auf der Anhöhe eine freundliche Aussicht in das Stromthal eröffnet. Man
ubersieht das linke Ufer in einer langen Strecke hinab mit grünenden
Gebüschen besetzt, ein erquickender Anblick für das, durch die Monotonie
der blattlosen Catingas ermüdete Auge. Dahinter erhob sich, höher als
die Uferberge der rechten Seite, die Serra de Salgado in malerischen
Umrissen, jetzt im Kleide des Herbstes, und von weit verbreiteten Waldbranden
geröthet. Der Silberglanz des ruhig dahin wallenden Stromes
erhöht den Reiz dieser Gegend, wo der Segen des Handels die ursprüngliche
Wildheit verscheucht, und den Ausdruck jener friedlichen Ruhe v erliehen
hat, welche manchen unserer europäischen Landschaften gleichsam
einen sittlichen Charakter giebt. Mit Wohlbehagen ruhte ich bei dieser
Ansicht, und gedachte des vaterländischen Rheins. Gegen Abend kamen
w ir an den P o r te de Salgado herab, und bestiegen einen kleinen Nachen,
welcher uns, nach einer Viertelstunde, glücklich auf das andere
Ufer brachte, von wo B re jo de Salgado nur einige hundert-Schritte entfernt
liegt. Der Strom war gerade jetzt ziemlich entleert, doch zeigte er
an manchen Stellen eine Tiefe von zwanzig bis dreissig Fuss, und führte
seine trüben, weissgelblichen Gewässer mit beträchtlicher Geschwindigkeit.
Porto de Salgado ist gewissermassen der Mittelhafen für die Schiffahrt
auf dem Rio de 5 . Francisco von 5 . Romäo bis nach Joazeiro
in der Provinz Bahia, und mit Zunahme der Bevölkerung und des Handels
werden sich die wenigen kleinen Hütten des Oertchens in eine reiche
Stadt verwandeln. Der Strom ist schon jetzt die gewöhnliche Handelsstrasse
für einen grossen Theil des Sertäo von Minas Geraes, welcher
seine Producte leichter auf diesem W eg e nach Bahia, als auf Maulthieren
nach Rio de Janeiro versendet, und dagegen zunächst Salz aus den
nördlich am Strom gelegenen Salinen, ausserdem auch europäische Waa-
ren erhält S. Romäo, am Zusammenflüsse des Rio de S. Francisco
mit dem Rio das F c lh a s ist als der erste Hafen an diesem Strome zu
betrachten, da dessen Lauf vierLegoas südlich von diesem Flecken, durch
den bedeutenden Wasserfall von Pirapöra unterbrochen wird. Von dort
bis Salgado legen die Kähne, blos mit Hülfe des Ruders, selten eines
Segels, den W e g in Vier bis fünf Tagen zurück. Diese Fahrzeuge sind
lang und schmal gebaut, ohne Verdeck, blos mit einer leichten Hütte im
Hintertheile versehen, und werden von drei oder v ier Schiffern geleitet
Die Schiffahrt ist am lebhaftesten einige Wochen nach der Regenzeit,
denn in der höchsten Fülle des Stroms ist sie unsicher und gefährlich.
Der R io de S. Francisco beginnt im November anzuschwellen,
steigt bis im Monate Februar , und fällt wieder im März. Die geringe E r hebung
des Uferlandes in vielen Gegenden verursacht, dass er hie und da
eine ungeheure Breite annimmt, und auf vier bis fünf Legoas> weit Alles
überfluthet. In andern Stellen ergiesst er sich durch natürliche Abzugskanäle
(Sangradouros) zwischen den Kalkhügeln weithin in das Land, und
zertheilt es in unzählige Inseln. In der Mitte des Stromes wird dann der
Lauf so beschleunigt, dass ein Fahrzeug in zwölf Stunden leicht vierundzwanzig,
Legoas zurücklegt. Um diese grosse jährliche Katastrophe dreht
sich gewissermassen das ganze Leben der Anwohner des Flusses; sie bedingt,
so wie der jährliche Austritt des Nils, Ackerbau, Handel und Gewerbe,
und, ist der naturgemässe Kalender dieser Gegenden. Auch hier
segnet die Ueberschwemmung das Land mit unglaublicher Fruchtbarkeit,
und neben den oben, bei der Schilderung der Geraagde S. Felipe, erwähnten
Producten begünstigt sie vorzugsweise auch den Anbau der Can-
oa, -des Zuckerrohres (Saccharam officinarum, L .) . Man baut dasselbe hier
in einem feinen, sumpfigen, schwarzen Boden, dem sogenannten Masapé,
welcher durch die jährlichen Ueberschwemmungen gebildet, oder doch günstig
für das Zuckerrohr verändert zu seyn scheint. '**Neben der gemeinen
Varietät des Rohres, welche einst von der Insel Madeira nach Bahia und
von da hierher verpflanzt worden ist, wird auch die sogenannte Cayenna-
Canna gebaut, die aus den Inseln der Südsee stammt, und sich durch höheren
Wuchs und die blässere Farbe der Blätter unterscheidet. Diese Varietät
liefert mehr, aber an Zucker minder reichen, dagegeh mehr Schleimzucker
und ExtractivstofF enthaltenden Saft (Garapa), aus dem der Zucker
leichter, in grösseren und weisseren Krystallen anschiesst. Seltsam genug
herrscht jedoch unter vielen Sertanejos ein Vorurtheil gegen den Cayenne-
zuckcr, dem sie mancherlei Krankheiten Schuld geben. Für die Zugute-
machung dieses Productes befinden sich längs dem Rio de S. Francisco
eine Menge kleiner Zuckermühlen, in denen aber nur wenig weisser und
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