ganze Bai und den Hafen geniesst. Der mittlere Theil der Stadt, aiif einem
hügeligen, aber etwas niedrigeren Terrain erbaut, enthält zwischen
regelmässigen Strassen mehrere ansehnliche Plätze, unter welchen sich der
des Gouvernementspallastes auszeichnet. Die Architectur dieses und der
benachbarten Gebäude, des Stadthauses, der Münze und des obersten Gerichtshofes
(Relagäo), ist einfach aber unbedeutend*, und die Ansicht der
Gefängnisse unter einem Theile des Pallastes, aus deren Tiefe man das
Rasseln der Ketten und die Stimmen der Gefangenen vernimmt, giebt dieser
Gegend der Stadt einen traurigen Charakter. Viele der Unglücklichen
und darunter auch Weisse, welche diese Kerker bewohnen, sieht man
bei Tage, mit Ketten belastet, in den Strassen öffentliche Arbeiten verrichten,
eine Beschäftigung, die von den Eigenthümem schwarzer Sclaven
häufig getadelt wird , weil ihnen am meisten daran liegt, dass der physische
Abstand der Ragen auch moralisch anerkannt werde. Das merkwürdigste
Gebäude im obern Stadttheile ist unstreitig das ehemalige Jesuitencollegium,
mit seiner daranstossenden Kirche. Letztere, welche statt eines älter»
und zerfallenden Gebäudes als Cathedralkirche ( Se~) gebraucht wird , ist
gegenwärtig, nach ihren architectonischen Verhältnissen, wohl der wüi>
digste und grossartigste Tempel in ganz Brasilien, und ein Denkmal von
der Macht und dem Reichthume seiner Erbauer. Einige Gemälde von
spanischen Meistern, die bronzenen Verzierungen des Chores, kostbare
Vergoldungen der Altäre und eine treffliche Orgel wurden aus Europa,
das reiche Getäfel der Sacristei von Schildpatt aus Ostindien hergebracht.
In dem Locale der Bibliothek des Jesuitenordens sind die Reste derselben
aufgestellt worden. Der Thätigkeit des vorigen Gouverneurs, Senhor C ondé
dosArcos, eines der ausgezeichnetsten Staatsmänner, dessen literärische
und liberale Gesinnungen in Bahia stets dankbar anerkannt werden, gelang
e s , durch Errichtung von Lotterieactien, eine schätzbare Sammlung
neuer Schriften aus allen Fächern hinzuzufügen, sb dass man jetzt bereits
mehr als zwölftausend Bände besitzt. Dieses Institut ist den grössten Theil
des Tages geöffnet, wird aber nur wenig besucht. Der grösste Theil des
Jesuitencollegiums wird jetzt von dem Militärspitale eingenommen. Die
übrigen Kirchen, deren man in Bahia über dreissig zählt, sind fast alle
von unbedeutender Architectur, und nur das neue Gebäude der italienisehen
Kapuziner, eine freundliche Kuppelkirohe, verdient rücksichtlich der
architectonischen Verhältnisse Erwähnung; Schade, dass die buntfarbigen
Platten auf der Fagade den Eindruck stören. Unter den Klöstern der übrigen
geistlichen Orden, welche hier in grosser Anzahl vorhanden sind,
zeichnet sich keines durch Schönheit des Baustyls aus, mehrere aber durch
sonderbare Verzierungen, oder durch ihre Ausdehnung. Das Bürgerspital
{Caza da Misericordia) , die chirurgische Schule, welche ähnlich
wie die in Rio de Janeiro eingerichtet ist, das, erst vor kurzem errichtete
Waisenhaus für Weisse, und der erzbischöfliche Pallast sind einfache,
aber zum Theil grosse Gebäude. Die anmuthigste Zierde dieser ausgedehnten
Häusermasse sind viele Gärten, die in ihr zerstreutliegend, obgleich
nur selten gepflegt, dennoch während des ganzen Jahres das saftige
Grün ihrer Orangenbäume und Bananen erhalten.
W ie reichlich die Schönheit der tropischen Vegetation eine sorgsame
Hand des Gärtners belohne, dies sagt dem Wanderer der öffentliche
Spaziergang (Passeio publico) , welcher auf einem der höchsten Puncte
im südöstlichen Ende der Stadt , nahe am Forte de S. Pedro errichtet
worden ist. Die Alleen von Orangen-, Zitronen-, Jambos-, Manga- und
Brodfruchtbäumen, die dichten Schnitthecken der Pitanga, und in bunter
Reihe zahlreiche Zierpflanzen aus dem südlichen Europa, Ostindien und
Brasilien, machen diesen Ort, am Abende, wenn sich die Luft abkühlt,
zu einem lieblichen Aufenthalte. Von dem geschmackvollen Pavillon aus
schweift das Auge hier über die grünen Inselgruppen des reichen Golfes
hin, oder ruht dort mit sehnsüchtigen Blicken auf der unendlichen Azurfläche
des Weltmeeres, weiche die untergehende Sonne mit zitterndem
Farbenspiele überzieht. In diesem Garten, der von allen, welche ich in
Brasilien gesehen habe, die meisten Merkmale europäischer Gartenkunst
an sich trägt, fand ich die Quassienstaude [Quassia amara, L .) unter
dem Namen der peruvianischen China cultivirt; doch gedeiht sie nicht gut.
Eine Inschrift auf dem Obelisk, welcher auf einem der höchsten Orte dieses
Gartens errichtet wurde, nennt den Tag des Jahres 1808, an welchem
Johann VI. in Bahia an das Land stieg. Es war dies, der erste
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