Von der Fazenda Secco aus mussten w ir abermals ein hohes Gebirge,
die Serra das L a g e s , hinansteigen. Di£ Grundlage desselben ist
dünnschieferiger Thonschiefer und Glimmerschiefer, meistens von grünlichgrauer
Farbe, welcher nicht selten sich dem Chloritschiefer annähert und
Eisenoctaëder einschliesst. Oben findet man den Quarzschiefer, wie bei
der Villa do Rio de Contas, und darauf, statt der Catingaswaldung, eine
Annäherung an die Vegetationsformen von Minas; jedoch fehlen die Baumlilien
fast gänzlich. Auf dem flach ansteigenden Rücken des Gebirges erscheinen,
in der Nähe der Fazenda L a g e s , mächtige Lager von Eisen,
und zwar kommt dieses Metall vorzüglich als feinkörniger derber oder
mit Rotheisenstein gemengter Magneteisenstein, als feinblättriger Eiseri-
glimmer und als derber Brauneisenstein vor. Letzterer enthält nicht selten
bedeutende Parthieen von Stilposiderit (Phosphoreisen). Die Lage dieser
reichen Eisenminen an der Strasse nach den innern Provinzen, in
bedeutender Entfernung von der Küste, woher bis jetzt alle Eisenwaaren
eingeführt werden müssen, und die Gegenwart von Brennholz und Wasser
würden die Unternehmung einer Eisenhütte an diesem Orte so sehr
begünstigen, dass w ir sie einigen thätigen Kaufleuten in Bahia als eine
gute Speculation anrathen zu müssen glaubten. Das herrschende Streichen
des Quarzschiefers ist von N. nach S. in Stunde 22, 23 und 24, das
Fallen der Schichten in starken Winkeln von 4o° — 6oQ gegen O. Von
dem höchsten Puncte dieser Hochebenen, östlich von dem Flüsschen Pe-
ruaguaguzinho, das in den Rio de Contas fallt., sahen w ir den Verlauf
der Serra de Sincorä vor uns, welche in grossen, zum Theil Festungsartigen
Umrissen, auf den sanften Abhängen mit grüner Waldung bekleidet
, an den steilen Wänden und Terrassen aber blendend weiss, in der
einsamen und wildschönen Landschaft einen höchst malerischen Hintergrund
bildete. In einer Thalschlucht zwischen diesem Gebirgszuge und dem von
L a g e s fanden w ir ein kleines, ärmliches Pfarrdorf, Sincorä.
Das Thal des Rio Sincorä, eines klaren Bergstromes, welches
tausend bunte Schmetterlinge durchflatterten, Melastomen, Rhexien mit ihren
prächtigen violetten und Andromeden mit purpurrothen Blumen schmückten,
bot uns eine der schönsten Ansichten in diesem Alpenlande. Schmerzlich
vermissten w ir nur unsere Barometer, deren Mangel von der Messung
so interessanter Höhen abhielt; doch glaube ich den erhabenen Punkt
dieses Gebirgszuges auf mehr als 3ooo Fuss Höhe anschlagen zu dürfen.
Alles erinnerte uns an Tejuco, und w ir würden gerne längere Zeit hier
zugebracht haben, hätte uns nicht der gänzliche Mangel an Fourage unbedingt
weiter getrieben. Selbst der braune Geistliche des Oertchens vermochte
uns keinen Mais zu verschaffen, und so blieb uns nichts übrig,
als mit Anbruch des folgenden Tages die Serra de Sincorä zu übersteigen.
Die Schichten des Quarzschiefers streichen hier in einer Mächtigkeit
von ein bis acht Fuss von N. nach S. in Stunde 22, 23 und 24$ und
fallen unter starken Winkeln nach O. ein. Mit grosser Mühe erreichten
w ir den Pass des Gebirges; denn um unsre Noth zu vermehren, hatten
die meisten unserer Lastthiere während der Nacht ein giftiges Kraut gefressen;
sie zitterten, schnaubten uns traurig an, und legten sich an den
steilsten Stellen des Weges nieder, so dass w ir gezwungen waren, die
Ladungen selbst bis auf den jenseitigen Abhang zu tragen, welchen sie
mit geringerer Anstrengung hinabstiegen, weil diese Art von Vergiftung
besonders das Aufwärtssteigen erschwert. Unter den bittersten Gefühlen,
diese interessante Gegend nur im Fluge betrachten zu können, kletterten
w ir den östlichen terrassenförmig abgesetzten mit prächtigen Alpenblumen
verzierten Bergabhang hinab, und Hessen uns kaum Z e it, die
Pflanzen zu sammeln, welche eine ganz eigenthümliche Flora auf diesen
Gebirgszug ausmachen. Eine weite Aussicht auf' ein hüglichtes mit damals
blattlosen Catingaswäldern bedecktes Land eröffnete sich vor uns, bis w ir
in ein niedrigeres Plateau zu der Fazenda Carabatos hinabstiegen. Diese
Serra de Sincorä ist als die letzte nordöstliche Ausstrahlung des grossen
Gebirgsstockes der Serra de Mantiqueira anzusehen; sie macht die
Scheidewand zwischen dem Hochlande und den Niederungen von der Provinz
Bahia, westlich von ihr herrscht ein unbeständigeres feuchteres,
östlich ein trockneres Klima. Auf ihrem östlichen Abhange sollen Diamanten
gefunden worden seyn. Hier waren w ir an der Schwelle derjenigen
Catingas Waldung angekommen, deren Durchbruch uns die Erzählungen der
Sertanejos so gefährlich und furchtbar geschildert hatten. Denn bis Mall.
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