
342 V. KAPITEL. DER JIl'PJDPS NOVUS.
iiadi ihm als Tierra de Estevä Gomez hezeichnet, ein Name, den es
jedoch nicht offiziell führte, und der sehr hald dem neuen Namen
Nonmbega wich.')
Wir können mit der Fahrt des Gomez füglich einen Abschluss
machen; denn diese bddete den Schlussstein, welcher die lange Kette
von Einzel-Entdeckungen mit einander verband. Nunmehr wa r
auch der konthientale Zusammenhang für die Küste von Florida bis
Neufundland, dessen Inselnatur damals noch nicht erkannt wa r , erwiesen.
Freihch tritt auch später noch hin und wieder die Frage
nach dem Vorhandensein einer Meerenge wiederholt hervor. Die
Möglichkeit, dass hinter ehier der zahlreichen Buchten und vermeintlichen
Flussmfmdimgen sich ein Durchgang znm Ost-Asiatischen Meer
verbergen könnte, wie es ähnlich bei der Magalhàes-Strasse der
Fall war, blieb bestehen, hatte aber doch an Wahrscheinhchkeit
verloren, seitdem die Entdeckungen auch an der Südsee-Küste durch
Cortes um ein Bedeutendes gefördert waren. Die beiden Weimarer
Karten, besonders jene des Diego Ribero von 1529, geben den Stand
der Kemitnis am besten wieder: eine e i n h e i t l i c h e , z u s amme n -
h ä n g e n d e , d u r c h k e i n e Me e r e n g e u n t e r b r o c h e n e Kü s t e z i e h t
sich v o n N e u f u n d l a n d im No r d e n bi s z u r Ma g a l h â e s - S t r a s s e
im S ü d e n h i n u n d s c h e i d e t den f r ü h e r e i n h e i t l i c h g e d a c h t e n
Ocean zwi s c h e n S p a n i e n u n d I n d i e n in zwe i Hä l f t e n .
III. Die ersten Versuche einer Umgestaltung
des Weltbildes.
; ährend die Kosmographie des IVIittelalters ganze Jahrhunderte
lundurch sich nur langsam und schwerfällig
l fortentwickelte, und die nicht unbeträchthche Erweiterung
J i i ^ des geographischen Horizontes die alte Weltanschauung
rmd mit ihr die Kreisform des Erdbildes nicht zu beseitigen vermochte,
wa r nunmehr seit der Entdeckung von Gnanahani in der
') Die auffallend br e i t e , mit Inseln erfüllte Bneht , die anf Ribero's Ka r t e s enkr e cht
znm Küstenverlanf weit ins Land einschneidet, scheint die Bai von Penobscot zn sein; die
Darstellung ist für diese Bai typisch gewoi t l en, wir finden sie auf späteren Karten
allenthalben vor. Die Bucht wi rd vielfach Rio de las Gama.t (Hirschlluss) genannt , dann
anch einfach d e r F l u s s v o n N o r u m b e g a . \'gl. den Portugiesischen .^tlas auf
Tafel XXXIV.
VERSCHIEDENE .AN,SICIITEN IBER DIE ENTDECKUNGEN. 343
kurzen Spanne Zeit von siebenunddreissig Jahren eine so erdrückende
I'^ülle neuen Thatsachen-Materials zusammeiigetrageii worden, dass die
wissenschaftliche Verarbeitmig desselben ui dieser kurzen Zeit unmöglich
zu bewältigen war. Nur mühsam und erkünstelt wusste man die
neuen Ergebnisse mit den traditionellen Vorstellungen vom Weltbild
in Einklang zu bringen. Die ersten Entdecker waren in dem Glauben
befangen, die Ostküste derselben grossen Kontinental-Insel erreicht zu
haben, von deren Westküste sie ausgefahren waren. Columbus,
Vespucci, Petrus Martyr und Andere suchten alle Erscheuumgen und
Beobachtungen in diesem Sinne zu deuten. Aber je mehr die Entdeckungen
vorschritten, desto schwieriger liess sich diese Methode der
Erklärung durchführen, desto mehr musste man sich sclihesslich der
Annahme zuneigen, dass der weiter und immer weiter nach Norden
nnd Süden anwachsemle Läntlerkomplex zwar noch zu Asien gehöre,
aber doch mit den bis damals auf dem Ostweg bekannt gewordenen
Teilen dieses Kontinentes sich in keuier Weise vereinigen lasse. Die
Erkenntnis der weit nach Sütlen ausgreifenden Gestalt des neuen Kontinentes
musste zuerst zu dieser Aimahme führen. Aber tlie dämonische
Anziehungskraft der Gold- und Gewiirzländer übte noch immer ihren
gewaltigen Einfluss auf die erwerbslustigen Nationen der Atlantischen
Küste Europa's aus, dass auch die kosmographischen Vorstellungen
von der vermutlichen Gestaltung der nördlichen Teile des neuen Kontinentes
hierdurch in ^Mitleidenschaft gezogen -ivurden. Hatte sich die
•südliche Hälfte als eine zusammenhängende Kontinentalküste erwiesen,
die nur sehr mühsam weit im Süden zu umgehen war, so hofl'te man
dagegen im Norden, wo das Entdeckungswerk noch nicht weit vorgeschritten
war, einen bequemeren We g zu den Goldländern aufzufinden.
Die Forschungen des dritten Jahrzehntes brachten endliclt
die Gewissheit, dass vielmehr auch im Norden eine zusammenhängende
Küste, wie ein mächtiger Wall, den Schilfen eine Schranke setzt. Wie sich
diese Erkeimtiiis vorbereitete, und wie jeder einzelne Entdecker und Eroberer,
in den alten Vorstelhmgen vom Weltbild befangen, sich in seinen
Hoffmmgen und Träumen von Kathay und Lidien schliesslich getäuscht
sah, ist in den beiden vorhergehenden Abschnitten dargelegt worden.
Ehe wir aber auf die Darstellungsformen näher eingehen, welche
die neuen Entdeckungen auf den Karten famlen. mag zuvor noch der
Anschauungen, die man nunmehr von der Breite des Atlantischen
Oceans gewonnen hatte, gedacht wertlen.
Die von Marinus von Tyrus herrührende Schätzung, dass die
seewärts liegende Amplitude zwischen tlen Küsten Spaniens und
wm