entfernten Fazenda de S .R oq ue ,. wo der Vorstand {Commandante) dieses
Districtes, Senhor F rotta, wohnte. Zwischen zwei isolirten Kalksteinbergen
der Serra da Meio führte uns der W e g über ein sehr ungleiches
Terrain, auf welchem dichtes Gebüsche und Taboleiro mit kleinen Palmenwäldchen
ab wechseln. Die Vegetation hat viele Aehnlichkeit mit der am
Rio de S. Francisco, doch finden sich auch Pflanzen, die den Hochebenen
von Minas zugehören, und der Gesammtausdrück der Vegetation schien
uns zu beurkunden, dass diesem Flussgebiete des Paranän eine eigentümliche
Flora zukomme. Unter den merkwürdigsten Bäumen, welche
w ir fanden, nenne ich den Paru {Dipterix odorala, fVilld.), dessen Saa-
men, unter dem Namen der Tonkabohnen bekannt, und durch Geruch und
Gehalt an Benzoësaure der Vanille ähnlich sind. In der Provinz Para,
wo der Baum häufig wächst, und seine Früchte oft gesammelt werden,
kennt man ihn unter dem Namen Cumarü. In dem Hause des Commandanten
erwartete uns ein früher nie gehabter Anblick. W i r fanden Niemanden,
weder in dem Hofe, noch in den geräumigen Wohngebäuden,
und wollten uns befremdet schon entfernen, als uns ein klägliches Geschrei
nach einer abgelegenen Hütte *) rief. Hier trafen w ir die ganze
Familie und zahlreiche schwarze Dienerschaft um eine Leiche heulend,
die ganz nach Art der ägyptischen Mumien in Baumwollenzeuge einge-
nähet war. Man erklärte uns, dass der Tod einer Negersclavin diese lu-
gubre Feierlichkeit veranlasst habe, indem sich die Afrikaner nicht abbringen
Hessen, den Verstorbenen nach vaterländischer Sitte die letzten
Pflichten zu erweisen. Die Todtenklage wird von den Negern mit solcher
Innbrunst und Lebhaftigkeit angestellt, dass die Fazendeiros es für
eine Unklugheit halten, sie ihren Sclaven nicht zu gestatten. Diese religiöse
Feierlichkeit, von den Negern Entccme genannt, wird in Guinea bei
verschlossenenThüren gehalten, und artet sehr häufig an die grössten Ausschweifungen
aus, von denen Senhor F rotta seine Dienerschaft nur durch
die eigene Gegenwart abhalten zu können befürchtete. W i r wurden hier
mit allen jenen Beweisen einer herzlichen und ungezwungenen Gastfreund*)
Die Hüttgn der Neger, aus Latten, mit Lehm beworfen, errichtet, und mit Stroh von
Mais, oder mit Palmenblättern gedeckt, haben oft dieselbe Bauart wie die in Afnca. Man pflegt
sie in Brasilien Sanzalas oder Valhofas zu nennen:
schaft aufgenommen, welche einen wesentlichen Zug in dem Charakter der
Goyazanos ausmachen soll; doch verweilten w ir nur einen Tag, und kehrten
sodann über Contagem de S . Maria nach der Fazenda do Rio Fermo-
zo zurück, wo w ir zwar den Trupp zu neuen Märschen aüsgeruht, aber
einen unserer treuesten Treiber so bedenklich erkrankt fanden, dass wir
uns später glücklich schätzten, ihn bis an den Rio de S. Francisco gebracht
zu haben, wo w ir ihn in ärztlicher Pflege zurückliessen, als wir
in die Capitanie von Bahia übertraten. An der Krankheit dieses Mannes
hatte das Heimweh viel Antheil, dem die Mineiros, so wie in Europa
die Bewohner gebirgiger Gegenden, mehr als andere Brasilianer unterworfen
sind.
Die Wanderung von jener Fazenda zurück an den Rio de S. Francisco
nach Carynhanha, welche w ir in sechs Tagen zurücklegten, bildet
in unserer Reise eine kleine Periode, die zwar ohne alle Ergebnisse
von objectiver Wichtigkeit, aber um so reicher an der reinsten Naturfreude
vorüberging. Zum ersten Male nämlich fanden w ir uns mehrere
Tage lang in einer Einöde, die auch gar keine Spur von Menschen zeigte
, und deren eigenthümlicher Eindruck auf unser Gemüth noch erhöht
ward durch die wahrhaft idyllische Schönheit dieser Gegend. Nachdem
w ir die erste Nacht an dem Ursprünge des Juqu ery, eines kleinen Baches,
der in den Carynhanha fällt, auf einer mit Palmen besetzten Ebene
im Freien hingebracht hatten, gelangten w ir des andern Tages an den
Rio Fermozo. Dieser Fluss trägt seinen Namen, des s c h ö n e n , mit
vollem Rechte, denn seine Umgebungen sind ein weitläufiger Garten, in
dem die Natur Alles vereinigt hat, womit eine dichterische Phantasie den
Aufenthalt*der Nymphen oder Feen ausstattet. Palmengruppen und Blü-
thengehänge stehen bunt wechselnd in den saftigen Wiesen, durch die der
Fluss in mancherlei Windungen, bald schneller, bald ruhiger, überweissen
bandstein, und gegen Osten dem Rio de S. Francisco näher, über Kalkstein
seine klaren grünlichen Gewässer führet. Immer in der Nähe dieses
Flusses und oft unmittelbar längs seinem Ufer zogen w ir vier Tagereisen
hin. W i r übernachteten auf dem hochliegenden Taboleiro, wo wir
zwischen Palmen oder krummästigen Zwergbäumen unsere Netze aufhin-
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