches enist
das Becken des Mittelmeeres von Cypern und Eiiboea bis Korsika eingenommen
haben sollte. Humboldt glaubte gemeinsame Züge mit Platon's
Atlantis zu erkennen und ist geneigt, anzunehmen, dass der Mythus
von Lyctonien nach und nach weiter westlich i'iber die Säulen des
Herakles hinausgeschoben wurde und durch die dichterische Aussclimi'ickung
Platon's zu einem Atlantis-jMythus wurde. — Mag dem
Sehl, wie ihm wolle, sicher ist, dass sich Platou an andere Vorbilder
anlehnte, die nicht so ausschliesslich der ^lythologie, als vielmehr der
wissenschaftlichen Erdkunde entnommen zu sein scheinen. Wi r
wissen, ehien wie breiten Raum die Uiitersiicliungon der säkularen
Geogr. Graeci min. I, 289.). Gaffarel sieht na tür l i ch in di e s e r Er z ä h l u n g eine An s p i e l u n g
auf Ame r i k a , ebenso Avie in dem I v r o n i s c h e n ode r S a t u r n i s c i i e n K o n t i n e n t , von
Avelchem wi r bei Phi tnr ch (de fac. in orbe hma e ed. Di d o t , S. 1 1 5 1—1 1 5 3 ) lesen.
K r c t s c h r a c r , Entdeckung Amerika's. 22