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nung von der Prachtliebé und dem Luxus jener ehemaligen Gen'eralpächter
des Diamanthandels erregt; hierauf gelangten w ir zu dem Servigo von l^äo
und übernachteten in einem von hohen Gebirgen gebildeten Kessel, der sich
durch seine Fruchtbarkeit vor der benachbarten Gegend auszeichnet.. In dein
Hause unsers Wirthes fanden w ir an dessen beiden Söhnen zum ersten Male
in Brasilien die traurige Erscheinung einer Geistesverwirrung, vielleicht als
Folge unnatürlichen Geschlechtsgenusses. W i r erwähnen dieses Umstandes,
weil es uns auffallend w a r , während unsers ganzen Aufenthaltes in
Brasilien nur von äusserst wenigen Geisteskrankheiten zu hören. Am
nächsten Tage führte uns der W e g über sehr hohe Campos, die von pittoresken
Felsengruppen umgrenzt, sind. Majestätisch erhob sich all-
mählig vor unsern Augen, aus einer waldigen Wildniss der Berg
mit seinem rundlichen, zerklüfteten und in der Sonne hellschimmernden
Felsengipfel. (S. Abbildung im Atlas „Serra de Itambe“ ). Gegen
Abend gelangten w ir an die Grenze der Campos und an den
Fuss des Hauptberges, welcher ringsum von einer eigenthümlichen
Vegetation von Farnkräutern, Bambusrohren und einem niedrigen dichten
Gehölze umgeben ist. Der Intendant beorderte sogleich die Sclaven,
Hütten aus Rohr für das Nachtläger zu errichten, und überraschte
uns in dieser Einöde mit einer wohl besetzten Tafel. Man traf hierauf
alle Anstalten, um mit Anbruch des nächsten Tages die Besteigung des
Gipfels vorzunehmen. Da dieser wegen des wilden Waldes ganz unzugänglich
schien, so hatte der Intendant schon früher die Vorsorge gehabt,
einen W e g durch die dichtesten Gehäge hauen zu lassen. Vo r
Sonnenaufgang traten w ir denn in Begleitung einiger Sclaven und Pedeslres,
die mit unsern Instrumenten und den nöthigsten Victualiën versehen waren,
den W e g an. Der Anfang war sehr mühsam. W i r mussten uns durch
Sumpf und Moor, über dürre, zackig ausgefressene Klippen und durch
dichtes Gestrüpp hindurcharbeiten. Nach dem Marsche von einigen Stunden
traten w ir in die schönsten, sich steil erhebenden Campos. Von
dieser Region aufwärts waren Felsen über Felsen gethürmt, und weite
Strecken mit herabgestürzten Rollsteinen bedeckt. Ausser dem Rieseln
eines kleinen Baches vernahm man keinen Laut; selbst kein Vo gel, kein
Insekt erschien in diesen heitern Hochgefilden, und nur aus den hie und da
vorfindlichen Fährten w a r zu ersehen, dass Tapire bis in diese Höhe
herumschweifen. In einer der Felsenklüfte zeigten sich Spuren von Feuer
und Nachtlager, welche vermuthlich flüchtigen Negern und Grimpeiros
zugehörten. Mit vieler Mühe erklimmten w ir endlich jene steile Felsenwand
, die w ir für den Gipfel des Berges gehalten hatten; w ir sahen
jedoch bald, dass w ir noch einen höheren Punkt zu erringen übrig hatten.
Glücklich erstiegen w ir auch den letzten Felskoloss, und wie in einem
Panorama lag nun von seinem Plateau aus die weit ausgedehnte Gebirgsgegend
des Serro Frio vor uns. Hoch erhoben sich südöstlich die spitzige
Serra do Gaviäo, und die sich in gigantischen Wellen hinziehenden
Gebirge, zwischen denen der Jequetinhonha sich durchkrümmt; südlich glänzten
gegen Villa Rica hin einzelne waldige Berge und Camposhöhen; westlich
die gegen den Rio de S. Francisco auslaufende Serra da Lapa. Friedlich
ruhten am Fusse gegen S. S.-W. die V illa do Principe und in S. O. das
Arraicd Itambe da V illa , in N .W . endlich das schöne Tejuco. Die Spitze
des Itambe bildet eine etwa dreihundert Schritte lange und halb so breite
Ebene', welche von einigen Felsenriffen unterbrochen, und mit Gräsern,
einigen Xyrisarten, Eriocaulen, der Barbacenia eocscapa *), mit Cactus
Melocactus und Bromelien (G rav ata) bewachsen ist. Letztere Pflanze
mit dem zwischen ihren Blättern aufbewahrten Wasser musste für unseren
Durst die Quelle ersetzen, die w ir hier vergebens suchten. Sehr empfindlich
war die Kälte, welche auf dieser Höhe herrschte. Der Thermometer
zeigte dreissig Minuten nach ein Uhr 11 1J2 Grad R ., der Barometer
22 Zoll, 10 Lin., der Electrometer eine mit dem Westwinde stossweise
eintretende Divergenz von 4r"f?’ 5 Graden an. Man will auf dieser
Gebirgsspitze schon Schnee liegen gesehen haben, der freilich nicht länger
als eine Nacht oder einen halben Tag anhielt. Die Luft um uns war
äusserst rein und heiter, und w ir verspürten ausser dem lästigen Gefühle
der Kälte nichts von den Hindernissen desAthmens undvondemUebelbefinden,
. welches in Peru unter dem Namen Marco de la Puna , sich auf sehr hohen
Gebirgen einzustellen pflegt. W i r waren noch immer mit unseren
*) Mart. Nov. genera plant, bras. t. 14- f. 2.