Erzählungen der Sertanejos von der wüsten Einsamkeit der Chapada de
S. Maria und den Krankheiten im Väo de Paranon waren nicht geeignet,
uns zu dieser Reise zu ermuthigen. Doch hörten wir die tröstliche
Versicherung, dass es uns nirgends an Wasser fehlen werde, ein
Element, dessen Mangel w ir bis jetzt noch gar nicht empfunden, ja das
uns vielmehr in seiner Fülle nachtheilig gewesen war. Auffallend ist übrigens
, dass die Gebirge auf der linken Seite des R io de S. Francisco
demselben zahlreichere und stärkere Bäche ■— so der Jtabirasava den
Rio da Canna Brava und der Itacarambi den Jacare - y zuführen, als
die, häufigeren Regen ausgesetzten Berge der rechten Seite; eine Erscheinung,
welche zum Theile durch die auf letzterer befindlichen Höhlen
erklärt wird, denn diese dürften die Gewässer dem Flussthale unterirdisch
zuführen. Wenn w ir aber auf unserer Weiterreise keinen Wassermangel
zu befürchten hatten, so waren wir doch durch die bisherigen
Erfahrungen von der Nothwendigkeit belehrt, das salpeterhaltige Trinkwasser
zu verbessern. Dazu verhalf uns die Fürsorge unserer Freunde
in Salgado, indem sie ein Maulthier lediglich mit trockenverzuckerten
Früchten und mit Quittenconserve beluden. Ein anderer Theil unserer Last-
thiere wurde mit türkischem Korne, mit gesalztem Fleische, Speck und
Branntwein beladen, und so ausgerüstet konnten w ir hoffen, auch diese
gefahrvolle Reise glücklich zu bestehen.
Die Hitze hatte in Salgado fast von Tage zu Tag zugenommen;
schon um 9 Uhr Morgens stand der Thermometer auf 180 oder 190 R .,
und um 2 Uhr nach Mittag auf 220 bis 23° R. Ein warmer Wind wehte
aus Osten über die Geraes her, manchmal am Morgen oder Mittag von
heftigen Donnerwettern begleitet. Dieser Witterung gemäss war in der
Nähe des Flusses die Vegetation fast erstorben, und schien, in ihrem verbrannten
fahlen Kleide bis zum Eintritte der Regenzeit winterlich zu ruhen.
Um so fröhlicher begrüssten w ir daher die grünen Gebüsche von
Combretum, Inga, Petrea, Coccoloba, Hyptis u. s. f ., als wir auf unseren
ersten Tagereisen, nach der drei Legoas s, s. - westlich entfernten F a zenda
Samidouro, in die freundlichen engen Thäler traten, welche sich
zwischen den Bergen der Kalksteinkette eröffnen. AUmählig erhebt sich
der Pfad, und nach einer Meile W e g s , durch den Wiesgrund {Brejo)
sieht sich der Reisende auf den höheren Ebenen des Stromes, welche
sich in ihrer Physiognomie den östlichen zwischen Contendas und Salgado
nähern. Mehr und mehr konnten wir uns davon überzeugen, dass im
Gebiete des Rio de S. Francisco und seiner Seitenflüsse eine eigenthüm-
liche Vegetationsform herrsche , . welche sich von seinen Ufern, als dem
Mittelpuncte, nach Osten und Westen erstrecke, an den tiefer liegenden
Ufern der Tributarien des Hauptstromes, wie an ihm selbst, sich vorzüglich
als dichtes, von Ranken durchzogenes Gebüsch därstelle, und ihren
Charakter besonders auf der Formation des Kalksteins erhalte. Diese V e getation,
Welche man im Allgemeinen Catingas- Vegetation, nennen könnte
, steht zwischen der der Urwälder längs der Meeresküste und der der
Fluren des Hochlandes in der Mitte, und unterscheidet sich auch vön den
Catingas-Waldungen am westlichen Abhange der Serra do Mai*. Abgesehen
davon, dass die Catingas hier grösstentheils aus anderen Pflanzen bestehen,
sind sie auch niedriger, treten in minder dichte Bestände zusammen, und
bilden sich nicht selten in der Art zu Taboleiros um, dass die Glieder
ihrer Formation selbst einen Theil der letzteren ausmachen. In der Flora
des Rio de S. Francisco ist ein entschiedenes Uebergewicht an Pflanzen
aus den Familien der Terebinthaceen * der Nopaleen, der Malven, der Lippenblumen,
der Solanaceen, Euphorbiaceen, Scrophularinen, Verbenaceen und
Convolvulaceen bemerkbar. Piperaceen, Acanthaceen,‘Boragineen, Rutaceen,
Sapiüdaceen sind hier häufiger als in den Fluren, aber seltner als in den
Küstenwaldungen; dagegen machen die Liliaceen, Orchideen, Rubiaceen,
welche in jenen beiden Vegetationsformen so häufig auftreten, nur einen
geringeren Theil aus, und die Myrtaceen, Malpighiaceen, Apocyneen,
Korbblüthen, Laurinen, Gräser und Restiaceen, die in den Campos vorherrschen,
oder die den Urwäldern eigenlhümlichen Lecythideen und Ges-
neriaceen sind hier minder zahlreich, ja selten. Hülsenfrüchtige Pflanzen,
namentlich Mimoseen und Cassieen schmücken diese Flora, während
die der Campos einen grösseren Reichthum an Papilionaceen besitzt. Diese
Vegetation schliesst sich durch Glieder aus der Familie der Anonaceen,
Dilleniaceen, Amarantaceen, Begoniaceen, Melastomeen, Myrsineen, Sty-
racinen und Sapoten an die Vegetation der Campos an; durch andere
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