
IV. K.\PITEL. D.\S WELTBILD ZUR ZEIT DES COLUMBUS.
A r c l i i p e l , d e r auf a l l e n d r e i in de r Zeielinuiin' u n d in de n
L e g e n d e n v o l l k omme n ü b e r e i n s t immt . — Wi r .sehen mimittelbar
nordlieh von Sehottland noch die südliehe Küste einer an.scheinend
viereckigen Insel, welche den Kamen Estilanda führt, weiter westlich
folgt dann eine ebenfalls quadratische, nüt zahlreichen Orts-Legenden
versehene Insel Fixlanda (!). Wi r haben in ihnen unzweifelhaft die
Inseln E s t l a n d und E r i s l a n d a der Zeno-Karte zu crkcuiLcn, von
denen jene die üruppe der Shetland-Liseln, diese die tTi-uppe der
Earöer darstellen soll, welche beide irrtümlich zu je einer grossen
Insel vereinigt sind.') J a , die IHiereinstimmung mit der Zeno-Karte
geht sogar soweit, dass vvir auch die beiden kleineren Inseln. Neoi/ie
und Porlanda, zwischen Estland und Frisland, bei Jlattheus Prunes
verzeichnet linden.") Dieses auffällige Zusammentrellen derselben
Inseln und ihrer Namen kann doch nicht blosser Zufall sein; im
Ocgcnteil, sie bestätigt nur die schon von Anderen gehegte Vermutung,
dass Zeno eine ältere Karte benutzt haben müsse. Ob es gerade die
lies Mattheus Prunes wa r , vermögen wir nicht zu entscheiden: es erscheint
sogar ausgeschlossen, da Prunes nur den südlichen Teil jener
In.selwelt bietet, Island und Grönland aber, wegen Mangels an dem
hierzu nötigen Raum, auf der Karte fehlen, — oder man miusste
gerade annehmen, dass Zeno sich die übrigen Teile der Karte hiuzukoinponirt
habe. Jedenfalls giebt sich ans der Übereinstimmung
beider Karten zu erkennen, dass sie dann wenigstens nach einer und
derselben Vorlage gearlieitet sein müssen, dass also die Zeno-Karte
keineswegs ohne Vorbild ist. AVollte man gegen meine Deutung den
Einwand machen, dass sich die Übereinstimmungen daraus erklären,
weil Prunes seinerseits die Zeno-Karte kopirt habe, so dürfte diese
Voraussetzung wohl am liesten durch die Thatsache widerlegt werden.
Tlieoli. Fischer (Sammlung mittelalterlicher We i t - und S e e -Ka r t e n , S. 45 1'.), der
sich nur auf die mangelhaften Lesungen de Luca's stnt/.en konnt e , fand für diesen .\rchipel
keine Erkl ä rung. Die ztun Teil aus dem schlechten Zustand der Kar t e von La Cava sich
erklärende falsche Lesart Aalanda (statt Fixlanda) führ t e ihn zu der .'Vnnahme, dass hier
eine Versciu-cihung lür Islanda vorliege, wie ei- denn diese Insel anch für Island erklärt.
Dagegen hat Fischer eine sehr überzeugende Erkl ä r tmg für die Legende Sknnifise (nicht
cenefisc) gegeben, wenn er sie auf den .Stockfisclifang tiezieiit, von dem schon auf dem
Globus llebaim's zu lesen ist: "In der Insel Island fahet mau den Stocktisch, den man in
unser Land bringt.«
Fischer giebt die falsche Le s a r t nevine, statt jieome, wie sie besonders deutlich
auf der Kar t e von .Siena gegeben ist. — Porlanda bei Pr u n e s ist eine Entstellung aus
Pentland, wofür die Zeno - Kar t e Podarula hat. Vgl. zu letzterer Rü g e . Zeitalter der
Entdckgn., S. 28.
C.RÖN'L.AND .\UF DEN KARTEN DES XV. .lAHKHUNDKRTS. 253
dass die Karte Zeno's vom Jahr 1558, jene des Prunes hüigegen (im
Exemplar von Siena) vom Jahr 1553 datirt ist.')
Auf einer anderen Karte des XVI. Jahrhunderts fand ich eine
ähnliche Darstellung. Die National-Bibliothek zu Florenz besitzt einen
Atlas des Jaume Olives, eines iMallorctiners, von dem uns zahlreiche
Kartenwerke erhalten sind.") Auf dem dritten Blatt desselben (vgl.
Atlas, Tafel IV, No. 3) sehen wir die.selben Inseln mit genau denselben
Legenden A erzeichnet. Jsiilanda (!) ist vollständig wiedergegeben, von
Frixlanda nur die östliche Hälfte. Das Datum des Atlas ist nicht ganz
gesichert, da es von späterer Hand teilweise wegradirt ist. Ezielli-
Amat glaubten 1564 zu lesen. De.sinioni 1504, mir erschien es für 1514.
Engeachtet dessen, ist es für uns ein neuer Beweiss, dass der bisher
der Zeno-Karte eigentümlich gewesene Nordische Archipel keine migewöhnliche,
geschweige denn eine erstmalige Erscheinung ist.
Was nun die kartographische Darstellung Gr ö n l a n d s anbetrifft,
so erscheint es zum ersten ]Mal, wie erwähnt, auf der Karte des
Claudius Clavus von 1427.") Als ehie einfache, nur schmale Hall)-
insel, welche im Osten ebenfalls mit Europa zusammenhängt, finden
wir es auf der Genuesischcii Weltkarte von 1447 wieder.") Auch
Fra Mauro bietet den Namen des Landes Grolanda, miter welchem er
jedoch nur einen Teil der Skandinavischen Halliinsel versteht. Erst
die Tabula regionum sepienirionalium A'on 1467, welche Norden,skiöld
in einem Ptolemaeus-Kodex anftand,'') zeigt wieder eine der Clavus-
Karte ähnliche Darstelhmg. Die schlanke Halbinsel Gronlandia wird
zwar von J^orhegia durch das Marc congelatum geschieden, ist aber mit
Korbegia im Osten in Zusaminenhang gebracht worden. Wie wenig
aller der Kartenzeichner mit der Nomenklatur jener Länder vertraut
war, ergieht sieh daraus, dass er eine zweite Landschaft, Engronelant,
auf der Skandinavischen Ilalbüisel ansetzt, ebenso wie er neben
Islanda noch eine gesonderte Insel Thile in unmittelbarer Nähe von
Skandinavien verzeichnet. Nicht anders ist es auf der Ulmer Ptolemaeiis-
Karte von 1482, welche von Ni c o l a u s Ge rma n u s herge.stellt worden
ist; tleiiii auch hier ist Engronelant an zwei verschietlenen Stellen eiii-
') Eine nähere Er l äut e rung der übrigen Legenden der Ivarte behalte ich mir für eine
sjiätere .Abhandlung vor.
Bei Uzielli-.Amat, No. 198, wo er als Anonynnis angezeigt ist.
In Ntn-denskiöld's Facsinnle-.Atlas, S. 49.
») A'gl. S. 118.
Er fand sie in der Bibliotlieca Zamoiskiensi zu AVarschau; sie ist in seinem
Facsimile-Arias, Tafel X X X , abgebildet.
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