III. K a p ite l.
Da s System.
A. Familien und Unterfamilien.
Seit B r a u e r s grundlegenden „Systematisch-zoologischen Studien“ (85) teilen wir die
Klasse der Insekten in zwei Unterklassen: die Apterygogenea und die Pterygogenea.
In der Subclassis der Apterygogenea, welche die primär flügellosen Insekten enthält, werden
allgemein wieder zwei Ordnungen unterschieden, nämlich die T h y s a n u r e n und die C o l lem -
b o l e n , welche sich, zueinander verhalten wie u r s p r ü n g l i c h e , p r im i t i v e F o rm e n zu a b g
e l e i t e t e n r ü c k g e b i l d e t e n . W ir lassen die letzteren hier außer acht und beschäftigen
uns nur mit den Thysanuren.
Diese Ordnung lä ß t sich ohne Schwierigkeit in zwei natürliche Gruppen, S u b o
r d in e s , zerlegen und zwar auf G r u n d d e r M u n d g l i e d m a ß e n : bei der einen sind die
letzteren in den Ko p f eingezogen, bei der anderen dagegen artikulieren sie frei außen am
Kopf. ^ G r a s s i bezeichnet daher die Angehörigen der ersten Gruppe als „ E n t o t r o p h i “ ,
und die der zweiten als „ E k t o t r o p h i “ .1
Jede dieser beiden „Subordines“ enthält 2 Familien: die Entotrophi d i e F a m i l i e d e r
J a p y g id e n u n d C a m p o d e id e n und die E k t o t r o p h e n die Familie der M a c h i l id e n und
L e p i sm a t id e n .
D ie letzte Familie allein ist Gegenstand der vorliegenden Studie.
D ie Lepismatiden und Machiliden lassen sich durch folgende Merkmale leicht voneinander
trennen:
1. M a ch ilid a e : Körper cylindrisch | Augen sehr g roß, sich meistens auf der Oberfläche
des Kopfes berührend, aus einer großen Anzahl kleiner Ommatidien zusammengesetzt;
Kiefertaster 7gliedrig; Coxen der Mittel- und Hinterbeine mit je
einem Stylus; Bauchschienen I— V I I deutlich dreiteilig, aus Sternit und Coxiten
(Basiten) bestehend.
1 Da auch die Mundgliedmaßen der Gollembola nach dem Typus der Entotrophen gebaut sind, so schlägt
v. S t u m m e r -T r a u n f e l s (91) vor, die Entotrophen zu den Collembola zu ziehen, und die beiden zusammen als „E n t o-
g n a th i “ den „Ektotrophen“ als „ E k t o g n a th i “ gegenüberzustellen. Mit Recht hat V e r h o e f f (04) diese Ansicht als
unhaltbar zurückgewiesen, indem er die große Menge anderer prinzipiellen Unterschiede zwischen den Collembola und den
Entotrophen betonte. — Vielleicht ist es das Richtigste, die Collembola, die Entotrophen und die Ektotrophen als drei
selbständige Ordnungen der Apterygogenea aufzufassen, wie V e r h o e f f in derselben Arbeit vorgeschlagen hat. Doch
bedarf diese Frage noch eines eingehenderen Studiums.
2. Lepism a tida e : Körper ab geflacht; Augen, wenn überhaupt vorhanden, relativ klein,
stark seitlich gelegen,; sich niemals berührend, aus wenigen auffallend großen
Ommatidien zusammengesetzt. Kiefertaster 5gliedrig (nur in 1 F a ll ögliedrig) ;
Coxen der Mittel- und Hinterbeine stets ohne Styli; Bauchschienen I— V I I stets
einheitliche Coxosterna (Urosterna) bildend.
Mit dieser Auffassung befinde ich mich in vollständiger Übereinstimmung mit G r a s s i
und R o v e l l i (90). Dageg en entspricht unsere Familie der L epism atida e nicht der gleichnamigen
B u rm e i s t e r sehen Familie, welche vielmehr der ganzen Gruppe der Ektotrophi
gleichwertig ist. Dasselbe gilt für die L u b b o c k s c h e Familie der L e p i sm a t id e n . Noch
weiter ge fa ßt ist der Beg r iff „ L e p i sm id e s “ bei N i c o l e t (47), welcher denselben auf die
ganze Ordnung der Thysanuren anwendet. —
W a s nun die w e i t e r e Z e r g l i e d e r u n g u n s e r e r F am i l i e d e r Lepisma tida e b e t
r i f f t , so beschränkten sich G r a s s i und R o v e l l i (9.0) darauf, in ihr d r e i G a t t u n g e n zu
unterscheiden, in folgender Weise:
a) Nico le tia (Gervais).. Ohne Schuppen*
b) L ep ism in a (Nicolet). Mit Schuppen; ohne A u g en ; Fühler mit nicht mehr als 20
Gliedern, welche relativ lang sind.
c) L ep ism a (Linné). Mit Schuppen; mit Augen ; Fühler mit mehr als 20 relativ kurzen
Gliedern*
D ie letztere Gattung teilten sie noch in zw e i S u b g e n e r a :
a) L e p ism a (Linné) s. str. Maxillartaster 5gliedrig.
ß ) Th ermophila (Rovelli). Maxillartaster ögliedrig oder viel besser, das 5. Glied von
L e p ism a in zwei sekundäre Glieder (subarticoli) zerlegt.
Diesen drei Gattungen und zwei Untergattungen fügte S c h a e f f e r (97) noch eine vierte
Gattung hinzu, nämlich Trinemophora, die der Gattung Nico le tia am nächsten stehen und
sich von ihr durch die geringere Anzahl Styli unterscheiden sollte. Im übrigen fu ß t die F a milieneinteilung
S c h ä f f e r s auf denselben Merkmalen wie diejenige G r a s s i s und R o v e l l i s .
Wenn man das geringe Material, das den genannten Forschern für ihre Studien zur
Verfügung stand, berücksichtigt, so ist ihr System durchaus zu billigen. Das selten reichhaltige
Material aber, welches meinen jetzigen Untersuchungen zu Grunde lag, belehrte mich
sehr bald, daß wir mit obiger Gattungseinteilung nicht auskommen können, und daß auch
manchen der dazu verwandten Merkmalen ein generischer W ert nicht beigelegt werden darf.
Bei dem eingehenden Studium der vielen Formen ergab es sich zunächst, daß wir das
g ro ß e Heer derselben in zw e i F I a u p t g r u p p e n ( S u b f a m i lie n ) zerlegen müssen. E s ist
n i c h t das Vorhandensein oder Fehlen der Schuppen, welche diese Subfamilien charakterisieren,
und worauf man früher so viel W e r t legte, sondern der v e r s c h i e d e n e B a u d e r
G e n i t a l s e gm e n t e . Schon in meinen „Beiträ gen“ (03) wies ich auf die prinzipiellen Unterschiede,
welche zwischen den Genitalsegmenten von Lep ism a und Grassiella (= A te lu ra Heyd.)
bestehen, hin. Ich brauche hier dieselben wohl nicht mehr genauer zu beschreiben, zumal sie
im „ I . Kapitel“ (Morphologisches) ausführlich behandelt sind.
Nun stellte sich aber bald heraus, daß 1) die genannten Unterschiede sich nicht nur
auf die beiden Gattungen Lep ism a und A te lu ra beziehen, sondern sich auch noch auf eine
ganze Anzahl anderer Gattungen erstrecken — und daß 2). mit d e n U n t e r s c h i e d e n im